Dem Seil ins Innerste geschaut
Vier Trag- und zwei Zugseile wurden für die neue Zugspitzbahn hergestellt. Während des Betriebs werden Seilbahnseile regelmäßig genau untersucht.
Was macht man mit 5,56 Mio. m Draht? Das entspricht immerhin fast der Entfernung New York-Paris. Im schweizerischen Romanshorn hingegen wurden diese Drahtmengen zu Seilen verarbeitet, die künftig die Gondeln der Rekordseilbahn an der Zugspitze tragen und bewegen sollen.
Die einzelnen Stahldrähte haben Durchmesser zwischen 1,85 mm und 4,22 mm, die vier fertigen Tragseile messen 72 mm im Durchmesser und sind jeweils 4,9 km lang. Die zwei Zugseile haben 41 mm bzw. 47 mm Durchmesser und sind je 4,61 km lang. Insgesamt 210 einzelne Drähte sind nach Angaben des Herstellers Fatzer in einem Tragseil verarbeitet. Hinzu kommen Lichtwellenleiter, die im Kern mitverseilt wurden und für die Kommunikation zwischen Tal und Begstation genutzt werden sollen.
Einmal eingebaut, beginnt das harte Alltagsgeschäft für die Seile und damit auch eine gesetzlich festgelegte Prüfroutine. Ralf Eisinger, Gruppenleiter für zerstörungsfreie Seilprüfung am Institut für Fördertechnik und Logistik der Uni Stuttgart, erläutert: „Mit der bei uns entwickelten Methode der magnetinduktiven Seilprüfung können wir praktisch in das Seil hineinschauen und auch innere Drahtbrüche erkennen.“ Solch ein Drahtbruch bedeutet nicht gleich das Aus für das ganze Seil, vielmehr gibt es Richtwerte, wie viel Prozent Bruchlast man auf einer definierten Seillänge verlieren darf, bevor das Seil auszutauschen ist. Übrigens: Die theoretische Bruchlast der Zugspitz-Tragseile beträgt 6772 kN, das entspricht rund 690 t.
Eine induktive Prüfung hat laut Eisinger mindestens alle vier Jahre (nach alter Norm) oder alle drei Jahre (EU-Norm) stattzufinden, wobei der Rhythmus je nach Historie des Seils und vorherigen Prüfergebnissen auch verkürzt werden kann.
In deutlich kürzeren Abständen finden visuelle Seilprüfungen statt. Entweder durch das Bahnpersonal, das das Seil auf ganzer Länge in langsamer Fahrt an sich vorbeiziehen lässt. Genauer und nicht so ermüdend sind Inspektionen durch Hilfsmittel wie ein in Stuttgart entwickeltes System zur automatisierten optischen Inspektion. Dabei läuft das Seil während des Betriebs durch ein System von vier Kameras und wird von LEDs beleuchtet. Die Aufzeichnung dieser Prüfung kann dann in Ruhe von Fachleuten inspiziert werden. Das System, das von der Firma Winspect vermarktet wird, befindet sich mittlerweile bei zahlreichen Bergbahnen im Einsatz.
Ein Tragseil ist ein recht komplexes Gebilde. Die äußere Lage bilden die sogenannten Z-Drähte. Ihr Profil sorgt laut Eisinger dafür, dass bei Brüchen einzelner Drähte diese in der Form gehalten werden und nicht herausstehen. Außerdem bilden sie eine glatte, wasserdichte Oberfläche. Diese Seile bewegen sich im laufenden Betrieb nicht, aber es gibt laut Eisinger kritische Stellen, z. B. dort, wo das Tragseil auf den Stützen aufliegt. Damit es hier nicht zu Beschädigungen kommt, werden Tragseile in regelmäßigen Abständen um ein paar Meter verschoben. Ist eine entsprechend vorhandene Längenreserve „aufgebraucht“, muss das Seil, auch wenn es sonst noch intakt ist, abgelegt und ersetzt werden.
Diese Tragseile können ein recht langes Leben haben. So fährt z. B. die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall noch mit den Tragseilen aus dem Erbauungsjahr 1928.
Die sich ständig bewegenden Zugseile und auch die umlaufenden Endlosseile von Kabinenbahnen erreichen diese hohe Lebensdauer nicht annähernd. Bei letzteren ist der Spleiß dort, wo die Seilenden zum Endlosstrang verbunden werden, eine kritische Stelle, die entsprechend genau kontrolliert wird.