Die Rückkehr der Luftschiffe
Luftschiffe werden schon lange nicht mehr gebaut, nun aber gibt es Interessenten und Firmen, die an die Historie der Zeppeline anknüpfen wollen. Bericht über eine vernachlässigte Technologie.
Flying Whales und Co.: Die Fliegenden Wale, über die hier berichtet wird, sollen bald käuflich sein. Und sie könnten Transportprobleme lösen, die auf der Straße kaum mehr zu bewältigen sind: Zum Beispiel, riesige Windflügel auf Baustellen in Wald und Flur zu bringen.
Wie das gehen soll, darüber wurde jüngst auf der ersten Konferenz „International Conference on Electric Airships“ in Nürnberg gesprochen. Einer der Referenten war dort Sylvain Allano, Chefentwickler beim französischen Luftschiff-Unternehmen Flying Whales. Während in Deutschland nach der Pleite des deutschen Start-ups Cargo Lifter im Jahre 2002 kaum mehr jemand einen Pfifferling auf den Lufttransport mit den fliegenden Zigarren setzte, passierte im Nachbarland genau das Gegenteil.
2012 wurde Flying Whales gegründet. Und mithilfe einer ganzen Reihe namhafter Investoren und Technik-Partner hat das Entwicklungsteam um Ex-Uni-Professor Allano ein Riesenluftschiff konstruiert, das zumindest schon durch das Internet fliegt. „60 t Nutzlast, fast ohne Umweltbelastung“ werde der Fliegende, 200 m lange Wal transportieren können, verspricht Allano. Ab etwa 2026 soll das Gefährt bis in 3000 m Höhe durch die Lüfte fliegen, angetrieben von Wasserstoff (H2) und Brennstoffzellen, oder per Elektroantrieb mit Batteriespeichern. Eine einzige Energiefüllung soll für zehn Betriebsstunden ausreichen.
Die Lösung vieler Transportprobleme
Gerade für ein auch in Deutschland bekanntes Transportproblem könnte der Flying Whale die optimale Lösung sein: um Rotorblätter für Windräder an entlegene Stellen zu bringen, zum Beispiel auf steiles Terrain oder in Wälder. Heutzutage muss eine Trasse in den Wald geschlagen werden, damit die Lkw neben den Turm fahren können. Und für den Transport auf der Straße sind jede Menge Genehmigungen erforderlich, deren Erlangung oft Monate dauert.
Mit diesen Treibstoffen werden Lufthansa & Co. in Zukunft fliegen
Dass es klappt mit der Produktion der Fliegenden Wale, ist sich die Firma allein deshalb sicher, weil – wie es heißt – bis zu 500 Mio. € Entwicklungsgeld dafür bereit steht. Kosten solle ein solches Luftgefährt dann etwa 25 Mio. €, ist zu hören. Laut Sylvain Allano gibt es schon 800 recht konkrete Anfragen. „Die Technik ist vorhanden. Offen ist vor allem noch: Wie soll betankt werden?“ Auf jeden Fall sollen die Luftschiffe nicht in Hallen, sondern draußen stationiert werden. Denn anders als der plastisch-elastisch geplante Cargo Lifter ist die Kunststoff-Hülle der Wale auf einem Skelett mit starrem Material aufgebaut, die auch Regen oder Sturm aushält.
LTA Pathfinder 1: Der US-Nachfolger des Zeppelin
Wer jetzt denkt, die Franzosen sind die Einzigen, die derzeit große Stahl-Luftschiffe entwickeln, irrt gewaltig. So hat beispielsweise LTA Research aus den USA im Mai 2023 sein 120-Meter-Luftschiff namens „Pathfinder 1“ für Tests in die Luft gelassen – zuerst in einer riesigen Halle, seit Anfang November auch im Freien. Zum Zeitpunkt der Konferenz hatten die Freiluft-Flugtests also noch nicht begonnen – inzwischen aber fliegt der „Pathfinder 1“ (s. Kasten).
„Die sind aber sehr vorsichtig mit dem Testflug“, schätzt Christoph Pflaum ein, Professor für Computational Engineering an der FAU Erlangen-Nürnberg und einer der Haupt-O
organisatoren der Konferenz. Und er erklärt damit auch, warum LTA niemanden zur Konferenz nach Nürnberg geschickt hat. Aber Pflaum ist sicher: „Die sind am Weitesten.“ Wobei das 120-Meter-Vehikel bei LTA nur der Zwischenschritt zum eigentlich geplanten 180-Meter-Fluggerät mit erwarteten 60 t Lastfähigkeit und Elektroantrieb sein soll.
Doch schon mit der Nr. 1 sollen vor allem Hilfstransporte in Katastrophengebiete ermöglicht werden, heißt es von LTA. Das Kürzel LTA steht übrigens für „Lighter Than Air“.
