Interesse an Fahrrädern wächst – aber auch der Preis steigt
Die Fahrradbranche entwickelt sich mit bisher kaum gekannter Dynamik technisch weiter. Das heißt aber auch, dass der Anschaffungspreis durch Pedelec und E-Bikes im Schnitt deutlich steigt. Das wird diese Woche auf der Eurobike deutlich.
Besser hätte der Auftakt zur Eurobike in Frankfurt am Main kaum laufen können. Seit Mittwoch scheint die Sonne über der Metropole, die in diesem Jahr erstmals Austragungsort der Branchenschau ist. Auf 140 000 m² Hallen- und Freigeländefläche stellen laut Veranstalter rund 1500 Unternehmen aus aller Welt ihre Produkte und Dienstleistungen für Fahrradfans vor. Das ist wieder deutlich mehr, als noch vor einem Jahr in Friedrichshafen, als 630 Aussteller ihre Neuheiten auf 80 000 m² präsentierten und auch mehr als 2019, wo rund 1400 Aussteller verzeichnet wurden. Viele Unternehmen sind dabei auch auf dem Freigelände präsent, wo Fahrräder, Laufräder, Lastenräder und auch diverse, elektrifizierte Mikromobile auf einer Rundstrecke getestet werden können. Um dem öffentlichen Interesse gerecht zu werden, gibt es am Wochenende zwei Publikumstage (Samstag und Sonntag).
Auf Umsatzrekord in der Fahrradbranche folgt ein Innovationsfeuerwerk
Die Umsätze der Fahrradbranche in Deutschland sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen, zwischen 2019 und 2020 um satte 61 % sowie um weitere 2 % im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr. Damit erreichte die Branche nach Angaben des Zweirad Industrie Verbands (ZIV) mit klassischen und elektrifizierten Fahrrädern (Pedelec/E-Bikes) einen Rekordumsatz von 6,56 Mrd. €. Das scheint sich auch in der Innovationsfreude der Aussteller niederzuschlagen, insbesondere bei den von Elektromotoren unterstützten Modellen.
Antriebskomponenten und Batterien fügen sich immer besser in die Rahmen ein. Integrierte Drehmomentsensorik und verbesserte Steuerungselektronik sorgen dafür, dass der Motoreingriff feiner auf die Bedürfnisse in unterschiedlichen Einsatzfällen abgestimmt werden kann, beispielsweise beim Anfahren mit einem Lastenfahrrad, aber auch beim Überschreiten der für die Motorunterstützung bei Standardpedelecs üblichen 25 km/h, wo sich der Zusatzantrieb idealerweise sanft auskoppelt.
In Mittelmotoren sind solche Drehmomentsensoren üblicherweise direkt in der Antriebseinheit integriert. Wie unterschiedlich sie in Verbindung mit Radnabenmotoren im Hinter- und Vorderrad arbeiten, macht auf dem Eurobike-Freigelände der Hersteller Autorq mit Sitz in Portugal an klassischen Fahrradrahmen erlebbar. Bei beiden Antriebsvarianten dosiert der Motor über die im Tretlager integrierte Sensorik seine Unterstützung sehr natürlich.
Trotzdem gibt es einen deutlichen Unterschied beim Fahrverhalten. Während der Frontmotor im einen Fahrrad zusammen mit dem Kettenantrieb zur Hinterachse quasi für einen angenehmen „Allradantrieb“ sorgt, führt der zusätzliche Schub vom Heckantrieb in Verbindung mit dem schlanken Fahrradrahmen in dem anderen Fahrrad zu einem unangenehmen Ruckeln an der Lenkachse. Bei etablierten E-Bike-Herstellern gibt es dafür konstruktive Lösungen. Auch Hersteller von Modellen mit Mittelmotor haben das Fahrverhalten über entsprechende Rahmenstrukturen im Griff. Bei so manchem Exoten kann das ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal sein, weshalb sich eine Probefahrt immer lohnt.
