China macht bei Metallguss Tempo
Während sich Europas Industrie auf ihrem vermeintlichen technologischen Vorsprung ausruht, entstehen in China zahlreiche neue Gießereien. Dabei steigen Masse und Qualität.
Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Gussteile aus China generell für schlechte Qualität standen. Zumindest beim Lost-Foam-Guss machen chinesische Firmen inzwischen Tempo.
Für Franz-Josef Wöstmann ist das zum Haareraufen: „In der Gießereiindustrie in Deutschland und Europa wird kaum wahrgenommen, was in der Ferne passiert.“ Laut dem Abteilungsleiter Gießereitechnologie und Leichtbau am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (Ifam) in Bremen werden bereits Gussteile nach Europa exportiert, ohne dass die Gießereiwelt davon Notiz nimmt. „Der vermeintlich technologische Vorsprung Europas ist nur eine Beruhigungspille, wie in vielen anderen Bereichen“, mahnt Wöstmann.
Doch was macht das Verfahren für die chinesische Industrie so interessant? Der Lost-Foam-Guss ähnelt dem Feinguss. Statt Wachsmodellen, die mit einer keramischen Masse umhüllt und schließlich ausgeschmolzen werden, nutzt das Lost-Foam-Verfahren geschäumte Modelle, z. B. aus Polystyrol (Styropor). Diese werden ebenfalls mit einer Keramikmasse umhüllt, aber dann in Formsand eingebettet.
Im Gegensatz zum klassischen Sandguss, bei dem Sand mit Bindemittel versetzt wird und für Hohlräume Sandkerne gebaut werden müssen, lassen sich mit Schaummodellen wesentlich komplexere Bauteile herstellen. Das spart Nachbearbeitungszeit und erlaubt die Wiederverwendung des Formsands.
Traditionell hatten sich chinesische Gießereien laut Wöstmann vor allem auf Feinguss fokussiert. Strengere Umweltvorschriften, insbesondere bezüglich der Abgasbehandlung, hätten die Chinesen jedoch zum Wechsel auf Lost Foam bewegt, so der Gussexperte.
Fakt ist: Das Lost-Foam-Gießverfahren ist vielseitig und eröffnet zahlreiche Möglichkeiten zur Fertigung von Gussteilen. Es erlaubt sowohl die lukrative Herstellung von Prototypen und Kleinserien als auch die Fertigung von Großserien.
In Europa haben sich wenige Gießereien das Verfahren zu eigen gemacht. Dazu gehört unter anderem die Gießerei von BMW, die damit Motorteile produziert. Ein Mangel an Schaumstoff-Rohmaterial und der Wunsch nach einer zweiten Bezugsquelle (Second Source) führten laut Wöstmann jedoch dazu, dass Kunden in Europa andere Lösungen suchten. Dabei lässt sich das Verfahren auch gut automatisieren, wie die Zylinderkopfproduktion bei BMW zeigt.
Den wenigen deutschen Gießereien stehen nach Angaben aus China 1000 Gießereien in der Volksrepublik gegenüber. „In China wurde das Problem der europäischen Gießer hinsichtlich der Materialversorgung erkannt und Alternativen geschaffen“, sagt Wöstmannt. Auch die Qualität sei massiv angestiegen.
Beim Lost Foam Council, dessen Geschäftsführer Wöstmann ist, werden laut eigenen Angaben zunehmend Lieferanten nachgefragt. Gleichzeitig nehme die Zahl an Mitgliedsanfragen zu – insbesondere aus China und Indien. Die aktuelle Entwicklung soll am 7. und 8. November auf dem Lost-Foam-Symposium in Bremen Thema sein.