Die Eurobike zeigt die Fahrradtrends der Zukunft wieder live
Fahrräder und E-Bikes sind ein Wachstumsmarkt. Das belegt auch die Vielfalt der Aussteller auf der Messe Eurobike in diesen Tagen in Friedrichshafen. Die Fahrradbranche legt damit in Sachen Elektromobilität mit E-Bikes vor. Dabei gibt es zunehmend inhaltliche Überschneidungen zur Automobilmesse IAA, die ab dem 7. September erstmals in München startet. Dafür soll der bisherige IAA-Standort Frankfurt ab 2022 die neue Heimat für die Fahrradbranche werden.
Mit dem zunehmenden Absatz an Elektrofahrrädern wird die Fahrradbranche inzwischen auch für Unternehmen interessant, die man sonst nicht unbedingt mit der Branche in Verbindung gebracht hätte. Das zeigt sich in diesen Tagen auf der Messe Eurobike in Friedrichshafen einmal mehr. Erstmals dabei ist dort noch bis Samstag den 4. September beispielsweise der Automobilzulieferer Valeo. Das Unternehmen stellt dort seinen 48-V-Elektromotor mit adaptivem Siebengang-Automatikgetriebe in einer einzigen Einheit vor.
Die Franzosen konkurrieren damit künftig also auch im E-Bike-Geschäft mit anderen Automobilzulieferern wie Bosch und Brose. Ähnlich wie zuvor Continental, setzt das Unternehmen dabei auf ein 48-V-Bordnetz, wie es auch in der Automobilindustrie genutzt wird. Üblich sind in der Fahrradbranche sonst 36-V-Lösungen. Die 48-V-Systeme arbeiten mit einer geringeren Stromstärke,weshalb die Motoren beim Bergauffahren nicht so schnell überhitzen. Außerdem schiebt der Motor das Fahrzeug stärker an. Valeo möchte es besser machen als die Hannoveraner. Continental hatte die Weiterentwicklung 2020 eingestellt.
Weniger auffällig als das Mittelmotorantriebspaket des Automobilzulieferers ist dagegen die Antriebseinheit des Schweizer Hightech-Motorspezialisten Maxon. Erstmals werden die im Rahmen integrierten BikeDriveAir-Systeme nun in E-Rennrädern und E-Mountainbikes angeboten. Ansonsten kommen Antriebe des Herstellers beispielsweise in Hightech-Anwendungen wie den Rovern der Nasa auf dem Mars oder in der Chirurgie zum Einsatz. Nun hat der italienische Premiumrennradhersteller Cipollini und die Schweizer Bike Manufaktur Transalpes ihre neuen E-Bike Leichtgewichte mit dem kompakten Fahrradantrieb ausgestattet. Das E-Rennrad Cipollini Flusso wiegt damit nach Herstellerangaben nur 10,7 kg. Und auch das E12 von Transalpes gehört mit einem Gewicht von weniger als 16 kg zu den Leichtgewichten im elektrifizierten Trail- und EnduroSegment. „Integration ist das Schlüsselwort“, sagt Michele Tittonel, F&E-Koordinator bei Cipollini. „Die zweite Generation von E-Rennrädern wird von Elektromotoren angetrieben, die vollständig in das Fahrraddesign integriert und mit High-End-Komponenten ergänzt werden.“
Innovationen rund ums Fahrrad
Dass sich in der Branche aber nicht alles um Elektrofahrräder und E-Bikes dreht, wird bei den Eurobike-Awards 2021 deutlich. 36 von 246 eingereichten Produkten wurden dabei von der Jury ausgezeichnet, sieben davon sogar mit Gold Awards für herausragende Innovationen. Laut den Messemachern ist darin der Wandel hin zur Fahrradmobilität abzulesen. Von der in die Nabe integrierten Zweigangschaltung für Kettenschaltungsräder über den einfach überziehbaren Regenoverall bis hin zur plastikfreien Trinkflasche seien die rund 250 eingesandten Produkte und Konzepte in ihren unterschiedlichen Anwendungen allesamt Problemlöser.
Zu den Gold-Award-Gewinnern 2021 gehört beispielsweise das E-Cargobike Cargoline FS 800 des deutschen Traditionsunternehmens Kettler Alu-Rad. Spätestens seit dem Vorschlag der Partei Die Grünen, Transportfahrräder finanziell zu fördern, wird solchen Konzepten großes öffentliches Interesse zuteil. Das Cargoline FS 800 ist als zweirädriger Schwertransporter für vielfältige Einsatzbereiche ausgelegt. Die Eurobike-Award-Jury lobte neben der ästhetischen Seitenlinie auch zahlreiche technische Details. Es sei beispielsweise vollgefedert, ergonomisch bis ins Kleinste einstellbar und damit familientauglich. Das einzigartige Lenkungssystem sorge für einen tiefen Schwerpunkt und ein noch besseres Handling in der Cargobike-Kategorie.
