Trumpf geht bei Quantencomputern ins Risiko und investiert in Chipentwicklung
Mit einem auf Photonik basierenden Chip möchte Trumpf schneller am Markt für Quantencomputer sein als seine internationalen Wettbewerber. Dazu investiert der Laserspezialist einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in das Start-up Q.ANT. Trumpf-CTO Peter Leibinger räumte dabei ein, dass das auch eine Wette auf die von seinem Unternehmen favorisierte Technologie sei.
„Die deutschen Konzerne brauchen ein Quantum Mut“, so lautete Mitte des Jahres der Titel eines Kommentars im Handelsblatt. Diesen Mut beweist jetzt der Lasertechnikspezialist Trumpf aus Ditzingen. Das Unternehmen gab gestern bekannt, einen zweistelligen Millionenbetrag in das Quanten-Start-up Q.ANT zu investieren. „Mit dieser Investition ebnen wir den Weg für Quantencomputerchips made in Germany“, sagte dazu Peter Leibinger, Chief Technology Officer von Trumpf. Das Start-up ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des etablierten Maschinenbauunternehmens. Zu seiner Risikobereitschaft sagte Leibinger: „Wir begeben uns auf sehr dünnes Eis, aber wir wissen wie tief das Wasser darunter ist. Deshalb trauen wir uns das zu.“ Man investiere viel, aber ohne das Unternehmen Trumpf zu gefährden.
Die Tochtergesellschaft Q.ANT hat nach Angaben von Trumpf ein Photonik-Chipverfahren entwickelt, durch das sich hochspezielle Lichtkanäle auf gewöhnliche Siliziumchips aufbringen lassen. Auf einen Wafer mit den klassischen Schaltkreisen werde dazu eine zusätzliche photonische Schicht aufgebracht. Neu ist die Idee nicht, doch Trumpf will hier mit seinem Know-how in der Fertigungstechnik punkten. In dem Zusammenhang werde Trumpf auch sein Engagement bei der Tochtergesellschaft Trumpf Photonic Components in Ulm ausbauen, hieß es. Zum Materialsystem und Details des Verfahrens wollte sich das Unternehmen aufgrund des starken internationalen Wettbewerbs jedoch nicht äußern.
Funktionsfähige Quantenchips in fünf Jahren?
Zur Technik sagte Leibinger: „Den Entwicklern von Q.ANT ist es gelungen, die optische Welt der Quanten an die elektronische Welt anzubinden.“ Durch das Verfahren ließen sich somit die heute etablierten elektronischen Großrechner um Prozessoren erweitern, die mit modernster Quantentechnologie arbeiten. Sein Unternehmen glaube, damit schon wesentlich früher in Rechenzentren mit Quantencomputern einziehen zu können, als es bisher gedacht wurde. „Der Einsatz industrieller Quantencomputer rückt näher“, folgerte er daraus. Ziel sei es, in spätestens fünf Jahren einen voll funktionsfähigen Quantenchip zu entwickeln, der heutige Computer ergänzt und leistungsfähiger macht.
„Ich glaube wir haben deutlich weniger Geld ausgegeben als andere, um dieses Ergebnis zu erreichen“, erklärte Leibinger mit Blick auf Wettbewerber in den USA und China, die teilweise dreistellige Millionenbeträge bei Investoren eingesammelt haben. Das Rennen um die meisten Qubits – also die elementaren Recheneinheiten in Quantencomputern – habe längst begonnen. „Wer es gewinnt, könnte mit den leistungsstärksten Quantencomputern auch viele andere Technologiefelder beherrschen“, stellte er fest. Diese stünden auch im Zusammenhang mit der Sicherheitstechnik, der Kommunikation, medizinischen Entwicklungen und vielen anderen Dingen, die den Menschen das Leben erleichterten. Deshalb gehe es auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Trumpf setzt dazu auf die enge Zusammenarbeit mit Start-ups und Forschungseinrichtungen.
