Von Klima-Uhren, Universaldiensten und mehr
Die Redaktion der VDI nachrichten hat auch im Jahr 2021 Topmanagerinnen und -managern sowie Forscherinnen und Forschern eine spezielle Weihnachtsfrage gestellt. Die Antworten bieten sehr persönliche Einblicke.
„Die VDI nachrichten werden 2022 digitaler. Beamen Sie sich bitte in das Jahr 2030. Es ist Weihnachten und Sie haben einen Wunsch frei: Welche digitale Dienstleistung von heute sollte bis dahin verbessert sein und wie? Oder gibt es Ihren Lieblingsdienst noch gar nicht? Wie würde der aussehen?“
Klimauhr mit Lob und Tadel
„Ich trage eine altertümliche mechanische Automatikuhr. Die zeigt mir die ungefähre Zeit und ist schnell eingeschnappt und stellt den Dienst ein, wenn man sie in die Ecke legt. Da sind die neuen Uhren etwas diplomatischer: Gesundheitsuhren, die an immer mehr Handgelenken zu finden sind, helfen 10 000 Schritte am Tag zu gehen, ausreichend zu schlafen und sich weniger ungesund zu ernähren. Ich wünsche mir, dass im Jahr 2030 dieser digitale Blick erweitert ist: von der eigenen Gesundheit zur gesunden Umwelt. Die Fitnessuhren von morgen sollten genauso selbstverständlich über unsere Klimafitness informieren, loben oder tadeln. Damit wir am Ende eines Tages wissen, wie es für das Klima gelaufen ist, und uns motivieren lassen – mit den digitalen Anerkennungen, die wir bei den Gesundheits-Apps kennen und lieben gelernt haben. Wenn eine solche Klimauhr zu haben ist, werde ich mit meiner mechanischen Uhr verhandeln, ob sie vielleicht in den Ruhestand gehen möchte.“
Daniela Thrän, Co-Vorsitzende des Bioökonomierates
Universaldienst für den Alltag
„Neun Jahre sind im digitalen Zeitalter eine Ewigkeit und mein Lieblingsdienst im Jahr 2030 daher kaum vorhersehbar. 2030 haben die ‚Digital Natives‘ das Ruder in den Führungspositionen in Wirtschaft und Politik fast komplett in der Hand, wir haben eine digitalisierte Wirtschaft und Verwaltung und werden überwiegend mobil und digital arbeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns bis dahin fast vollständig wegbewegt haben von einzelnen Diensten, Anbietern und linearen Formaten, hin zu einem Universaldienst, über den wir nahezu unseren gesamten privaten wie beruflichen Alltag managen. Vom morgendlichen News-Überblick über den Einkauf von Lebensmitteln und Konsumgütern mittels KI und smarten Apps bis hin zum Gesundheits- und Fitness-Check-up läuft dann alles über eine Plattform, die geräteübergreifend funktioniert. Vielleicht würde ich mir zu Weihnachten tatsächlich mal eine analoge Auszeit von meinem durchdigitalisierten Leben wünschen.“
Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender Eco, Verband der Internetwirtschaft
Guter Journalismus für alle
„Information im Internet ist immer Ware, aber nicht immer ‚wahr‘. Um Informationen zu filtern, zu bewerten, und zu verarbeiten, braucht es gute Journalisten und Geld. Also verschwindet die gute Information immer mehr hinter Bezahlschranken. Verlage verfallen in alte Geschäftsideen, verkaufen teure Digitalabos und sind mit ein paar Hunderttausend zahlenden Abonnenten zufrieden. Die besten Artikel sind den wenigsten Lesern vorbehalten. Gute Information und Diskurs gibt es nur für das zahlungskräftige Klientel. Während Google, Facebook, Apple, aber auch Spotify und Netflix den Massenmarkt beherrschen, soll ich für jeden Artikel, für jede Zeitung einzeln zahlen? Das ist umständlich, unpraktisch und klein gedacht! Liebe Verleger: Bis 2030 solltet ihr euch geeinigt haben. Bietet mir zumindest alle ein gemeinsames Abo an. Ein Preis, ein Log-in für alle Zeitungen – ihr verdient, was euch zusteht, und wir haben keinen Stress. Ihr müsst dafür auch nicht mehr Zeitungen drucken. Versprochen! Ansonsten lesen wir irgendwann alle eben Apple-News oder so was. Das ist leichter, aber für unsere Demokratie vielleicht auf Dauer nicht das Beste.“
Heino Falcke, Professor für Astrophysik und Radioastronomie an der Radboud-Universität in Nimwegen
Ein digitaler Coach fürs Klima
„Wenn es darum geht, meinen Alltag möglichst umweltverträglich zu gestalten, merke ich oft, dass ich an meine Grenzen stoße. Sei es aus Zeitmangel, Unwissenheit oder auch einfach nur aus Faulheit. Eine Art digitaler ‚Coach‘ wäre hier super!
