Deutscher Maschinenbau ist industrieller Vorreiter bei der Digitalisierung
Laut einer diese Woche veröffentlichten Studie von Bitkom Research und TCS ist der Maschinenbau in Deutschland aufgeschlossener für Digitalisierung als andere Branchen. Allgemein ist ein Schub durch die Corona-Pandemie zu erkennen.
Eine aktuelle Studie drückt in Zahlen aus, wie sich die Pandemie auf die Digitalisierung in der deutschen Industrie ausgewirkt hat. Laut einer repräsentativen Umfrage von Bitkom Research im Auftrag des IT-Dienstleisters Tata Consultancy Services (TCS) sind inzwischen 85 % der befragten Unternehmen offen für Digitalisierung. 2019 waren es 78 % und 2018 etwa 75 %. Besonders aufgeschlossen zeigten sich demnach Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, bei denen es 93 % sind. Und noch etwas zeigt die Trendstudie „Deutschland lernt KI“: Kein einziges Unternehmen lehnt die Digitalisierung mehr ab.
Für die Branche, die lange gescholten wurde, zu langsam bei der Digitalisierung zu sein und den Trend zu verschlafen, ist das ein positives Signal, insbesondere jetzt, wo der Umbruch in der Automobilindustrie, weltweite Handelshemmnisse und Einschränkungen durch die weltweite Pandemie die Umsätze der exportorientierten Branche schmälern. Die Branche rechnet für 2020 mit einem Produktionsminus von 14 % gegenüber dem Vorjahr.
Effekte auf die Digitalisierung
Positiv wirkt sich die Corona-Krise allerdings auf die Digitalisierung in der Branche aus. Laut der Studie von Bitkom und TCS haben nämlich acht von zehn Maschinen- und Anlagenbauern aufgrund der Erfahrungen in den vergangenen Monaten ihre Investitionen in digitale Geräte, Technologien und Anwendungen erhöht. Auch damit liegt die Branche über den anderen untersuchten Branchen. Santu Mandal, Head – Manufacturing Business Unit bei TCS in Deutschland, bestätigt den Eindruck, dass die Pandemie die Digitalisierung stark beschleunigt hat. „Corona hat auch deutlich gemacht, dass Digitalisierung für Unternehmen zwingend notwendig ist, um flexibel und belastbar zu bleiben. Firmen müssen heute digitale Technologien und digitale Geschäftsmodelle einführen, um auch künftig schwierige Rahmenbedingungen besser zu meistern.“ Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt sei, desto besser komme es durch Krisenzeiten.
Deutlich häufiger als andere Branchen setze der Maschinen- und Anlagenbau auf hoch digitalisierte Technologien. So nutze etwa jedes zweite Unternehmen 3-D-Druck gegenüber 26 % im gesamten Durchschnitt. Robotik setzten 47 % der Maschinenbau-Unternehmen ein – gegenüber dem Umfragedurchschnitt von 20 %. Ein Nischenthema bleibt für die Branche dagegen Blockchain-Lösungen. Das kryptografische Verfahren für Transaktionsdaten nutzen im Maschinenbau lediglich 3 % der Befragten. Branchenübergreifend waren es 7 % der Unternehmen. Weit fortgeschritten ist im deutschen Maschinen- und Anlagenbauer dabei das Cloud-Computing. Gut 84 % der Unternehmen nutzen demnach entsprechende IT-Leistungen über das Internet.
Mehr Kommunikation über die Cloud
„Public, Private oder Hybrid Cloud wurden auch vor der Pandemie bereits in den meisten Unternehmen eingesetzt – aber noch nicht in der Breite“, weiß Mandal. „In den vergangenen Monaten haben sich die Cloud-Einführungen verdrei- bis verfünffacht und Cloud bildet das Herzstück der digitalen Transformation der Unternehmen“, stellt er fest.
Das hat mehrere Gründe. Einerseits wird auch im Maschinenbau aktuell mehr von zu Hause gearbeitet. Laut einer Blitzumfrage des Branchenverbands haben 80 % der befragten Unternehmen die Optionen für Homeoffice bereits erweitert oder planen dies. Dazu kommt, dass verstärkt Technologien zur Ferndiagnose und Fernwartung genutzt werden.
KI auf dem Vormarsch
Im Rahmen der Prozessoptimierung sowie von Konzepten wie der Prognose von möglichen Ausfällen per Predictive Maintenance ist auch die künstliche Intelligenz (KI) in der Branche auf dem Vormarsch und könnte laut der Digitalisierungsstudie bald den Alltag in den Unternehmen prägen. Mehr als jeder zweite Maschinen- und Anlagenbauer (53 %) ist demnach überzeugt, dass KI eine Schlüsseltechnologie für die eigene Wettbewerbsfähigkeit ist. Bei den Unternehmen, die bereits KI-Anwendungen einsetzen oder zumindest planen, liegt der Anteil mit 80 % sogar noch deutlich darüber.
In der Praxis ist allerdings noch viel Luft nach oben. Denn laut der Studie setzen gerade einmal 14 % der Unternehmen bereits KI-basierte Anwendungen ein. Dazu kommen 16 %, bei denen eine KI-Nutzung geplant ist, und 17 %, bei denen darüber diskutiert wird. Den Unternehmen geht es dabei vor allem darum, Kosten zu sparen (59 %) und Effizienzgewinne zu erzielen (47 %). Für Mandal ist es nachvollziehbar, dass Unternehmen in der aktuellen Situation vor allem auf Kosten und Effizienz achten. „Künftig wird KI aber stärker für Innovationen und bessere Kundenerfahrung genutzt – zukunftsgerichtete Unternehmen tun das bereits heute“, sagt er.
In die Richtung gehen auch aktuelle Initiativen der Branche wie die Gründung der „Industrial Digital Twin Association“ (IDTA) zusammen mit den Branchenverbänden ZVEI und Bitkom, mit dem Ziel gemeinsame Standards bei der Entwicklung digitaler Zwillinge von Produkten und Prozessen zu entwickeln. Für den herstellerunabhängigen Datenaustausch schaffen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau zudem gerade Standards auf Basis von OPC UA.