So arbeitet der Quantenchip von Trumpf
Michael Förtsch, CEO des Start-ups Q.ANT mit Sitz in Stuttgart-Vaihingen, nutzte eine Analogie, um die Technik zu beschreiben: „Wenn man sich einen herkömmlichen Computer vorstellt, dann wissen wir, dass dort Strom – also die eigentlichen Informationsträger Bits – auf elektrischen Leiterbahnen von A nach B geschickt werden. Wir haben jetzt ein Verfahren entwickelt, in dem wir Lichtleiterbahnen – also das Pendant zur elektrischen Leiterbahn – auf das Ausgangsmaterial der konventionellen Halbleitertechnologie bringen können. Damit schaffen wir eine direkte Verbindung zwischen diesen beiden Welten – also den Bits und den Qubits.“ Diese direkte Anbindung sei auch ein wesentlicher Unterschied zu Entwicklungen von Wettbewerbern aus den USA und China. „Unsere Quantenchips müssten zudem nicht speziell gekühlt werden. Sie arbeiten bei Raumtemperatur“, machte Förtsch einen weiteren Vorteil deutlich.
Bisher habe sein Unternehmen demonstriert, das man die Leiterbahnen erfolgreich auf das Silizium aufbringen könne und dass man damit das Licht – also die Photonen – sehr verlustarm zwischen zwei Punkten übertragen könne. „Damit haben wir die Basis für alles Weitere geschaffen“, sagte Förtsch. Denn: Verluste gelte es in der Quantenwelt zu vermeiden. „Wenn ich in der Quantenwelt ein Qubit verliere, dann verliere ich auch Informationen. Und jedes Qubit verliert nicht nur eine Information, sondern auch die Verbindung zu allen anderen, wenn ich das skaliere“, erklärte der Experte.
Hohe weltweite Investitionssummen
Auch Förtsch sieht in der engen Verbindung mit Trumpf und Trumpf Photonic Components eine wettbewerbsfähige Kombination und lässt sich von deutlich höheren Investitionen im Ausland nicht schrecken. „Geld ist nicht immer gleich Fortschritt, sondern es braucht auch smarte Leute, die das umsetzen können“, sagte er. Mangelndes Geld dürfe zwar nicht dazu führen, nicht auch mal zwei Prozesse parallel austesten zu können. Er stelle sich aus dem operativen Geschäft heraus aber die Frage, wie man die riesigen Summen sinnvoll verarbeiten könne, die derzeit international gehandelt würden.
Leibinger verwies in dem Zusammenhang darauf, dass die Investitionssumme für den gewählten Ansatz mit dem photonischen Verfahren für ihn adäquat sei. „Wir gehen damit aber eine Wette ein, nämlich, dass unser Ansatz der richtige ist“, räumte er ein. Das wäre nicht der Fall, wenn ein supraleitender Computer oder ein anderes Verfahren sich letztlich als überlegen erwiesen. Allerdings erforderten diese Verfahren, die beispielsweise von Intel, IBM, Microsoft, Google, Honeywell und anderen entwickelt würden, deutlich höhere Investitionen.
Förtsch zeigte sich deshalb zuversichtlich: „Wir konnten in verschiedenen Testszenarien belegen, dass sich mit unserer Technologie Quantencomputerchips in Zukunft auch in gewöhnlichen Rechenzentren einsetzen lassen, weil sie weder eine besonders aufwendige Kühlung noch eine vibrationsfreie Umgebung benötigen. Unser Herstellungsverfahren ist im Vergleich zu anderen Quantencomputerplattformen einfach und ermöglicht die Erzeugung von vielen Quantenbits. Diese elementaren Recheneinheiten brauchen die Quantencomputer in großer Anzahl, um besonders leistungsfähig zu sein. Aus technologischer Sicht haben wir damit einen großen Wettbewerbsvorteil.“ Man sei nun mit strategischen Partnern aus verschiedenen Industrien im Gespräch, um schnellstmöglich Anwendungen in die Praxis umzusetzen.
Allerdings werde es dabei zunächst nicht um Einsätze in Rechenzentren von Suchmaschinenbetreibern oder IT-Konzernen gehen. Laut Leibinger würden Quantencomputer auch unseren Alltag nicht so schnell in Form mobiler Endgeräte beherrschen, sondern über die Rechenleistung vor allem hochspezielle Prozesse verbessern. Als Beispiele nannte er das Sortieren von Paketen oder die Erforschung von Molekülen in der Pharmaindustrie. Hier würden Quantencomputer zunächst andere Supercomputer ergänzen.