Vielfalt für Individualisten
Ebenfalls ausgezeichnet wurde ein Lenkergriff für E-Bikes, der mehr als eine ergonomische Handhaltung bietet. Das Promovec-Team um Jesper Lundqvist hat dazu ein kleines Lenkerdisplay und Tasten in den Smartgrip D500+ integriert. Das Produkt zielt auf die Fans puristischer E-Bikes ab. Der Jury fiel auf: „Dieser ergonomisch geformte Griff mit integrierten Bedientasten zeigt in einem Minidisplay die Einstellungen des E-Antriebs und Daten wie den Akkuladestand an. Beim Schalten gibt es sogar ein haptisches Feedback.“ Er könne auch über Bluetooth mit anderen Displays oder dem Handy verbunden werden.
Auch für schwangere Frauen soll das Fahrradfahren künftig komfortabler werden. Denn zur Eurobike stellt das Unternehmen Veloine eine Kombination aus Radhose und Trikot speziell für schwangere Frauen vor. Darin gibt es viel Platz für den Babybauch. Weitere Details erhöhen laut Hersteller den Komfort für die Trägerinnen. Die Jury lobte: „Die Hose und das Trikot von Veloine lösen ein Problem, das von der Industrie bisher viel zu sehr vernachlässigt wurde.“
Einen Multifunktionsregenanzug zeigt die Firma Tex-Lock auf der Eurobike. Das Unternehmen, das mit Fahrradschlössern aus hochrobusten Textilfasern bekannt wurde, hat sich mit dem Produkt Raijn nun dem Regenschutz verschrieben. Bei plötzlichem Regen soll das Kleidungsstück schnell Schutz bieten. Die Jury kommt zu dem Fazit: „Schuhe ausziehen, in die Regenhose zwängen, Schuhe an – das fällt mit dem Raijn alles weg. Der multifunktionale Ganzkörperregenanzug kann per Zipper an den Beinen ganz einfach angezogen werden.“ Außerdem lasse er sich auch als schlichte Regenjacke nutzen und in einem Hip-Bag verstauen.
Den vorderen Umwerfer bei Rennrädern ersetzen, das kann die Schaltnabe im System Powershift Hub des belgischen Herstellers Classifie. Dazu hat das Unternehmen ein Zweigangplanetengetriebe in der leichten Nabe integriert. Am Hinterrad schaltet die Powershift Hub drahtlos per Bluetooth.
Highlights für raues Gelände
Die Funktionsintegration treibt Gold-Award-Gewinner Digit Bikes auf die Spitze. Das Start-up des in der Branche bekannten Designers Tim Lane lässt selbst das bei Mountainbikes obligatorische Federelement optisch verschwinden. Das Urteil der Jury: „Digit Bikes bringt neuen Schwung beziehungsweise eine neue Federung in den Rahmenbau von Mountainbikes. Der Proof of Concept zeigt, was kinematisch mit einem integrierten Federsystem machbar ist. Durch die Integration in das Oberrohr und Unterrohr hat der Rahmen ein eigenständiges, aufgeräumtes Design.“
Zudem gibt es ein System für Fans von sportiven Rädern wie Gravelbikes, mit dem sie bei Bedarf nun auch wasserdichte Fahrradtaschen an ihren Fahrrädern transportieren können. Wasserdichtspezialist Ortlieb hat dazu den Quick-Rack Light herausgebracht. Damit können die Taschen zum Einhängen auch auf solchen Radmodellen verwendet werden. Die Eurobike-Award-Jury lobt: „Der leichte Gepäckträger ist sehr schnell und bedienerfreundlich zu montieren. Oder, wenn er nicht gebraucht wird, in wenigen Sekunden abzubauen. Dafür wird kein Werkzeug benötigt, was die Praktikabilität extrem erhöht.“
Neuer Messeplatz ab 2022
Aber auch in eigener Sache hat der Messeveranstalter der Eurobike in dieser Woche eine Neuheit verkündet. Ab 2022 soll die Fahrradmesse erstmals in Frankfurt stattfinden, gab Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen, am Mittwoch bekannt. Damit wechselt die Branchenveranstaltung von Friedrichshafen in die Rheinmetropole, die bisher mit der Messe IAA eher mit der Automobilbranche in Verbindung gebracht wurde. Denn die Internationale Automobil Ausstellung findet in diesem Jahr bekanntlich erstmals in München statt. Hier schließt sich auch der Kreis für die Automobilzulieferer, die mit ihren E-Bike-Konzepten auf beiden Veranstaltungen präsent sind.