Tests und Flugerfahrungen sind das Wichtigste
Dass sich der Start des ersten Riesenluftschiff-Neubaus mit fester Hülle seit 1930 so lange hinzieht, begründet Bastien Lefrancois so: „Die Risiken müssen ganz genau ausgelotet werden.“ Nicht zuletzt, weil der „Tod“ der Hindenburg in Lakehurst im Jahre 1937 noch immer das Bild von Luftschiffen in der Öffentlichkeit prägt. Und das nicht nur in Deutschland.
Der Systemingenieur Lefrancois war Pilot des ersten solarbetriebenen Luftschiffs überhaupt und beschäftigt sich intensiv mit Design und Tests. Doch was getestet werde, das legen die Testteams selbst fest. „Sie müssen immer an Murphy`s Law denken“, rät der Fachmann. Doch eigentlich sei das Problem, dass es viel zu wenig echte Erfahrungen mit Luftschiffen gibt: „Es ist wichtig, mit tatsächlich existierenden viel zu fliegen, um mehr zu erfahren“ – und diese Erfahrungen müssten in die Tests der „Neuen“ einfließen.
Dass es in Deutschland aktuell keine Entwicklungen in Richtung großer Vollstahl- und Elektro-Luftschiffe zum Gütertransport gibt, bedauert Kongress-Organisator Christoph Pflaum auf Nachfrage sehr. Er verweist darauf, dass nicht nur Firmen, sondern auch „die Politik zu zögerlich“ sei. Stattdessen wird aus seiner Sicht „unheimlich viel Geld für Flugzeugforschung ausgegeben – aber da lässt sich nicht viel mehr optimieren“. Als Beispiel nennt er Propellerforschung für Elektroflieger. „Wir sollten die Zeit effizient nutzen, Luftschiffe statt Flugzeuge voranbringen“, fordert er und verweist auf Kanada: Dort werde für Transporte aus entlegenen, vereisten Bergbauregionen eindeutig auf den Transport mit Luftschiffen gesetzt. Genauso „für den Transport von Gemüse wie Tomaten aus Mexiko: Das geht schneller, billiger und schonender als per Lkw.“
Technische Raffinessen: Vom Ausgleich für die Gegenlast bis zur Hülle aus Solarzellen
Bis zu 130 km/h schnell waren schon die „alten“ Luftschiffe wie die Hindenburg – und schneller werden wohl auch die neuen Riesen nicht. Doch gerade für Transportzwecke ist das mehr als ausreichend. Für den etwa 200 Meter langen Flying Whale mit 60 t Nutzlast werden etwa 180 000 m3 nicht brennbares Helium zur Füllung benötigt.
Flugzeugbauer Dufour: Starten wie ein Helikopter, fliegen wie ein Flugzeug
Wird die Last in der Luft abgehängt, muss gleichzeitig eine Gegenlast eingefüllt werden – zum Beispiel Wasser aus Tankwagen – damit das Luftschiff nicht im Wortsinne in die Luft geht.
Der Antrieb erfolgt mit elektrisch betriebenen Rotoren. Die können entweder aus wasserstoffversorgten Brennstoffzellen oder aus Akkus ihren Strom beziehen. Im letzteren Fall kann sogar die Hülle der Luftschiffe mit Solarmodulen bekleidet werden, um die Reichweite zu erhöhen. Beide Entwicklungen – Brennstoffzellen- und Batterie-Antrieb – werden von den meisten Anbietern parallel entwickelt. Wobei die ersten dieser Riesenzigarren mit Brennstoffzellen ausgestattet sein werden. Doch mit Solarzellen in der Hülle sollen sie einst noch nachhaltiger fliegen können.
Höhenluftschiffe als Satellitenersatz
In einem Bereich der Luftschifffahrt passiert allerdings laut Pflaum auch hierzulande etwas: Höhenluftschiffe. „Die können Satelliten ersetzen, für Internet- und Mobilfunkempfang etwa in 160 km Radius sorgen“, wenn sie als stationäre Plattformen in 20 km Höhe stehen. „Das könnte eine Revolution sein!“ Denn anders als Satelliten können solche Luftschiffe zur Reparatur auf die Erde zurückkehren.
Hier seien einige Firmen aktiv, auch die Uni Erlangen forsche in diesem Bereich intensiv. Nur eben noch nicht an Großluftschiffen: „Hier könnten wir an der Uni Erlangen wirklich viel erforschen, gerade im Bereich Simulation.“ Pflaum nennt als Beispiele „Ground Handling, Routenoptimierung, Kombination verschiedener Antriebe, durch Wärmeentwicklung von Solarzellen erhöhter Auftrieb“ und vieles mehr. Außerdem ist aus seiner Sicht „ein digitaler Luftschiffzwilling wichtig“ – in anderen Technikbereichen ist diese Technologie schon Standard.
Nach den „vielen positiven Rückmeldungen“ planen Pflaum und seine Mitstreiter – Dünnschicht-Solarzellenforscher Christoph Brabec und Martin März vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB – eine Wiederholung der Elektroluftschiffkonferenz in zwei Jahren. Dann gibt es bestimmt schon einige dieser Riesen, die tatsächlich durch die Lüfte fliegen.