Antriebe einfach austauschen – Forschungsprojekt soll Grundlagen liefern
Wie schön wäre es, einen elektrischen Antrieb in einer Fertigungsanlage so einfach austauschen zu können wie einen Drucker am PC. Im Reallabor Antrieb 4.0 sollen dafür nun die Grundlagen geschaffen werden.
Kabel anschließen und loslegen – so einfach funktionieren Plug & Play-Konzepte in der Computertechnik. In der industriellen Praxis ist es dagegen bislang nur mit hohem Aufwand möglich, Antriebe unterschiedlicher Hersteller zu kombinieren. Meist müssen diese dazu aufwendig parametriert werden, damit das Zusammenspiel reibungslos gelingt. Mit dem Forschungsansatz Reallabor Antrieb 4.0 soll sich das ändern. Auf vorwettbewerblicher Basis sollen herstellerneutrale Lösungen erarbeitet werden. Zudem soll die Verfügbarkeit, Transparenz und Interoperabilität sowie der Zugang zu Daten verbessert werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein einfacher Austausch letztlich möglich ist.
Reallabor Antrieb 4.0 nutzt Dateninfrastruktur auf Basis von Gaia-X
Vorangetrieben wird dieser Ansatz von einem Konsortium unter der Leitung der Forschungsvereinigung Elektrotechnik im Branchenverband ZVEI zusammen mit Partnern von der Fraunhofer-Gesellschaft und der TU Darmstadt. Die Grundlage dafür soll ein Datenraum auf Basis der europäischen Dateninfrastruktur Gaia-X bilden. Darüber sollen technische Rahmenbedingungen für die notwendige Kommunikation und die Datenanalyse per Künstlicher Intelligenz erprobt werden. Zudem soll ein physischer Demonstrator für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Antriebe aufgebaut werden. Zur Entwicklung exemplarischer Anwendungsbeispiele sind mehrere Industrieunternehmen am Reallabor Antrieb 4.0 beteiligt. Die Beispiele sollen helfen, die Forschungsergebnisse in die Praxis zu überführen und die Mehrwerte für Antriebshersteller, Maschinenbauer und Endkunden aufzuzeigen.
Daten aus dem Antrieb für die Optimierung von Anlagen nutzen
Warum Antriebe in der Automatisierungstechnik eine besondere Rolle spielen, verdeutlicht Gerd Griepentrog, Professor für Leistungselektronik und Antriebsregelung an der TU Darmstadt: „Drehzahlvariable elektrische Antriebe sind aus der heutigen Produktions- und Prozesstechnik nicht mehr wegzudenken. Diese Antriebe nehmen laufend Daten über den Lastzustand der angeschlossenen Motoren und Anlagen auf, die heute jedoch häufig nur lokal im Antrieb verarbeitet werden.“ Durch das Projekt findet laut Griepentrog künftig eine herstellerübergreifende und standardisierte Vernetzung elektrischer Antriebe statt. Mittels korrelierter Datenanalyse werde so eine bessere Steuerung und Überwachung von kompletten Anlagen möglich. „Ein Beispiel ist die Aufnahme von Energieverbrauchsdaten, die neben dem Lastmanagement auch die Ermittlung des ‘Carbon Footprint‘ erlauben“, sagt er.
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Tassilo Schuster von der Abteilung Innovation & Transformation am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS geht noch einen Schritt weiter: „Im Rahmen des Projekts wird eine modulare Service- und Marktplattform für smarte Produkt-Service-Systeme rund um den Antrieb 4.0 konzipiert.“ Über die Plattform sollen wertschöpfungsstufenübergreifende Services, wie eine automatisierte Inbetriebnahme und Optimierung von Antrieben, angeboten und nachgefragt werden können. „Solche Plattformen, auf denen zukunftsweisende Services mit ökonomischem und ökologischem Mehrwert gehandelt werden, haben das Potenzial, die Branche der Antriebshersteller radikal zu verändern”, ist er überzeugt. Jan Hofmann von der Abteilung Data Spaces & IoT Solutions des Fraunhofer IIS ergänzt: „Die Lösungskomponenten können letztlich auch als Blaupause für den Transfer in vergleichbare Fragestellungen anderer Branchen und Anwendungsumgebungen dienen.“
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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert das Reallabor Antrieb 4.0 im Rahmen des Förderprogramms KoPa 35c. Die Laufzeit beträgt drei Jahre.