Emissionsarme Alternative für den Nahverkehr 04. Jun 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Seilbahnen sollen Lücken im ÖPNV schließen

Die Bundesregierung unterstützt Seilbahnen für den Nahverkehr in den Städten. Ein paar Ideen gibt es schon, so in Bonn und Wanne-Eickel. Aber sie kommen nur langsam voran.

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Seilbahnen könnten auch in Deutschland dem ÖPNV manchmal auf die Sprünge helfen. Die Bundesregierung unterstützt dies, aber bisher wagen sich nur wenige Städte an derartige Projekte. Im Bild eine Seilbahn in Funchal auf Madeira.
Foto: PantherMedia / ksena32

Bonn kennt sich aus mit der Seilbahndebatte. Die ist nämlich hier schon Jahre alt und schneckelt sich quasi seit 2012 auf der Kriechspur durch die behördlichen Planungs- und Genehmigungsprozesse. Gedacht ist daran, die linksrheinisch auf dem Venusberg liegende Universitätsklinik, die von sehr vielen Menschen tagtäglich angefahren wird, mit der anderen Rheinseite per Seilbahn zu verbinden – Ost-West-Richtung also. Geplant sind auf gut 4,5 km Länge Zwischenhalte an einer Straßenbahnlinie, am DB-Halt UN Campus (im ehemaligen Regierungsviertel) und an der Zentrale von T-Mobile. Nordtrasse heißt diese Variante und Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) sowie die regierende Stadtratsmehrheit aus Grünen, SPD, Linken und Volt werben dafür.

Seilbahnen in der Stadt geplant in Wanne-Eickel, Bonn und wohl bald auch in Duisburg

Wer immer in Nordrhein-Westfalen als Stadtoberhaupt eine innerstädtische Seilbahn planen möchte, kann sich die Debatten in Bonn als Lernhilfe in Sachen Bürgerkommunikation nehmen. Denn, auch wenn die Geografie vor Ort unterschiedlich sein mag – Bonn liegt am Ende des rheinischen Beckens quasi in einer Tallage – die grundsätzlichen Erfolgskriterien und zu überwindenden Hindernisse sind die gleichen: Einerseits muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Bau und Betrieb langfristig stimmen, andererseits dürfte es schwierig sein, eine solche grundlegende Veränderung im Erscheinungsbild einer Stadt gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung umzusetzen. Und die, die davon betroffen sind, brauchen einen fairen Ausgleich bzw. Lösungen, die bestmöglich ihre Interessen berücksichtigen.

Das sind Erfahrungen, die auch die Städte Herne und Duisburg schon gemacht haben und noch machen werden. „Seilbahn für Wanne-Eickel: Hochfliegende Pläne in NRW“, so titelte die dpa am 3. Juni 2024 im Vorfeld des Kongresses „Cable Car World“ in Essen (5./6. Juni 2024). Die ehemalige Bergbau- und Großstadt Wanne-Eickel gehört heute zu Herne und hat mit Oberbürgermeister Frank Dudda einen Seilbahnfreund: Er will mit diesem Verkehrsmittel den dortigen Bahnhof mit dem Blumenthal-Gelände verbinden. Das ist ein neu entstehendes Arbeits- und Naherholungsquartier für 4000 Menschen auf einem ehemaligen Zechen- und Kraftwerksgelände. Auch das liegt auf einem Hügel.

Was an der Seilbahn in Bonn kritisiert wird

Es sind vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner der Trasse, die in Bonn die bohrendsten Fragen zum Projekt stellen. Vornan steht die Kostenfrage: Wird die Planung nicht doch etwa schöngerechnet? „In der standardisierten Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Seilbahn ist eine Kostenerhöhung von 30 % zwar schon eingepreist, doch ist der Verbraucherpreisindex seit 2019 bereits um rund 20 % gestiegen. Bis zum Bau der Seilbahn dürften es somit deutlich mehr als 30 % sein“, gibt zum Beispiel eine Leserbrief-Schreiberin im örtlichen Generalanzeiger nach einer Informationsveranstaltung im Mai zu Bedenken. 2026 könnte das Planfeststellungsverfahren beginnen. Könnte. Falls das klappt, hätten die Bonner laut Stadtverwaltung frühestens 2028 eine Seilbahn für den ÖPNV. Gesamtkosten: 66 Mio. €, vor allem finanziert von Bund und Land. Ob da die 30 % eingepreiste Teuerung wirklich ausreicht?

Auch das Verkehrsaufkommen konnte 2019 noch gar nicht den Trend zum Homeoffice berücksichtigen – wobei heute aber auch noch keiner weiß, wie wir 2028 denn wirklich arbeiten. Weitere Fragen treiben die Leserin um:

Seilbahn in Wanne-Eickel erlaubt ÖPNV-Verbindungen, die es wohl anders nicht geben würde

Die Seilbahn soll in Wanne-Eickel vor allem helfen, mit einer rund 1 km langen Verbindung weiträumige Bahntrassen zu überwinden, für deren Querung ansonsten entweder Brücken gebaut oder Tunnel gebohrt werden müssten. Da soll die Seilbahn trotz Investitionen von rund 35 Mio. € billiger sein. Allerdings würden die – wie in Bonn – vor allem von Bund und Land getragen. Dudda will eine der ersten urbanen ÖPNV-Seilbahnen bauen, die in Deutschland als Teil des Nahverkehrsnetzes Pendler transportiert. Eine Machbarkeitsstudie hat zumindest schon mal grünes Licht gegeben. Laut dpa arbeitet auch Duisburg mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft an einer Konzeptstudie für eine Seilbahnanbindung der Innenstadt mit einem neuen Viertel. Weitere Städte in Deutschland hätten zumindest Überlegungen in den Schubladen.

Rückendeckung erhalten Dörner wie Dudda durch Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Der lobte Seilbahnen als platzsparend, emissionsarm und gut geeignet, um mit wenig Aufwand Lücken im ÖPNV-Netz zu schließen. Seit 2022 ist die Seilbahn zudem bei der öffentlichen Förderung anderen Verkehrsmitteln gleichgesetzt. Ähnlich hört sich das bei Dominik Berndt an, Seilbahn-Experte, Raumplaner und Geschäftsführer der Cable Car World GmbH. Seilbahnen könnten der „Missing Link in der Evolution der ÖPNV-Verkehrsmittel“ sein, sagt er der dpa: zehnmal kostengünstiger zu bauen als U-Bahnen, eine hoch effiziente Raumnutzung, die kaum zu Versiegelung führe. „Da ist die Seilbahn nicht das Allheilmittel, aber eine Option, die wir viel öfter mitdenken sollten – und dann sachlich je nach Standort im Systemvergleich bewerten können“, sagt der Fachmann. Nicht auf jeder möglichen Strecke überwiege aber der Nutzen die Kosten. „Das muss man im Einzelfall genau betrachten.“

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