Jubiläum 15. Nov 2013 Eckart Pasche Lesezeit: ca. 2 Minuten

Jahrhunderthalle Breslau: Größte freitragende Kuppel ihrer Zeit

Blick auf ein Weltkulturerbe: Die Jahrhunderthalle auf dem Messegelände in Breslau.
Foto: Stanislaw Klimek

Zum Vergleich: Die Spannweite des römischen Pantheons beträgt 44 m, diejenige der Hagia Sophia in Istanbul 31 m.Vorbild für die Kuppel war die Festhalle in Frankfurt am Main, wo Berg zuvor Bauinspektor der Stadtverwaltung war. Der gewaltige Raum wird durch vier halbrunde Apsiden weiter deutlich vergrößert. So kommt der voluminöse Innenraum mit 42 m Höhe auf bis zu 92 m Länge. Riesige Strebbögen, die an die Weite gotischer Kathedralen erinnern, nehmen die Schubkräfte auf.

Bis Ende Oktober 1913 fand in den Pavillons und auf dem Freigelände die Jahrhundertausstellung zur Erinnerung an die preußischen Befreiungskriege gegen Napoleon I. statt. Die Stadt gedachte damit des hundertjährigen Jubiläums des Aufrufs „An Mein Volk“, den der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 20. März 1813 in Breslau herausgegeben und damit – in der Sichtweise der preußischen Geschichtsschreibung – die Kriegswende eingeleitet hatte.

Die Breslauer Stadtväter wählten diesen Anlass nicht zuletzt aus wirtschaftspolitischem Kalkül: Sie erhofften eine finanzielle Unterstützung durch das Kaiserhaus für die Bauten der Jahrhundertausstellung, die danach als Ausstellungsbauten des seit Langem geplanten Messegeländes fungieren sollten. Die staatliche Förderung blieb aus, die Stadt trug die enorme Investition allein.

Max Berg legte großen Wert auf ausgewogene Proportionen. Beim Bau der Jahrhunderthalle benutzte er ein geometrisches Modulsystem. Bei Ermittlung der entsprechenden Zahlenwerte zeigt sich, dass sie den Proportionen des „Goldenen Schnitts“ angenähert sind.

Zu Anfang des 20. Jhd. war Monumentalität ein Gebot der Zeit. In der Breslauer Halle, die auch als Denkmal zur Erinnerung an den Sieg über Napoleon fungierte, erreichte Berg Monumentalität durch das wohlausgewogene Verhältnis von Masse und Raum sowie die rhythmische Anordnung und Gliederung der stereometrischen Baukörper. So ist sie bereits Vorläufer der visionären Projekte der Expressionisten nach 1918.

Dank der lichtdurchfluteten Rippenkuppel regt das Innere der Jahrhunderthalle zur Kontemplation an. Hier zeigt sich Berg als von der Gotik faszinierter Romantiker: „Zugleich dachte ich, diesem Bau eine dem modernen Stoff des Eisenbetons entsprechende Raumform, eine von gotischem Geist durchdrungene Gestalt zu geben.“

Gemäß der sogenannten „Bekleidungstheorie“ ist die Form abhängig vom Material, in dem sie erscheint. So entwickelte Max Berg gleichsam einen Materialkult. Er setzte die Grundsätze der „Materialgerechtigkeit“ und „Materialechtheit“ radikal in die Realität um, indem er auf jegliches Dekor verzichtete und den Eisenbeton in seiner charakteristischen Struktur mit den Spuren der Schalung zeigte.

Der Architekt interessierte sich für die Verbindung der Architektur mit anderen Künsten, mit Theater und Musik. Was er mit seiner Theater-Halle – dem sogenannten „Dom der Demokratie“ – begann, wurde vorbildhaft für zahlreiche expressionistische Entwürfe und für das Totaltheater der Bauhauskünstler Walter Gropius und Erwin Piscator.

Das Zusammenspiel der Architektur der Jahrhunderthalle und der Ausstellungspavillons mit den übrigen bildenden Künsten, mit Musik und Gartenkunst war mehr als ein Gesamtkunstwerk.

Am 13. 7. 06 wurde die Jahrhunderthalle als Pionierleistung des Stahlbetonbaus und der modernen Architektur in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen. Nach deren Regeln soll sie ihr ursprüngliches Aussehen zurückerhalten. So begannen im Jahre 2011 die Abbrucharbeiten: Alle Einbauten, die nach 1913 entstanden, werden entfernt. Zusätzlich wird in der Mitte eine versenkbare Bühne eingebaut.

Gemeinsam mit der im Jahre 1948 vor dem Haupteingang aufgestellten Iglica, einer rund 100 m hohen Nadel, zählt die Jahrhunderthalle zu den Wahrzeichen der Stadt Breslau.

ECKART PASCHE

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