Der Spion in deinem E-Mobil
Connected-Car-Funktionen reichen bei E-Autos bis zur Batterieladung. Wie unterschiedlich Hersteller mit der Vernetzung von Fahrzeugen umgehen, zeigt ein Vergleich von sieben beliebten Elektroautos.
Ladung unterbinden, wenn der Mietvertrag für die Batterie abgelaufen ist.
Automobilhersteller treiben die Vernetzung vor allem in ihren Modellen mit Elektroantrieb voran. Da umfassen die Onlinefunktionen längst nicht mehr nur die Navigation, sondern auch Assistenzsysteme und das Batteriemanagement. Und nicht nur der Fahrer, sondern auch der Hersteller hat diverse Zugriffsmöglichkeiten.
Während ein Onlinezugriff auf den Motor bei Verbrennern noch ausgeschlossen ist, umfasst die Vernetzung bei Elektroautos bei einigen Modellen bereits die Batterieladung. Für Irritationen sorgt beispielsweise Renault mit seinem Batteriemietvertrag: Eine Klausel erlaubt dem Hersteller „die Wiederauflademöglichkeit zu unterbinden“, wenn der Mietvertrag zeitlich abgelaufen ist. Wird der Vertrag vorzeitig gekündigt, muss Renault immerhin die Deaktivierung zwei Wochen vorher ankündigen.
BMWi
Daten des Steuergeräts: Temporäre Speicherung von unkritischen und nicht für den Fahrzeugservice relevanten Steuergerätedaten. Service- und reparaturrelevante Daten werden mit Diagnosegeräten ausgelesen, relevante technische Daten werden an BMW gesendet. Unter Umständen Weiterleitung der Daten an Geschäftspartner und Vertragshändler.
Werkstattservice: Der „Teleservice Battery Guard“ überträgt Informationen über den Batterieladezustand bei Unterschreiten eines definierten Werts an den zuständigen Servicepartner.
Batterie: Aktueller Ladezustand oder aktuelle Reichweite, kosteneffizientes Aufladen mit Digital-Charging-Service: jeweils mobil bedienbar.
Navigation: Reichweitenassistent, der Ladezustand der Batterie, Fahrstil, Topografie und aktuelle Verkehrssituation auswertet.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Basisdienst „Teleservices“ überträgt technische Daten über Verschleißteile, Fahrzeugzustandsinformationen, Daten zur Identifizierung und Lokalisierung des Fahrzeugs regelmäßig an BMW und ggf. an Servicepartner. Der Dienst „Online Fahrtenbuch“ speichert und dokumentiert durchgeführte Fahrten.
Ortung: Zur Nutzung des Dienstes „Intelligenter Notruf“ sind die Identifizierung und Lokalisierung des Fahrzeugs sowie die Übermittlung der zur Hilfeleistung erforderlichen Informationen an die zuständige Notrufleitzentrale erforderlich. Informationen zum Standort des Fahrzeugs sowie zu allen Ladevorgängen werden an BMW gesendet.
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Kia Soul
Daten des Steuergeräts: Temporäre Speicherung von funktionsbezogenen Daten des Fahrzeugs. Erhalt einzelner Daten aus bestimmten Funktionen bis zum Austausch des Steuergeräts.
Werkstattservice: Keine Datenspeicherung, keine Online-Auslesemöglichkeit
Batterie: Kein Onlinezugriff
Navigation: Anzeige des kürzesten Wegs zur nächstgelegenen Ladestation.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Kia Connected Services: Fahrer wird informiert, nicht mehr benötigte Daten werden gelöscht. Keine SIM-Karte in Kia-Fahrzeugen, Nutzung von Onlinediensten über die mobilen Daten des verbundenen Smartphones.
Ortung: In Kia-Modellen nicht verfügbar
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Mercedes B-Klasse
Daten des Steuergeräts: Fahrzeugfunktionsbezogene Daten werden temporär gespeichert. Sie werden entweder während des Fahrzeugbetriebs überschrieben oder durch eine Werkstatt im Rahmen der Störungsbeseitigung gelöscht. Bei einzelnen Funktionen (z. B. Tachometer) bleiben Daten in zusammengefasster Form bis zum Tausch des Steuergeräts erhalten.
Werkstattservice: Die im Fahrzeug gespeicherten Daten können von Mercedes-Vertragswerkstätten online ausgelesen und für Angebote und Dienste genutzt werden.
Batterie: Dienst „Fernabfrage Fahrzeugstatus“, mit dem der Ladezustand der Batterie eingesehen werden kann.
Navigation: Dienst „Fernabfrage Fahrzeugstatus“: Die elektrische Reichweite des Fahrzeugs sowie Ladesäulen und die Anzahl freier Ladepunkte können über den Dienst „e-Navigator“ im Infotainmentsystem angezeigt werden.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Fest eingebautes Kommunikationsmodul mit SIM-Karte; deaktivierbar. Nutzungsdaten können gezielt gelöscht werden. Dienste können individuell deaktiviert werden.
Ortung: Bei mit einem automatischen Notrufsystem ausgestatteten Fahrzeugen wird im Fall eines Unfalls ein automatischer Notruf abgesetzt, zurzeit noch deaktivierbar.
