Daimler und Linde eröffnen erste Flüssigwasserstoff-Tankstelle für Brennstoffzellen-Lkw
In Wörth am Rhein wurde die erste öffentliche Flüssigwasserstoff-Tankstelle eröffnet. Ab Mitte 2024 wird sie auch von ausgewählten Logistikkunden genutzt.
Ingenieure von Daimler Trucks und Linde Engineering haben in den vergangenen Jahren an der sLH2-Technologie gearbeitet, einem neuen Verfahren für den Umgang mit flüssigem Wasserstoff. Geht es nach den Erfindern, soll die neue Technologie die führende Wasserstoffbetankungstechnologie für schwere Lkw werden. In Wörth am Rhein wurde jetzt die weltweit erste sLH2-Tankstelle eröffnet, die in Sachen Energieeffizienz und Leistung Maßstäbe setzen soll. Ab Mitte 2024 sollen fünf Unternehmen die Möglichkeit haben, erste Erfahrungen im CO2-freien Fernverkehr mit Brennstoffzellenfahrzeugen zu sammeln.
Vorteile von flüssigem gegenüber gasförmigem Wasserstoff
Der neue Ansatz mit sLH2 (flüssigem Wasserstoff) bietet im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff signifikante Vorteile, wie die Forschenden herausgefunden haben: Er ermöglicht eine höhere Speicherdichte und dadurch eine größere Reichweite, ermöglicht schnelleres Betanken, reduziert die Kosten und steigert die Energieeffizienz.
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Ein 40-t-Schwerlast-Lkw lässt sich mit 80 kg flüssigem Wasserstoff in nur 10 min bis 15 min betanken, was eine Reichweite von über 1000 km ermöglicht. Zudem reduziert die sLH2-Technologie die Investitionen für den Aufbau einer Wasserstofftankstelle um das Zwei- bis Dreifache und verringert die Betriebskosten um das Fünf- bis Sechsfache. Aus diesen Gründen bevorzugt Daimler Truck bei der Entwicklung von wasserstoffbasierten Antriebssystemen flüssigen Wasserstoff.
Vorteile im Überblick:
· Deutlich höhere Energiedichte im Verhältnis zum Volumen
· Kostengünstigere Tanks für Brennstoffzellen-Lkw
· Tanks sind leichter aufgrund des geringeren Drucks
· Höhere Nutzlast dank leichterer Tanks
· Erhöhte Reichweite der Lkw durch größere Menge transportierbaren Wasserstoffs
Was ist neu an sLH2?
Laut Pressemitteilung von Daimler Truck wird für die sLH2-Technologie im Vergleich zu herkömmlichem flüssigen Wasserstoff (LH2) eine neue Pumpe verwendet, die den Druck des flüssigen Wasserstoffs geringfügig erhöht. Dadurch entsteht Subcooled Liquid Hydrogen (sLH2). Der Betankungsprozess wird dadurch deutlich effizienter und stabiler, außerdem werden die Energieverluste während des Betankens erheblich reduziert.
Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist, dass keine Datenübertragung zwischen Tankstelle und Fahrzeug erforderlich ist, was den Vorgang vereinfacht und die Komplexität verringert. Darüber hinaus ermöglicht die neue Technologie eine erheblich gesteigerte Betankungskapazität von bis zu 400 kg flüssigen Wasserstoffs pro Stunde. Verglichen mit traditionellen Methoden, sei es mit flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff, ist die Betankung mit sLH2 nicht nur einfacher, sondern auch leistungsfähiger.
Andreas Gorbach, Mitglied des Vorstands der Daimler Truck AG, verantwortlich für Truck Technology: „Für die Dekarbonisierung des Transports brauchen wir drei Faktoren: die richtigen Batterie- und Wasserstoff-Lkw, die notwendige Infrastruktur sowie Kostenparität zwischen emissionsfreien und Dieselfahrzeugen. Bei den Fahrzeugen ist die Transformation in vollem Gange. Bei der Wasserstoffinfrastruktur erreichen wir heute einen wichtigen Meilenstein: Dank des sLH2-Standards wird das Tanken mit Wasserstoff so einfach wie mit Diesel – in etwa 10 min bis 15 min ist der Tank für über 1000 km Reichweite voll. Wir rufen jetzt andere Lkw-Hersteller und Infrastrukturunternehmen dazu auf, unserem Ansatz zu folgen und diese Technologie gemeinsam zum Industriestandard zu machen!“
Neue öffentliche sLH2-Tankstelle in Wörth am Rhein
Wie Daimler und Linde in ihrer Pressemitteilung erläutern, setzt die sLH2-Tankstelle in Wörth am Rhein Maßstäbe in puncto Energieeffizienz und Leistung. Die Tankstelle zeichnet sich demnach durch einen Energieverbrauch von nur 0,05 kWh/kg aus und benötigt somit im Vergleich zur herkömmlichen Betankung mit gasförmigem Wasserstoff etwa 30-mal weniger Energie.
