Verkehr 24. Feb 2022 Von Peter Kellerhoff Lesezeit: ca. 3 Minuten

VDI/VDE-Studie: Die Reduktion der CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2030 um 30 % ist machbar, aber …

... dazu gehört ein schneller und umfangreicher Ausbau der Wasserstoff- und Ladeinfrastruktur.


Foto: PantherMedia / dedivan1923

Die gemeinsame Studie „Klimafreundliche Nutzfahrzeuge“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik Informationstechnik (VDE) kommt zu dem Schluss, dass rund 200 000 emissionsfreie Lkw bis 2030 in Europa im Einsatz sein müssten, um die CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 30 % zu verringern.

Schwere Nutzfahrzeuge für 25 % der Kohlendioxidemissionen des Straßenverkehrs in der EU verantwortlich

Derzeit sind schwere Nutzfahrzeuge (über 12 t), einschließlich Lkw und Busse, für 6 % der CO2-Gesamtemissionen und für 25 % der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs in der EU verantwortlich. VDI und VDE setzen dabei auf Technologieoffenheit, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Beim Fernverkehr schwerer Nutzfahrzeuge steht laut Studie klar der Brennstoffzellenantrieb im Vordergrund, im urbanen die batterieelektrischen Antriebe für kleine Nutzfahrzeuge.

Dennoch mahnen die Macher der Studie, dass neben den technischen Herausforderungen zwei Aspekte den Weg zum emissionsärmeren Verkehr der Zukunft verlangsamen könnten: Akzeptanzprobleme und die Kosten bzw. der TCO (Total Cost of Ownership). Bei der Akzeptanz geht es darum, ob etwa Spediteure bereit sind, ihr Nutzungsverhalten den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Dazu zählen etwa Umwege zu Lade- oder Wasserstofftankstellen oder eben die Dauer der Ladezeiten. Bei Margen pro Tonne, die teilweise im Cent-Bereich liegen, müssten Spediteure sehr genau kalkulieren, ob sie eine Stunde Ladezeit oder 25 km Umweg zur nächsten H2-Tankstelle in Kauf nehmen können. Weiterhin muss ein Spediteur auch bereit sein, im Falle einer batterieelektrischen Lösung Einbußen im Hinblick auf Ladegewicht und Ladevolumen in Kauf zu nehmen. Denn ein Batteriepack für große Reichweiten nimmt bei einem geschätzten Ladegewicht zwischen 5 t und 7 t auch einigen Raum in Anspruch. Bei den Kosten geht es nicht nur um die reinen Anschaffungskosten, die zu den Fixkosten gehören. Die Betriebskosten – und dazu gehört eben auch der Kraftstoff – machen den viel größeren Anteil aus.

Technologieoffenheit bei den Kraftstoffen gefordert

Der Frage, ob man sich angesichts der enormen Kosten für den gleichzeitigen Ausbau verschiedener Infrastrukturen – neben Oberleitungen auf Autobahnen waren auch synthetische Kraftstoffe Bestandteil der Studie – nicht besser auf einen „Kraftstoff“ fokussieren und alle Ressourcen darauf konzentrieren sollte, erteilte der Vorsitzende des VDE/VDI-Fachausschusses Wasserstoff und Brennstoffzellen, Martin Pokojski, eine Absage: „Wenn man weiß, dass man auf dem richtigen Weg ist, mag das eine weise Entscheidung sein.“ Doch diese Phase sei für Prokojski noch nicht erreicht und er mahnt: „Was ist, wenn wir alle Ressourcen in die falsche Technologie investiert haben? Ich halte das für sehr gefährlich.“ Für ihn sei der richtige Weg Diversifizierung, also verschiedene Technologien voranzutreiben. Auch wenn es viel Geld koste.

Fast identische Mobilitätskosten von batterieelektrischen Antrieben oder der Brennstoffzelle im Vergleich zu heutigen Kraftstoffen sind möglich

Thomas Grube vom Institut für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, Mitautor der Studie, ergänzt: „Infrastrukturen sind dann sinnvoll, wenn sie genutzt werden.“ Und damit wären sie auch bezahlbar. Er verwies bei dem Pressegespräch am heutigen Donnerstag dabei auf eine seiner früheren Studien, bei dem im Pkw-Bereich das Batterieladen und das Betanken von Wasserstofffahrzeugen untersucht wurde. Zwei der wesentlichen Erkenntnisse:

1. Für beide „Kraftstoffarten“ kommt ein bezahlbarer „Kraftstoff raus“, ähnlich dem derzeit verfügbarer Kraftstoffe. „Zumindest nach einem Übergangsbereich hin zu einer besseren Auslastung der Wasserstoffbetankungsinfrastruktur.“ Dann käme man zu fast identischen Mobilitätskosten, bezogen auf die derzeit üblichen Kraftstoffe.

2. Der Anteil der Infrastrukturkosten ist, gemessen an den gesamten Kosten, die der Verkehr oder die Energiewirtschaft verursachen, sehr klein. „Selbst wenn wir im Zeitverlauf bis 2035 oder 2050 über 50 Mrd. € bis 60 Mrd. € ausgeben für eine ausgefeilte Infrastruktur mit Tausenden von Wasserstofftankstellen und Hunderttausenden von Ladesäulen, dann ist das über die Zeit gerechnet relativ wenig im Vergleich zu dem, was in diesen Zeiträumen in Deutschland insgesamt in Infrastruktur investiert wird“, meint Grube.

Die Politik muss Anreize für eine emissionsärmere Zukunft schaffen

Die Autoren der Studie sind sich einig: Mittel- bis langfristig können klimafreundliche Nutzfahrzeuge dazu beitragen, die volkswirtschaftlichen Kosten im Bereich der Mobilität im Vergleich zum Status quo zu senken. Dafür brauchen insbesondere die Bereiche Forschung und Entwicklung eine Förderung, um innovative Technologien in der Nutzfahrzeugfertigung zu entwickeln. Das würde darüber hinaus auch die Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen. Außerdem braucht es steuerliche Anreize, damit Flottenbetriebe beispielsweise im innerstädtischen Bereich vermehrt auf elektrifizierte Nutzfahrzeuge umsteigen.

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