Der Dreimaster „Sea Cloud Spirit“ 03. Jan 2023 Von Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 8 Minuten

Ein Kreuzfahrtschiff unter Segeln: Mit dem Passat übern Atlantik

Mit an Bord eines traditionell von Hand gesegelten Kreuzfahrtschiffs den Atlantik zu queren, ist etwas Besonderes. Nun interessiert sich auch die Frachtschifffahrt für die Windkraft als Zusatzantrieb.

Beeindruckender Anblick: Die Sea Cloud Spirit überquert unter Vollzeug den Atlantik. Alle 28 Segel haben eine Gesamtfläche von 4100 m².
Foto: Wolfgang Heumer

Montagmorgen auf dem Atlantik, kurz nach 8:00 Uhr Weltzeit UTC. Knapp 350 Seemeilen südlich von Gran Canaria gibt Heiner Eilers das Kommando: „Klar zum Segelsetzen!“ Der 32-Jährige ist Kapitän der 138 m langen „Sea Cloud Spirit“. Das 2021 in Dienst gestellte Dreimast-Vollschiff gilt als jüngster und größter traditionell von Hand gesegelter Windjammer der Welt.

Nach knapp zwei Tagen unter Motor hat Eilers auf 24° nördlicher Breite und 20° westlicher Länge gefunden, was er sucht: „Da ist er, der Nordostpassat.“ Für die nächsten zwei Wochen soll die gleichmäßige Luftströmung zwischen 10° und 30° nördlicher Breite die treibende Kraft für den luxuriösen Großsegler sein, der mit ein paar Dutzend Passagieren und 81 Crewmitgliedern auf dem Weg von Las Palmas/Gran Canaria nach Philipsburg/St. Maarten ist. Quer über den Atlantik.

Bootsmann Martin Pacatang ist die Route schon mehrmals auf den anderen beiden Windjammern der Hamburger Reederei Sea Cloud Cruises gefahren. Der erfahrene philippinische Seemann hat den Passat bereits an den vom Wind verwirbelten westlichen Ecken der leichten Wolken erkannt. Sein 18-köpfiges Team – darunter zwei junge Frauen – steht an Deck bereit, als der Kapitän das Segel-Kommando gibt.

In schwindelnder Höhe: Die „Deckhands“ der Sea Cloud Spirit steigen zum Segelsetzen über die „Wanten“ in die Rahen. Die Arbeit ist heute noch so wie zur Blütezeit der Windjammer Mitte des 19. Jahrhunderts. Foto: W. Heumer

Wenn die „Deckhands“ in die Wanten steigen

Jetzt gilt es, die Rahen zu „brassen“, so heißt es in der Fachsprache, wenn die waagerechten „Stangen“ mit den daran befestigten Segeln in den richtigen Winkel zum Wind gebracht werden. Starke Winschen, eine Art Seilwinden, unterstützen die Seeleute bei der schweren Leinen­arbeit, für die früher Dutzende Matrosen anpacken mussten.

Dann steigen die „Deckhands“ in die Wanten, die „Strickleitern“ an den Masten. Sie lösen die „Zeisinge“, die die zusammengerollten Segel halten. 15 zwischen 100 m² und 190 m² große Stücke schweren Tuchs entfalten sich. Dann steigt ein Matrose an die Spitze des 57 m hohen Großmastes und löst das 16. Segel, das sogenannte Royal.

Eine Wissenschaft für sich: Die Segel auf dem Dreimast-Vollschiff werden mit Dutzenden von Leinen getrimmt. Jedes Tau hat seinen eigenen Namen und seinen eigenen Platz auf der sogenannten Nagelbank. Foto: Wolfgang Heumer

In der Dünung des Atlantiks bewegt sich der Mast im Dreisekundentakt

Atemberaubend sieht das aus, wie der Matrose nach oben klettert. Kurz vor dem Masttopp sind die aus Tauen geknüpften Tritte in den Wanten nur noch knapp zwei Fuß breit; zudem bewegt sich der Mast der Atlantikdünung folgend im 3-s-Takt zu den Längsseiten des Schiffes. Dass anschließend noch die zehn dreieckigen Stagsegel am Bug und zwischen den Masten entrollt und insgesamt 4100 m² „Tuch“ mit 28 verschiedenen Leinen pro Mast und Schiffseite „getrimmt“ werden, wirkt dagegen fast wie ein Kinderspiel.

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