Deutsche Industrie investiert weniger in Energieeffizienz
Energieeffizienz hat bei Industrieunternehmen nicht mehr den Stellenwert wie noch vor wenigen Jahren. Zu dem Ergebnis kommt der jüngste Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie. Es gibt aber auch positive Entwicklungen.
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Wirtschaftlichkeit ist Ziel Nummer eins bei Investitionen in Energieeffizienz. Das ist eine Erkenntnis aus dem neuesten Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie (EEI), der halbjährlich vom Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) an der Universität Stuttgart erhoben wird. Nach den aktuellen Zahlen gaben knapp 87 % der 858 befragten Unternehmen an, mit Investitionen in Energieeffizienz-Maßnahmen die eigene Wirtschaftlichkeit steigern zu wollen – vor einem halben Jahr waren das noch 95 %. Weitere Prioritäten waren die Dekarbonisierung (61,1 %) und die Erfüllung der Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategie (51 %). Amortisieren sollen sich die Investitionen in weniger als fünf Jahren. Das wünschten sich 70 % der Befragten. Das unterstreichen Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung von Bestandsanlagen, etwa in Form einer effizienteren Beleuchtung und Belüftung.
„Allerdings haben 21 % der Unternehmen keine Investitionen getätigt oder geplant. Für 24 % der Unternehmen beeinflussen die Kürzungen der Förderungen im Bundeshaushalt die Entscheidung in Bezug auf Energieeffizienz-Maßnahmen. Das sollte uns zu denken geben“, resümiert der Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion, Alexander Sauer.
Erstmals seit der Energiekrise im Februar 2022 verzeichnen sowohl die Investitionen als auch die beiden anderen Teilindizes (Bedeutung und Produktivität) gegenüber den Zahlen von Dezember 2023 einen leichten Rückgang. Mögliche Gründe erkennt Sauer in der Unsicherheit und der drohenden Rezession, der dadurch getriebenen Prioritätenverschiebung sowie in der Reduktion von Produktionskapazität.
Schwieriges Wechselspiel zwischen Energiepreisen und Investition in Effizienz
„Man kann aus den Indexzahlen ablesen, dass sich die Unternehmen derzeit mit vielen anderen Fragestellungen beschäftigen und die Priorität nicht so sehr auf dem Energiesparen, auf der Energieeffizienz liegt, wie es in der Vergangenheit schon mal war“, urteilt Sauer. Die Energieknappheit durch den Beginn des Krieges in der Ukraine, die wichtige Impulse für die Energieeffizienz gebracht hatte, weiche jetzt auch wieder dem Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Energieversorgung.
Er warnte allerdings davor, hohe Energiepreise als Motivation für mehr Energieeffizienz zu betrachten. Hier sei es wichtig, den richtigen Preispunkt zu finden, damit es für Unternehmen nicht zu teuer werde und sie sich gleichzeitig aber weiter um Effizienz kümmern. Andererseits könne ein Produktionsrückgang aufgrund steigender Energiepreise dazu führen, dass eine Unterauslastung im Betrieb den relativen Energieaufwand für die Produktion erhöhe.
Nach Inkrafttreten des Energieeffizienz-Gesetzes scheinen Unternehmen die Verbrauchsdaten inzwischen zunehmend digital zu erfassen. Laut einer entsprechenden Sonderbefragung erfassen inzwischen 38,9 % der Befragten Daten einzelner Maschinen und 31,7 % den Verbrauch des gesamten Werkes. Allerdings haben auch 37,1 % keine digitalisierte bzw. automatisierte Erfassung der Energieverbräuche.
Unternehmen werden durch Energieflexibilität unabhängiger
Wichtige Erkenntnisse brachte auch eine Sonderbefragung zur Energieflexibilität, also zu zeitflexibler Erzeugung und dem Verbrauch von Energie als Reaktion auf Änderungen des Energiemarktes. Diese ist laut EEP ein wichtiger Baustein für die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz und hat für Unternehmen inzwischen einen hohen Stellenwert. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen möchte demnach über Flexibilisierungsmaßnahmen die Unabhängigkeit durch Maximierung der Nutzung eigenerzeugter Energie und die Dekarbonisierung des eigenen Unternehmens erreichen. Über 60 % der Unternehmen schätzen das Potenzial des Kostenvorteils durch Energieflexibilisierungsmaßnahmen moderat bis sehr hoch.
„Was wir heute in Unternehmen sehen, dient der Eigenbedarfsoptimierung“, erklärt der EEP-Leiter. Die Betriebe wollten mehr von ihrer selbst erzeugten Energie aus Photovoltaik und Wind auch selbst nutzen und weniger ins Netz einspeisen. Zudem dienten solche Maßnahmen der Reduzierung der fossilen Energieversorgung. Solange kein fossiles Kraftwerk wegen Bedarfsspitzen hochgefahren werden müsse, diene das ebenfalls der Nachhaltigkeit. Allerdings seien Regulierungsbestrebungen in der Hinsicht bisher kaum erfolgreich gewesen, so Sauer. „Ich kenne kaum jemanden, der die neuen Optionen zum flexiblen Energieverbrauch nutzt, weil das Risiko eines potenziellen finanziellen Schadens für das Unternehmen relativ groß ist“, berichtet er.
Mit Material des EEP