Ich bin als angehende Ingenieurin überzeugt, dass Entscheidungen auf einer breiten Faktenbasis getroffen werden sollten. Der ‚Coach‘ übernimmt dabei den Part, den ich in meinem Alltag nicht leisten kann: Er führt unterschiedlichste Daten zusammen und wertet sie aus – von meinen GPS-Daten über meine Einkaufsliste bis hin zu meinem Stromzähler.
So kann er mir bei der Reiseplanung, beim Einkaufen und in vielen weiteren Situationen unter die Arme greifen, indem er mir die Auswirkungen von (potenziellen) Entscheidungen auf meinen CO2-Fußabdruck aufzeigt. Dabei sollte er mich stets motivieren, mich zu verbessern. Ich denke ein großer Motivationsfaktor wäre auch, sich in diesem Rahmen mit Gleichgesinnten austauschen zu können, denn zusammen macht alles gleich viel mehr Spaß.“
Fenja Feitsch, Vorsitzende VDI Young Engineers und Master of Science in Energy Science and Technology, ETH Zürich
Ein intakter Planet für unsere Kinder und Enkel
„Das mit dem Beamen wäre ja schon mal nicht schlecht. Aber ich fürchte, das lässt sich weder mit Digitalisierung noch physikalisch lösen. Wo uns die Digitalisierung bis 2030 tatsächlich voranbringen kann und auch muss, ist bei der Energiewende. Über das Thema intelligente Netze (Smart Grids) wird seit einigen Jahren diskutiert. Je volatiler die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenkraft, desto mehr muss diese am anderen Ende des Stromnetzes mit dem Stromverbrauch koordiniert werden. Gleichzeitig haben wir absehbar Millionen dezentraler Kleinsterzeuger und Minispeicher in privaten Häusern und Autos zur Verfügung, die ihren Beitrag zur Netz- und Verbrauchsstabilisierung leisten können. Mit den notwendigen gesetzlichen Weichenstellungen und künstlicher Intelligenz lässt sich aus diesen Bausteinchen der Energiewende ein tragfähiges Gebäude errichten. Das wäre dann auch mein Weihnachtswunsch: dass uns der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen gelingt und wir unseren Kindern und Enkeln einen intakten Planeten hinterlassen.“
Harald Speck, Arbeitsdirektor SKF
Hey Weihnachtsmann!
„Ich wünsche mir einen ‚Shopping-Avatar‘, der mich zeitlich entlastet und fast perfekte Geschenke und kleine Überraschungen für all meine Lieben findet. Der mich somit erinnert und inspiriert, welche Geschenke für Geburtstage und Gedenktage für Kinder, Familie, Freunde und Geschäftspartner die richtigen sein könnten. Der die Wunschlisten meiner Lieben um mich herum – gerade zur Weihnachtszeit – kreativ umsetzt und Lieblingsthemen beherzigt. Der auf gute Preise achtet, mich erinnert, auf Nachhaltigkeit schaut und bestenfalls regionale Geschäfte bevorzugt. Der vielleicht sogar direkt vor Ort die Auslagen virtuell übertragen kann. Ein digitaler Service, der mir Angebote und Ideen vorschlägt, und ich muss nur bestätigen oder ablehnen. Check – alle glücklich. Mission completed. Das wäre himmlisch!“
Philip Harting, CEO der Harting Technology Group und Vorstandsvorsitzenden des Auma (Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft)
Erschwingliches digitales Leben
„Ich wünsche mir bereits seit 1990 den Service ‚erschwingliches digitales Leben‘ – für alle – nicht erst 2030, sondern jetzt gleich nach Weihnachten, damit man bis Neujahr einziehen kann. Die eigenen vier Wände kosten mich als Mietkauf nur ca. 5 % bis 15 % vom Nettomonatskommen, falls ich zwischen 500 € bis 1500 € verdiene oder 15 % bis 30 % bei ab 1500 €. Ich kann dann im Alter mietfrei in dieser transformierbaren Wohnung selbstbestimmt, inklusiv und glücklich von meiner Rente leben. Diese Wohnung – von ca. 35 m2/Person – wird in einer vollautomatischen Fabrik am Weihnachtsabend – 24. 12. 21 – vorgefertigt, während meines Weihnachtsspaziergangs am 25. 12. 21 nach dem Brunch geliefert (die alte Wohnung zeitgleich demontiert und weiterverwertet) und in einer Stunde von Baurobotern montiert. Ich kann mich gleich nach dem Weihnachtsspaziergang in der neuen erschwinglichen adaptiven und altersgerechten Wohnung aufwärmen und auf Silvester einstimmen und habe noch genügend Geld zur Lebensfreude bis über 2030 hinaus übrig.“
Thomas Bock, Professor für Baurealisierung und Baurobotik an der TU München