Wo der Software-Mann auch mal jammt
Robert Mayr, Vorstandsvorsitzender der Datev eG, setzt auf künstliche Intelligenz und liebt seine Gitarren.
Robert Mayr hat eine einfache Meinung zu Malerei: „Entweder mir gefällts oder nicht.“ Natürlich gefällt ihm das selbst gemalte Bild seines 14-jährigen Sohns, das in seinem Büro hängt. Doch eigentlich liege ihm mehr die Musik, sagt Mayr. „Ich habe eine umfassende Gitarrenausbildung genossen.“ Von seinem ersten Geld habe er sich eine Squier Stratocaster gekauft, die E-Gitarre nennt er noch heute sein Eigen. „Sie ist eine Rarität und hat mittlerweile an Wert zugelegt“, freut sich Mayr. Kenner wissen: Eine Squier ist der preisgünstige Nachbau einer teuren Fender-E-Gitarre. Die Leidenschaft für Musikinstrumente hörte mit seinem 50. Geburtstag nicht auf: Er ließ sich eine Santana-Gitarre schenken. Weil er „ganz passabel“ spielen könnte, wie seine Ehefrau urteilt.
- ist seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Datev eG in Nürnberg.
- arbeitete als Referent bei der Treuhandanstalt, als Lehrbeauftragter an der LMU München, als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie als geschäftsführender Gesellschafter einer Revisions-GmbH.
- wurde 1966, dem Gründungsjahr der Datev eG, in München geboren und studierte Betriebswirtschaftslehre.
Ähnlich wie es sein Vorgänger im Amt, der heutige BDI-Präsident Dieter Kempf, gehalten hat, war er „schon ein paar Mal“ mit den Datev-Mitarbeitern im Probenraum: „Sie haben mich zum Jammen eingeladen.“ Gejammt wird freilich nur in Mußestunden. Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland und richtet sich an Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren meist mittelständische Mandanten. 2017 betrug der Umsatz 978 Mio. €.
Und noch eine Gemeinsamkeit verbindet Mayr mit Kempf. Gebürtig in München, zog auch Mayr nach Nürnberg, seine Wahlheimat. „Für mich ist es eine Berufung, eine Lebensaufgabe“, sagt er im Brustton der Überzeugung. „Es ist genau die Aufgabe, die ich gesucht habe, ich hätte es mir nicht besser wünschen können.“ Man nimmt‘s ihm ab.
Ursprünglich wollte Mayr, wie er erzählt, ins Bankwesen. Doch es kam anders. Als „geradlinig“ versteht er seinen Lebenslauf nicht. Studium, Abschluss als Diplom-Kaufmann und Start als Referent bei der Berliner Treuhandanstalt – „Für mich eine faszinierende Zeit, ich erlebte Berlin im Umbruch“. So viel Privatisierungserfahrung würde man nie wieder bekommen. Er saugte alles auf. Erlebte, wie eine Frau mit einem Kleinkind erfuhr, „dass es ihre Firma plötzlich nicht mehr gab“. Mayr beschäftigte sich mit Unternehmensführung und Restrukturierung.
Es folgten zwei Jahre als Lehrbeauftragter an der LMU München, 1994 die Promotion. „Ich wollte weiterlernen“, sagt Mayr. Seine Stationen: acht Jahre bei der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung Deloitte in München, Bestellung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, ab 2002 neun Jahre geschäftsführender Gesellschafter bei einer Münchner Revisions-GmbH.
Im April 2011 trat er in die Datev ein. Als Mitglied des Vorstands. Und auf Empfehlung eines Headhunters. Mayr hatte den Punkt in seinem Leben erreicht, an dem er sagen konnte: „Ich bin bereit für etwas Neues.“
Dieter Kempf sei für ihn „Freund und Mentor – und er war auch mein Chef“, sagt Mayr. „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob das große oder kleine Fußstapfen sind.“ Dazu hätte der Mann wohl auch gar keine Zeit. Denn die Digitalisierung „durchzieht alle Gesellschaftsschichten und strömt mit richtiger Macht auf uns ein“. Auf dem Weg in die digitale Transformation laufe die Datev „bis jetzt extrem stabil“.
Auf den Lorbeeren ruht sich Mayr nicht aus. „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“, sagt er. Und Mayr will. Nur allzugut weiß er, dass die Veränderung in hohem Tempo stattfindet, besonders die kaufmännischen Bereiche sind betroffen. „Die Geschäftsprozesse, die im Hintergrund stattfinden, entscheiden darüber, wie wettbewerbsfähig zum Beispiel ein Schreiner ist, der Carports baut und vertreibt.“ Und: „Der Steuerberater ist in alle kaufmännische Prozesse eingeschaltet und wird zum Outsourcingpartner seiner Kunden.“ So könne sich der Handwerker auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, anstatt sich „mit hochrotem Kopf mit Rechnungen und kaufmännischen Dingen herumzuschlagen“.
Die Datev definiert der Vorstandsvorsitzende als zentrale Plattform, auf der alle Daten gelagert seien, um kaufmännische und steuerliche Prozesse unterstützen zu können. In Zukunft habe Erfolg, wer „Herr über die Datenströme ist“. Das Ziel hat er klar definiert. „Wir wollen der führende Anbieter in Deutschland zur Gestaltung kollaborativer, betriebswirtschaftlicher Prozesse für unsere Mitglieder und deren Mandanten sein.“
Enorm wichtig für den Datev-Chef ist künstliche Intelligenz. „Unser sogenannter Buchungsautomat verbucht schon als Prototyp 90 % der Geschäftsvorfälle korrekt mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz. Ich will deutlich mehr.“ Damit meint Mayr etwas Größeres: „Die menschliche Zuverlässigkeit zu erreichen.“ Als problematisch betrachtet er jedoch den Breitbandausbau. „Wir brauchen ihn flächendeckend.“
Werden in seinem Unternehmen Menschen über Hierarchien definiert, ist ihm dies zuwider. Seine rund 7000 Mitarbeiter ermutigt er zum Widerspruch, fordert Kritik ein. „Jasager“ brauche er nicht, versichert ein Mitarbeiter. Sein Vater gab ihm einst mit auf den Weg, nie die Bodenhaftung zu verlieren. Robert Mayr scheint sich daran zu halten.