Nach Bruchlandung von Airbag-Helmhersteller gibt es Alternativen
Im Dezember 2024 überschlugen sich plötzlich die Ereignisse und führten zum Crash von Hövding, des europaweit bekannten schwedischen Herstellers für den alternativen Kopfschutz beim Radfahren. Ein neuer Hersteller steht dagegen in den Startlöchern. Neue Hersteller machen dagegen auf sich aufmerksam.
Wer beim Fahrradfahren keinen Helm tragen möchte und trotzdem auf Kopfschutz Wert legt, der kennt den Airbag-Helm von Hövding. Das schwedische Unternehmen brachte den Kragen, der sich beim Sturz innerhalb eines Sekundenbruchteils zu einem Airbag für den Kopf entfaltet, im Jahr 2011 auf den Markt. Als praktisch gilt auch die optionale Funktion, bei einem Unfall automatisch einen Notruf an hinterlegte Kontakte abzusetzen – per Bluetooth-Schnittstelle über eine App. Kritik gab es dagegen vor allem am hohen Preis, der mit etwa 300 € eher etwas für eine zahlungskräftige Kundschaft ist.
@kaipflaume Als der Airbag aufgelöst hat, habe ich mich ganz schön erschrocken, aber es war auch gut zu wissen, dass er funktioniert und wie er so aufgeblasen ausschaut 😱 #rennrad #radtour #airbag #airbagrucksack
Doch jetzt legt der Hersteller selbst eine Bruchlandung hin. Hövding macht dafür die schwedische Verbraucherschutzbehörde verantwortlich. Diese habe nach negativ verlaufenen Testes des aktuellen Modells Hövding 3 am 1. November 2023 ein zunächst vorläufiges Verkaufsverbot gegen das Unternehmen erlassen und am 15. Dezember 2023 ein dauerhaftes Verkaufsverbot sowie einen Rückruf für Hövding 3 angekündigt. Bis dato waren Tests eher positiv ausgefallen. So hatte beispielsweise eine umfassende Fahrradstudie des schwedischen Versicherungsunternehmens Folksam dem Airbag-Helm eine um das Dreifache bessere Dämpfwirkung gegenüber traditionellen Fahrradhelmen bescheinigt.
Verkaufsstopp für den Fahrrad-Airbag Hövding 3 wurde abgewendet
Laut Hövding hat das zuständige Verwaltungsgericht dem Einspruch des Unternehmens gegen die Entscheidung der Verbraucherschutzbehörde nur wenige Tage später stattgegeben. Der sofortige Verkaufsstopp und der Rückruf wurden damit aufgehoben. Der Hövding 3 darf also weiterhin verkauft werden.
Der Hersteller kommt jedoch zum Schluss: „Der Schaden, der durch das Verhalten der schwedischen Verbraucherschutzbehörde entstanden ist, ist so groß, dass der Vorstand keine Grundlage für die Weiterführung des Unternehmens sieht.“ Das Unternehmen habe deshalb am 21. Dezember 2023 Konkursantrag beim Bezirksgericht Malmö eingereicht.
Ob dafür allein das Verhalten der Verbraucherschutzbehörde verantwortlich gemacht werden kann, ist allerdings laut Branchenkreisen fraglich. Denn schon vorher hatte es gelegentlich Klagen über Qualitätsmängel, unzureichenden Service und zu kurze Akkulaufzeiten gegeben. Wie sich die Insolvenz nun auf den Service der bereits verkauften Produkte auswirkt, ist offen. Laut einer Unternehmensmeldung vom März 2023 wurden inzwischen über 400 000 Airbag-Helme in zuletzt 16 Länder Europas verkauft.