Tretgenerator kann bei Lastenrädern und Mikromobilen verschleißanfällige Ketten ersetzen
Ähnliches gilt für kettenlose Elektroantriebe, sogenannte Biohybrid-Lösungen. Hier registriert ein Generator am Tretlager die Pedelierbewegung. Damit wird einerseits Energie erzeugt, andererseits ein Impuls an den Antrieb oder auch mehrere Antriebsachsen geschickt, der das Fahrzeug in Bewegung setzt. Statt verschleißbehafteten Ketten und Ritzeln ist dann nur noch ein Kabel zwischen dem Tretlager und dem Antrieb nötig. Gerade bei professionell genutzten Lastenfahrädern pedalelektrischen Transportfahrzeugen, wo kurze Wartungsintervalle wertvolle Einsatzzeit rauben, kann das ein Vorteil sein. Prinzipiell erzeugt der Generator dabei auch Strom, die Hauptenergie für den Vortrieb kommt allerdings aus den in den Fahrzeugen integrierten Akkus.
Damit lassen sich zwar technisch sehr unterschiedliche Bauformen umsetzen, aber gerade bei drei- und mehrrädrigen Modellen werden auf der Teststrecke enorme Unterschiede deutlich. Beispielsweise lässt das auf dem Außenstand des Koreanischen Antriebsherstellers Mando für Testfahrten bereitstehende Service-E-Bike Invelo:4 durch seinen Lenker und seinen Sattel ein fahrradähnliches Verhalten vermuten. Tatsächlich liegt der starre Rahmen aber eher wie ein Auto auf der Straße, während der Fahrer oder die Fahrerin in Kurven mit dem Oberkörper nach außen gedrückt wird. Das erzeugt ein ungewohntes Lenkverhalten. Ein Schalensitz kann den Fahrkomfort verbessern oder auch eine Neigetechnik, wie sie bei immer mehr Herstellern von mehrrädrigen Mobilen zu sehen ist.
Bei zweirädrigen Lastenfahrädern, die zunehmend gebaut werden, ist zwar keine Neigetechnik nötig, aber es hilft auch hier verschiedene Varianten zu testen. Denn je nach Lage des Frachtbereichs verändert sich hier das Fahrverhalten. Abhängig von den persönlichen Bedürfnissen gilt es hier die Entscheidung zu treffen, ob es angenehmer ist, die „Fracht“ vor dem Lenker – z. B. bei kleinen Kindern – oder an der Hinterachse zu transportieren. Grundsätzlich gilt aber, dass mit dem höheren Gesamtgewicht auch die Anforderungen an die Rahmen, die Bremsen und bei Pedelecs auch an die Motoren steigen.
Immer mehr Automobilzulieferer entdecken Fahrräder und Cargobikes als neuen Markt
Wachsende Umsätze und steigende Anforderungen an die Technik machen den Fahrradmarkt auch für Automobilzulieferer zunehmend interessant. Neben Marken wie Bosch und Brose zeigen deshalb nun auch Mahle und Valeo elektrische Antriebskonzepte für die leichte Mobilität unterhalb des klassischen Automobils. Aber nicht nur Motorenkompetenz ist hier gefragt. Das belegt die oberbayrische Hirschvogel Group, die bereits auf der IAA Mobility in München im vorigen Jahr eine Komponentenplattform für drei- oder vierrädrige Mikromobile vorgestellt hatte. In Frankfurt zeigt das Unternehmen zwei verschiedene Achssysteme für Cargobikes. Es konzentriert sich dabei auf Achsen mit zwei Rädern und mit entsprechendem Differenzialgetriebe. Beide sind laut Hersteller als einbaufertige Komplettsysteme und als tragende Bauteile ausgelegt. Als modulare Baugruppen lassen sie sich aber beispielsweise in der Spurbreite und zulässigen Traglast individuell anpassen.
Eine Neuheit gibt es auch im Schaltungsbereich. Erstmals stellt das Unternehmen 3×3 aus Adelmannsfelden seine 9-Gang-Nabenschaltung auf der Eurobike vor. Die ist für einen wartungsarmen Betrieb mit 250 Nm Eingangsdrehmoment ausgelegt und besitzt ein maximales Übersetzungsverhältnis von 554 %. Sie wurde von dem Hersteller Ostalbkreis speziell für E-Bikes und Lastenräder entwickelt. 3×3 setzt bei der Schaltung auf eine Fettschmierung, die vor Umwelteinflüssen sicher geschützt ist. Dadurch funktioniere sie auch bei intensivem Einsatz, über viele tausend Kilometer hinweg. Ölwechsel oder ein Auslaufen gehören damit nach Unternehmensangaben der Vergangenheit an. Sie kann dabei jederzeit geschaltet werden – selbst im Stand oder unter Last. Laut Hersteller bleiben alle Gänge lebenslang kalibriert.