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Nissan Leaf
Daten des Steuergeräts: Steuergerätedaten werden nicht mit Dritten über Connected-Services geteilt; Echzeit-Verfügbarkeit des EV-Ladegeräts oder des Flottenmanagement-Systems wird von Dritten angeboten, deren Datenverarbeitung EU-Recht entspricht.
Werkstattservice: Keine Angaben
Batterie: Die eingebaute Batterie wird vermietet bzw. zum Kauf angeboten. Das Nissan-Datenzentrum wird über die „Fernsteuerung“ in der Telematiksteuereinheit über die Funktions- und Leistungsfähigkeit sowie über die Kilometerleistung der Batterie per Internet informiert. Der registrierte Kunde kann die Daten online abrufen.
Navigation: Über das Navi-System kann die geschätzte Reichweite abgefragt, die Standorte von Ladestationen werden angezeigt.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Telematikdaten werden entsprechend den AGB verarbeitet, die der Kunde vor Aktivierung der Connected-Services erhält.
Ortung: Keine Angaben
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Renault Zoe
Daten des Steuergeräts: Keine Angaben
Werkstattservice: Serviceprogramm „My Renault“ benachrichtigt Fahrzeughalter „rechtzeitig“ wegen Wartungsterminen; Pannendienst Z.E. Assistance: Abschleppservice bei Energieausfall zu einem gewünschten Ladepunkt im Umkreis von bis zu 80 km.
Batterie: Die eingebaute Batterie wird vermietet bzw. inzwischen auch zum Kauf angeboten. Der Hersteller wird informiert über die Funktions- und Leistungsfähigkeit sowie über die Kilometerleistung der Batterie. Diese Daten werden nur zum Zweck der Sendung an den Server und des Fernzugriffs des Kunden gespeichert und durch die Ermittlung neuer Daten überschrieben. Die Batterieladung kann ferngesteuert werden, der Hersteller kann die Batterie fern-deaktivieren.
Navigation: Über das „MY Z.E. Inter@ctive“-Angebot können Kunden die drei nächsten verfügbaren Ladestationen in der Umgebung suchen. Tomtom-Navigation.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: R-Link ist ein Online-Multimediasystem inkl. Tomtom-Navigation und AndroidAuto, über das Smartphone-Apps gesteuert werden. Erfordert „My Renault“-Benutzerkonto. Verarbeitung der Daten in einer deutschlandweiten Kundendatenbank entsprechend AGB und Datenschutzbestimmungen.
Ortung: Eine Erfassung der Geolokalisationsdaten aus der Batterie erfolgt zu keinem Zeitpunkt.
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Tesla Model S
Daten des Steuergeräts: Sicherheitstechnologien einschließlich Aufprallvermeidungsfunktion und Notbremsautomatik werden durch Software-Updates über Mobilfunk implementiert.
Werkstattservice: Keine Angaben
Batterie: Anzeige des Energieverbrauchs und Reichweitenschätzung auf Touchscreen im Auto sowie auf Smartphone-App.
Navigation: Google-Map-Karten mit Verkehrsinfo in Echtzeit.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Regelmäßige Software-Updates über Mobilfunk.
Ortung: Keine Angaben
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
VW e-Golf
Daten des Steuergeräts: Technische Informationen über Fahrzeugzustand und auftretende Fehler werden temporär gespeichert. Daten können nur in der Werkstatt mithilfe eines Diagnose-Testers ausgelesen und gelöscht werden.
Werkstattservice: Die Daten können nur in der Werkstatt mithilfe eines Diagnose-Testers ausgelesen werden.
Batterie: Mobile Onlinedienste über Benutzerkonto auf Car-Net-Portal: Der Dienst „e-Manager“ startet und hält den Ladevorgang an. Klimatisierung lässt sich remote einstellen.
Navigation: Navigationssystem zeigt nächste Ladestation.
Kommunikationsdaten, Teledienste, Unterhaltungsdaten: Fest verbaute SIM-Karte für UMTS-Verbindungen und WLAN-Hotspot. Der Nutzer räumt VW ein, technische Daten inkl. Geopositionsdaten, Daten zum Fahrzeugzustand sowie anonymisierte Daten zu verwenden.
Ortung: Kein Angebot
Quelle: Automobilhersteller/CSH, Stand: 31. 5. 17
Möglich ist dies über die Fernsteuerungsfunktion, die der Kunde selbst üblicherweise nutzt, um sich online über die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Batterie zu informieren. Dabei erfasst Renault keine Positionsdaten. Hat der Kunde jedoch den Pannendienst gebucht, kann er sich bei Energieausfall auf einen Abschleppservice freuen, der das Fahrzeug bis zu 80 km zu einem gewünschten Ladepunkt bringt.
Inzwischen gibt es die Batterie des Renault Zoe auch per Kaufvertrag. Miete und Kauf sind auch beim Nissan Leaf möglich, der inzwischen zum gleichen Konzern gehört. Doch anders als bei Renault ist hier bislang keine Möglichkeit zur Deaktivierung aus der Ferne bekannt.