Fakt ist: Die wenigsten Kunden können sich selbst bei einem Test von der Funktionsfähigkeit der Helme überzeugen. Sie müssen also auf die Technik vertrauen. Diese vergleicht nach der Aktivierung des Systems 200-mal pro Sekunde über mehrere Sensoren die Bewegungen des Radfahrers mit einem vorher programmierten Bewegungsmuster. Wird ein Sturz erkannt, entfaltet sich der Airbag laut Hersteller innerhalb von 0,1 s. Danach muss er aber aus Sicherheitsgründen wie ein herkömmlicher Helm ersetzt werden. Als Nutzungsdauer werden in der Bedienungsanleitung etwa fünf Jahre angegeben.
Minerva in den Startlöchern
Die Minerva-AS GmbH aus Erding macht zunehmend auf sich aufmerksam. Das Unternehmen entwickelt nach eigener Aussage bereits seit 2017 Airbag-Systeme. Im Fokus waren dabei aber Erfahrungen aus der Lawinenentwicklung. Ein Team aus Ingenieuren und Sportenthusiasten entwickelte zunächst Schutzausrüstungen, die vor Verletzungen und Verschüttungen bei Lawinenabgängen schützen.
Das Prinzip ist vergleichbar mit anderen Airbag-Systemen. Ein Beschleunigungssensor aktiviert eine Druckpatrone, die in Bruchteilen von Sekunden einen Luftsack aufbläst. Statt eines Schals wie bei Hövding wird dieser aber in einem Rucksack verstaut. Als „Airding“ wird das Produkt in Eigenregie mit verschiedenen Airbag-Designs von MASE (Minerva Airbag Systems Erding) vertrieben. Es gibt beispielsweise Varianten mit einem zusätzlichen Schulterschutz. Fernsehmoderator Kai Pflaume gehört zu den Anwendern.
Anders als Hövding hat Minerva die Druckkartusche so konzipiert, dass sie nach eigenen Angaben von den Nutzern selbst ausgetauscht werden kann. Außerdem werde der verbrauchte Inflator recycelt und wieder aufbereitet. Das ist auch für einen weiteren Anwendungsbereich wichtig. Denn das Unternehmen liefert auch Airbag-Systeme für den Arbeitsschutz. Dazu wird die Schutzfunktion beispielsweise in Warnwesten integriert, die beispielsweise beim Sturz von einer Leiter oder einem Baugerüst schützen.
Andere Alternative zum Hövding
Eine andere Alternative zum Hövding hat das Berliner Innovationsbüro nFrontier entwickelt: den Helm Pylo. Seine Besonderheit: Er beherbergt einen Airbag für das Gesicht. „Bisherige Helme bewahren bestenfalls vor Schädel-Hirn-Traumata“, erläutert Co-CEO Daniel Büning. „Verletzungen im Gesicht kommen aber viel häufiger vor. Genau da setzen wir mit unserer Innovation an.“
Die Funktionsweise: Integrierte Beschleunigungssensoren überwachen laufend die Bewegungen des Radlers. Werden kritische Werte überschritten – etwa bei einem Sturz oder einer Kollision – füllen sich zwei Luftkissen innerhalb einer Zehntelsekunde und schießen vor das Gesicht.
Das Gewicht vom Pylo soll kaum größer sein als das von klassischen Fahrradhelmen. Statt Hartschaumstoff sorgt nämlich eine sehr leichte, additiv gefertigte Wabenstruktur für die Stoßabsorption. „Der 3D-Druck ermöglicht uns außerdem, das Gitter genau dort zu verstärken, wo im Falle eines Unfalls in der Regel die meiste Energie einwirkt. Wir sprechen hier von digitaler Materialität“, so Büning.
Einziger Wermutstropfen: Aktuell gibt es vom Pylo lediglich Prototypen. „Wir stehen aber in Verhandlungen mit verschiedenen Sportausrüstern“, erklärt Co-CEO Stephan Beyer. Zwischenzeitlich angedachte Lidar-Sensoren sind inzwischen nicht mehr Teil des Konzepts. Bezüglich des Verkaufspreises mag sich der Wahlberliner nicht festlegen. Dreistellig werde er aber in jedem Fall.