Reifendruck-Kontrollsystem: Für Lkw, Busse und Anhänger bald Pflicht
Vom 1. Juli 2024 an werden Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) auch für in der EU neu zugelassene Lkw, Busse und schwere Anhänger zur Pflichtausstattung.
Seit 2014 ist es bereits für in der EU neu zugelassene Pkw Pflicht: das Reifendruckkontrollsystem – kurz RDKS genannt. Jetzt wird es zum 1. Juli 2024 auch für Nutzfahrzeuge eingeführt, genauer gesagt: für Lkw (über 3,5 t), Wohnmobile, Busse und für Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t, darunter auch Sattelauflieger.
„Die Neuerung bringt einen wertvollen Zugewinn an Sicherheit“, sagt Christian Koch, Unfallanalytiker und Reifenexperte bei der Sachverständigenorganisation Dekra. Allerdings bedeute das mehr Aufwand und Herausforderungen für Transportunternehmen und die Reifenservice-Branche.
Gerade am Beispiel der Anhänger oder Sattelauflieger zeigt sich der Aufwand. Mal werden sie leer bewegt, mal voll. Und der Reifendruck müsste ständig angepasst werden. Verglichen mit privaten Pkw, bei denen vielleicht zweimal im Jahr zur Urlaubszeit der Reifendruck an das voll beladene Auto angepasst wird, ist das bei Nutzfahrzeugreifen wesentlich komplexer. Der Zustand „voll beladen“ oder „leer“ tritt hier viel häufiger auf. Der Fülldruck je nach Beladung und Einsatzart muss viel stärker variiert werden.
Doch Dekra-Experte Koch kennt noch weitere Herausforderungen: „Sie entstehen für die Nutzer immer dann, wenn die Fahrzeuge und Anhänger in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden.“ Das sei der Fall, wenn ein Sattelauflieger auf einen Zug oder eine Fähre verladen und am Ziel von einer anderen Zugmaschine übernommen werde. „Dann muss die Ausstattung in Sachen RDKS aufeinander abgestimmt sein.“
Nicht trivial ist nach Angaben der Dekra auch der mobile Reifenservice, gerade für Anhänger oder Sattelauflieger, die dabei oft ohne Zugfahrzeug dastehen. „Wenn ein Reifen ausgetauscht wird, muss das RDKS in der Regel wieder kalibriert oder ‚angelernt‘ werden“, erklärt Koch. „Die Frage wird dann sein: Wie kommuniziert das RDKS mit dem Zugfahrzeug, wenn wieder angekoppelt wird? Und: Was ist überhaupt der richtige Fülldruck?“ Erschwerend komme hinzu: Es gibt unterschiedliche RDKS-Systeme – die im Idealfall kompatibel sein müssten.
Dass all das den Aufwand und die Komplexität in der Transportbranche erhöhen wird, ist aus Sicht der Dekra unstrittig. „Klar ist aber auch: Dieser Einsatz wird sich lohnen“, ist Koch überzeugt. Allerdings gebe es noch einige offene Fragen, die in der Reifenbranche diskutiert werden.
Reifenschäden sind häufige Unfall- und Pannenursache
Reifenschäden gerade sind laut Dekra bei Nutzfahrzeugen die Pannenursache Nummer eins. Ein Großteil dieser Schäden könnte durch RDKS verhindert werden, indem der passende Fülldruck gefahren und ein eventueller schleichender Druckverlust erkannt wird.
„Der Ausfall eines Reifens kann nicht nur zu einer Panne führen, sondern auch zu schweren Unfällen“, sagt Dekra-Experte Koch. Doch auch wenn ein Lkw nach dem Reifenschaden noch steuerbar ist und nicht selbst verunglückt, entstehen Sicherheitsrisiken: Ein Lkw-Reifen allein kann bis zu 60 kg wiegen. Wenn nach einem Reifenschaden Teile umherfliegen, sind andere Verkehrsteilnehmer in großer Gefahr.
Richtiger Fülldruck lässt Reifen länger leben
Auch beim Thema Nachhaltigkeit haben RDKS einen positiven Einfluss. Denn Reifen, die mit dem richtigen Fülldruck gefahren werden, halten zum einen länger und minimieren zum anderen den Kraftstoffverbrauch.
„Der Einsatz von Reifendruckkontrollsystemen ist ein wichtiger Baustein, der dazu beiträgt, dass Nutzfahrzeugreifen sicher und wirtschaftlich betrieben werden können. Der Mehraufwand wird hierdurch aus unserer Sicht in jedem Fall mehr als aufgewogen“, sagt Koch.