Auf den Sattel, fertig, los – die Aufholjagd im Fahrradbau hat begonnen
Der Aufstieg der Firma Opel zum größten Fahrradhersteller der Welt begann in einer Krise. Wiederholt sich die Geschichte jetzt in Europas Fahrradindustrie?
von Martin Ciupek
Erst mussten scheinbar Lieferketten massiv gestört sein und Frachtkosten in die Höhe schnellen. Doch nun zeigen sich Hersteller in Deutschland und Europa wieder kreativ, was die Produktion von Fahrrädern angeht. Zurück auf Anfang, könnte man sagen. Denn wer erinnert sich heute noch daran, dass der weltgrößte Fahrradhersteller vor fast genau 100 Jahren aus Deutschland kam? Im Museum der Opel-Stadt Rüsselsheim sind noch einige Modelle aus dieser Zeit zu finden.
Produktionsmethoden für Fahrräder werden neu gedacht
Das Schöne an der aktuellen Rückbesinnung: Jetzt werden auch gut hundert Jahre alte Konstruktionskonzepte und Produktionsmethoden überdacht. Heraus kommen Modelle, die sich auch für eine hochautomatisierte Serienproduktion eignen und somit der wachsenden Nachfrage nach Fahrrädern – insbesondere auch mit Elektroantrieb – gerecht werden.
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Mit Fördergeldern der Europäischen Union wurde in den vergangenen Jahren in Portugal südlich von Porto ein ganzes Tal mit Herstellern für die Fahrradproduktion aufgebaut. Hier werden aktuell in Europa auch die meisten Fahrradrahmen produziert. Konkurrenz könnte bald aus Thüringen kommen. Zigtausende Fahrradrahmen werden dort im Kunststoffspritzguss hergestellt, für mehrere internationale Fahrradmarken. Das geht deutlich schneller als das Verschweißen von Metallrohren und bringt auch weitere Vorteile für die Automatisierung der Produktion.
Kunststoffe und 3D-Druck bringen neue Impulse für den Fahrradbau
Offen ist allerdings noch, ob sich Kunststoff im Massenmarkt durchsetzen wird – oder Käufer und Käuferinnen eher zu Modellen aus Stahl oder Aluminium greifen. Auch da tut sich einiges: Bauweisen aus Aluminiumblechen für den Massenmarkt beispielsweise, aber auch 3D-Druck für die Individualisten unter den Fahrradfans.
Fast scheint sich hier ein Kreis zu schließen. Denn auch die Fahrradproduktion bei Opel wuchs in einer Krise und wurde durch neue Produktionskonzepte möglich. Im Jahr 1923 lag die deutsche Wirtschaft am Boden. Es gab Inflation und Rohstoffmangel. Die Gebrüder Opel etablierten in der Zeit die Fließbandproduktion in Rüsselsheim, wie sie sie zuvor in den USA gesehen hatten. Daraus wurde ein Erfolgsmodell, das viele Jahrzehnte andauerte.
Mehr über die konkreten Innovationen im Fahrradbau lesen Sie in unserem Fokus „Rückkehr der Fahrradproduktion“, am 18. Juli 2022.