Andere Hersteller wie BMW und Mercedes bieten ihren Kunden ebenfalls einen Onlinezugriff auf die Status-Daten der Batterie an: Kunden können per Smartphone-App das Nachladen der Batterie anstoßen und daneben auch die Klimaanlage steuern. Überdies werden bei BMW und Mercedes die Daten online an Vertragswerkstätten übertragen, die bei kritischen Werten entsprechende Wartungs- oder Reparaturvorschläge unterbreiten. Diese Funktion gehört zu den Connected-Diensten der Hersteller, die auch für Modelle mit Verbrennungsmotoren zur Verfügung stehen.
Erst im nächsten Jahr wird der Notrufdienst europaweit für Neuwagen zur Pflicht. Deshalb darf BMW noch darauf hinweisen, dass mit der Deaktivierung des „TeleServices“ und des „Intelligenten Notrufs“ auch die im Fahrzeug verbaute SIM-Karte deaktiviert wird, womit der Notruf nicht mehr zur Verfügung steht. Bei einem Fahrzeugverkauf muss der Kunde inzwischen auch an die Software denken: Bei BMW verpflichtet er sich dazu, alle persönlichen Daten selbst zu löschen und die Verknüpfung zwischen dem Fahrzeug und seinem Nutzerkonto über „Mein BMW ConnectedDrive“ zu beenden. Sechs Wochen vor dem Verkauf kann er die vernetzten Dienste kündigen, die nur für eine begrenzte Laufzeit zur Verfügung stehen. Kündigt der Kunde einen Dienst vor Ende der Laufzeit, wird ihm der dafür entrichtete Preis nicht anteilig erstattet.
Die kritischen Reichweiten werden länger. Der Kia Soul bringt es auf 250 km, der Renault Zoe kommt auf 400 km, Tesla schafft über 500 km. Dennoch ist die Frage, wo sich die nächste Ladestation befindet, noch immer entscheidend. Denn das Ladestationennetz befindet sich noch immer im Aufbau. Typisch für E-Autos sind deshalb einschlägige Navigationsdienste, die von mehreren Anbietern wie Kia und Nissan beherrscht werden. So wird der Ladezustand der Batterie ausgewertet, um den kürzesten Weg zur nächsten Ladestation anzuzeigen. Kia berücksichtigt dafür Informationen zu Geschwindigkeit, Systemleistung, Fahrmodus und Restreichweite. Nissan und Kia kommen hierfür ohne Onlineverbindung aus. BMW errechnet die Reichweite abhängig von Fahrstil, Topografie und der Verkehrssituation, wobei das System auf Daten in der Cloud zurückgreift.
Auffallend ist, dass BMW und Mercedes am ausführlichsten über den Datenschutz informieren. Seitenlang werden einzelne Dienste und die damit verbundenen Datenauswertungen beschrieben. BMW weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Datentransfers für die Connected-Dienste mit der üblichen Transportverschlüsselung SSL verschlüsselt werden.
Wie dies bei anderen Hersteller gehandhabt wird, ist nicht immer zu erfahren. Beispielsweise findet sich bei Renault zu den „vernetzten Services“ etwas in den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB), doch diese sind sehr allgemein formuliert. Datenschutz bezieht Renault nur auf die „Einwilligung zur Kundenbetreuung und Marktforschung“, über den Umgang mit Fahrzeugdaten wird der Kunde nicht aufgeklärt.
Klar formulierte Datenschutzbestimmungen gibt es bei vielen Herstellern nicht, was sich spätestens im Frühjahr 2018 ändern dürfte, wenn die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt. Immerhin konnten die Presseabteilungen von Renault wie auch von Nissan nach einigen Wochen eine knappe Auskunft zur Datenverarbeitung erteilen. US-Pionier Tesla hingegen informiert bisher auf seiner Website mit keinem Wort über die umfangreiche Datenverarbeitung im Fahrzeug. Bis heute gab es trotz wiederholter Nachfrage unsererseits keine Antworten dazu.
Dass die Fahrzeughersteller ein ökonomisches Interesse daran haben, möglichst uneingeschränkt über möglichst viele Daten verfügen zu können, zeigte sich bei der Volkswagen AG. In den AGB ließ sich der Konzern von seinen Kunden das Recht einräumen, „sonstige Daten, insbesondere technische Daten“ wie Geopositionsdaten oder Daten zur Feststellung des Fahrzeugzustands, „nicht ausschließlich“ sowie „zeitlich und inhaltlich unbeschränkt“ zu nutzen.
Die AGB befinden sich derzeit in Überarbeitung, da diese Formulierung einer vor über einem Jahr verabschiedeten „Gemeinsamen Erklärung“ der deutschen Datenschutz-Aufsicht und des Verbands der Automobilindustrie widerspricht. Danach unterliegen alle Daten im Auto dem Datenschutzrecht, sobald sie personenbeziehbar sind. Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel sorgte mit Volkswagen dafür, dass künftig die Verarbeitung dieser Daten nur mit Einwilligung der Betroffenen erfolgen darf – es sei denn, sie werden anonymisiert.