Produziert werden die Schaltungen laut 3×3 im Schwabenland auf Industrie-4.0-Niveau. Das heißt, mit einem hohen Automatisierungsgrad und lückenloser, datenbankgestützter Qualitätsüberwachung. Nach eigenen Angaben können dabei auch individuelle Anpassungen in der hauseigenen Entwicklung schnell umgesetzt werden, beispielsweise dank des hausinternen metallischen 3D-Drucks.
Durchschnittspreise für Fahrräder steigen durch zunehmenden Absatz von E-Bikes – Diebstahlschutz wird wichtiger
Die vielen technischen Weiterentwicklungen, insbesondere bei den Pedelecs, Cargobikes und Mikromobilen zeugen einerseits von der Innovationsfreude der Unternehmen. Andererseits schlagen sie sich aber auch in den Produktpreisen nieder. So räumt der Branchenverband ZIV laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ein, das die Produkte der Branche im Schnitt deutlich teurer geworden sind. Während der Durchschnittspreis 2011 noch bei etwa 500 € lag, erreichte er demnach im vergangenen Jahr knapp die 1400-€-Marke. Einen Anstieg um 50 % habe es dabei allein in den Jahren seit 2019 gegeben – getrieben auch von der steigenden Nachfrage im höherpreisigen Pedelec-Segment.
Mit dem höheren Wert der Produkte wächst auch der Bedarf an verbessertem Diebstahlschutz. Auch dafür gibt es bei zahlreichen Ausstellern der Eurobike Lösungen. Das reicht von verbesserten Fahrradschlössern, in denen teilweise eine Alarmfunktion oder gar eine Trackinglösung integriert ist, bis hin zu Transpondern, die zur Nachverfolgung direkt im E-Bike-Antrieb oder im Rahmen eingebaut werden. Bei den Hightechvarianten bekommt der Besitzer bzw. die Besitzerin eine Meldung ans Smartphone, wenn auffällige Erschütterungen am Fahrrad registriert werden oder es komplett auf Reise geht. Oft arbeiten Hersteller hochwertiger Fahrräder dabei mit Herstellen solcher Transponder-Lösungen zusammen und bieten ihren Kunden die Möglichkeit, ihr Eigentum bei Diebstahl per Handy zu verfolgen und dann auch durch die Polizei zurückholen zu lassen. Solch integrierbare Tracker, die sich auch nachträglich in verschiedene E-Bikes einbauen lassen, zeigen auf der Eurobike beispielsweise Anbieter wie It‘s my bike aus Darmstadt und PowUnity aus Innsbruck/Österreich.
Eine in ihr Mittelmotorkonzept integrierte Lösung zum Diebstahlschutz zeigt Bosch eBike Systems. In Verbindung mit einem neuen Modul für die Datenübertragung per Internet (ConnectModule) kann auch mit dieser Lösung die Position des E-Bikes bestimmt werden. Zudem ist ein akustischer Alarm in der Motoreinheit integriert, der Diebe abschrecken soll.
Alles aus einer Hand möchte dagegen der bulgarische Hersteller Econic One bieten. Das Unternehmen sieht sich als Spezialist für smarte E-Bikes und setzt weitgehend auf die Produktion in Europa, sowie Schaltungen von Shimano und Elektroantriebe von Bafang. Den Transponder, der herstellerseitig direkt im Rahmen eingebaut werden kann, hat das Unternehmen nach eigenen Angaben selbst entwickelt. Die Trackingfunktion soll sich genauso wie das smarte Rahmenschloss, das per Smartphone geöffnet und geschlossen werden kann, über die App des Unternehmens bedienen lassen. In Deutschland ist der Hersteller bisher weitgehend unbekannt.