Trotz ihres geringen Flächenbedarfs von nur 50 m2, Zapfsäule ausgenommen, bietet die Tankstelle flexible Betankungsmöglichkeiten. Sie kann so konfiguriert werden, dass mehrere Lkw gleichzeitig oder Fahrzeuge nacheinander schnell betankt werden können. Der Tank für flüssigen Wasserstoff hat ein Volumen von 4 t, was eine durchgängige Betankung für circa zehn Stunden ermöglicht. Darüber hinaus lässt sich die Tageskapazität der Tankstelle durch Nachfüllen auf über 8 t steigern.
sLH2 soll zum Branchenstandard werden
Daimler Truck und Linde Engineering wollen ihre gemeinsam entwickelte Technologie zur Betankung mit flüssigem Wasserstoff (sLH2) zur bevorzugten Lösung für schwere Nutzfahrzeuge machen. Um dieses Ziel zu erreichen, legen sie großen Wert auf Transparenz und Offenheit hinsichtlich der technologischen Schnittstellen.
Die sLH2-Technologie wurde in einem offenen ISO-Prozess standardisiert und steht allen Interessenten frei zur Verfügung. Daimler Truck und Linde Engineering laden nun weitere Fahrzeughersteller, Infrastrukturbetreiber und Branchenverbände ein, diesen neuen Standard für flüssigen Wasserstoff zu übernehmen, um gemeinsam einen weltweiten Massenmarkt für diese Technologie zu schaffen.
Jürgen Nowicki, Executive Vice President Linde plc und CEO von Linde Engineering: „sLH2 steigert die Effizienz von Wasserstoffbetankungsanlagen erheblich. Die erforderlichen Investitionen werden um den Faktor zwei bis drei reduziert und die Betriebskosten um das Fünf- bis Sechsfache gesenkt. Dies und weitere Vorteile machen sLH2 zu einer praktischen, CO2-neutralen Alternative zur Dieselbetankung im Schwerlastverkehr. Die Technologie, die wir zusammen mit Daimler Truck entwickelt haben, ebnet den Weg für eine flächendeckende Betankungsinfrastruktur, auf die heutige Logistikketten angewiesen sind.“
Ähnlich zu betanken wie Diesel-Lkw
Der sLH2-Prozess zur Betankung mit flüssigem Wasserstoff bietet laut Daimler Truck eine ähnliche Praktikabilität wie die heutige Dieselbetankung. Durch die hochwertige Isolierung des Betankungsschlauchs und eine effiziente Schnittstellengestaltung zwischen Zapfpistole und Tank ist dieser Vorgang besonders sicher und minimiert das Risiko eines Wasserstoffaustritts. Die Sicherheitsvorkehrungen bei der sLH2-Betankung sind daher mit denen der Dieselbetankung vergleichbar.
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Bei diesem Verfahren können zwei 40-kg-Tanks, die beidseitig am Lkw-Chassis angebracht sind, mit flüssigem Wasserstoff bei –253 °C gefüllt werden, ohne dass spezielle Sicherheitsausrüstung nötig ist. Die sLH2-Technologie ermöglicht eine Befüllung mit einer hohen Rate von über 400 kg Wasserstoff pro Stunde, wodurch das Tanken von 80 kg flüssigem Wasserstoff innerhalb von nur 10 min bis 15 min möglich ist.
Ein weiterer Vorteil ist die Vermeidung des Boil-off-Effekts, bei dem ein Teil des Wasserstoffs bei herkömmlichen Betankungsmethoden gasförmig wird und aufwendig abgeleitet werden muss. Das sLH2-Verfahren hält den Wasserstoff flüssig, was den Betankungsprozess mit nur einer Zapfpistole vereinfacht und die Investitionskosten senkt.
Ab Mitte 2024 werden fünf Unternehmen mit Brennstoffzellenfahrzeugen erste Erfahrungen im CO2-freien Fernverkehr sammeln. Die Sattelzugmaschinen werden auf ausgewählten Strecken in Deutschland eingesetzt und können an der neuen Flüssigwasserstoff-Tankstelle in Wörth am Rhein sowie an einer weiteren Tankstelle im Raum Duisburg betankt werden.