Effektivste Lösung 08. Jul 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Klimaneutrale Bahn dank Oberleitung statt Wasserstoff?

3000 Dieselloks will die DB bis 2040 ausrangieren, unter anderem durch Wasserstoffzüge ersetzen. Ein Irrweg? Bahn-Experten legen das nahe. Die gute alte Oberleitung sei in der Regel viel besser.

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Regionalzug der DB mit Oberleitungstechnik vor dem Heizkraftwerk West in Frankfurt/Main: Bis 2040 will die DB ihren Betrieb klimaneutral stellen. Dazu müssen 3000 Dieselloks ersetzt werden, vorzugsweise durch Oberleitungstechnik, denn dies, so Experten, sei die effizienteste Methode.
Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

Es war ein Ortstermin für die Firmenbosse, als im September 2022 die Deutsche Bahn (DB) und Hersteller Siemens Mobility mit dem Mireo Plus H ihren gemeinsam entwickelten Wasserstoffzug der Öffentlichkeit präsentiert. Damals verkündete DB-Chef Richard Lutz: Wolle die DB bis 2040 klimaneutral arbeiten, müssten 3000 Dieselloks bis dahin ersetzt werden – Leuchtturmtechnik dafür ist der Wasserstoffantrieb, wie ihn Siemens-Boss Roland Busch damals vorstellte.

Die Fachwelt favorisiert den Wasserstoffzug nicht unbedingt: „Wasserstoff ist die teuerste Lösung und hat einen schlechteren Wirkungsgrad als Diesel“, sagte der Berliner Bahntechnik-Professor Markus Hecht der Deutschen Presseagentur (dpa) am 8. Juli 2024. Denn die Brennstoffzellen erzeugten nicht nur Wasser und Strom, sondern auch viel Abwärme. Deshalb sei bei Wasserstofffahrzeugen die Kühlung ein großes Problem.

„Sie müssen im Sommer stark kühlen und brauchen auch Strom für die Klimaanlagen zur Kühlung der Fahrgasträume“, sagte Hecht, der seit 1997 an der TU Berlin, das Fachgebiet Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr leitet. Solch ein Wasserstoffzug brauche im Winter weniger Energie als im Sommer, denn mit der Abwärme ließe sich in der kalten Jahreszeit sehr effizient der Fahrgastraum mitheizen. Wegen des schlechten Wirkungsgrads sei der Energieverbrauch dennoch immer viel höher als bei allen anderen Technologien.

Um die Bahn grün zu machen, hat die Oberleitung den besten Wirkungsgrad

Was also tun, um die Bahn zu dekarbonisieren und bis 2040 fit für den Klimawandel zu machen? „Den besten Wirkungsgrad hat die Elektrifizierung mit Fahrleitung“, sagte Hecht. Züge, die mit Wasserstoff (Brennstoffzellen), Batterie oder Pflanzenöl betrieben werden, sind einfach teurer.

Die DB selbst will ihre rund 3000 Dieselloks auch nicht zwingend durch 3000 Wasserstoff-Loks ersetzen. In erster Linie geht es um grünen Strom, den braucht es für die E-Loks wie für Wasserstoffherstellung. Den Fernverkehr hat die DB nach eigenen Angaben schon komplett auf Ökostrom umgestellt. Bleiben Regional- und Güterverkehr. In Deutschland sind laut Allianz pro Schiene 62 % des bundeseigenen Schienennetzes elektrifiziert. Nachbarländer wie Österreich, die Niederlande oder Italien kommen auf über 70 %, in der Schweiz ist es das komplette Netz. Bis 2030 sollen bei der DB rund 760 km neu elektrifiziert werden. Die Grenzen für neue Oberleitungsstrecken lägen auch hier bei den Kosten, wenn aufgrund von Tälern, Brücken oder Tunneln die Elektrifizierungskosten in die Höhe schießen, wie SWR4 im Frühjahr berichtete.

Ob Wasserstoff- oder Batteriezug ist eine Entscheidung der Landesbahnen

Wasserstoffzug des französischen Herstellers Alstom bei einem Probebetrieb Anfang 2023 in Frankreich. Auch in Deutschland wurde inzwischen intensiv ausprobiert. Experten sehen die Technologie allerdings derzeit nicht als Leittechnik für die Dekarbonisierung, denn sie sei zu teuer. Foto: ddp/AVENET Pascal/Hemis.fr

Der Berliner Professor steht mit seiner Einschätzung nicht allein: So verglich die TU Dresden erstmals 2017 und dann noch einmal 2020 in Gutachten für die Bayerische Eisenbahngesellschaft die jeweiligen Vor- und Nachteile alternativer Antriebe. Auch die Bajuwaren wollen bis 2040 klimaneutral werden. Wasserstoff schnitt dabei schlechter ab als Batterien, auch in Bezug auf die CO2-Bilanz. Vorzugslösung für die Landesbahn ist offiziell die Elektrifizierung.

Für Strecken ohne „Elektrifizierungsperspektive“ setze die Staatsregierung demnach auf Akku- und Wasserstoffzüge, so dpa. Niedersachsen hat hingegen 100 Batteriezüge bestellt -– Wasserstoff sei zu teuer. „Auch Batteriezüge sind betrieblich viel teurer als die reinen Elektrotriebwagen“, so Hecht. Der Wirkungsgrad sei schlechter, die Fahrzeuge schwerer. Die Batterie habe nur eine endliche Lebensdauer, müsse im Winter gewärmt und im Sommer gekühlt werden. Die Reichweite ohne Zwischenladung liegt derzeit bei unter 100 km.

Gebrauchtes Speiseöl ging auch – Konkurrenz durch Flugverkehr

Bleibt als dritte Option, Diesel durch HVO 100 zu ersetzen, also durch dieselähnlichen Kraftstoff auf Basis von Altfetten. Da Dieselloks ohne großen technischen Aufwand auch mit Frittenfett fahren können, hat das den Vorteil, dass keine neuen Loks gekauft werden müssen. Die Bedenken von Hecht sind vor allem, dass hier die Klimaneutralität durch Zertifikate nachgewiesen werden müsse. „Die Zertifikate können gefälscht sein, und dann liegt schlagartig ein Skandal vor.

Und das Zweite ist: Man weiß ja nicht, was mit dem Material sonst passiert wäre“, sagte Hecht. Seine Sorge: „Dass der HVO-Brennstoff für Züge in Deutschland dann andernorts durch Kohle oder Öl oder sonstiges CO2-emittierendes Material ersetzt werden könnte.“ Zudem bleiben die Ressourcen begrenzt, und der Wettbewerb durch den Luftverkehr für SAF (Sustainable Aviation Fuels) ist groß.

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