Energieeffizient Kunststoff formen
Spritzgießmaschinen haben naturgemäß einen vergleichsweise hohen Energiebedarf. Zudem ist die Entscheidung für einen Anlagentyp weitreichend, da sich die Betriebskosten bei einer Maschinenlebensdauer von über 20 Jahren entsprechend summieren. Das Interesse ist also groß, die Energieeffizienz vorher zu bestimmen.
Nachdem 2009 eine detaillierte Untersuchungsmethode für die Energieeffizienz an Spritzgießmaschinen wegen mangelnder Vergleichbarkeit der Ergebnisse auf Kritik stieß, wurde die aktuelle Version der Euromap 60 aufgelegt. Sie stellt hohe Anforderungen an die Energiemessungen von Spritzgießmaschinen. So müssen die Messgeräte auch Spannungen und Ströme auswerten, die nicht sinusförmig sind.
Beispielsweise tackten Zylinderheizsysteme nur zeitweise ganze oder halbe Sinuswellen. Bevor mit der Energiemessung begonnen wird, gilt es außerdem zu beachten, dass die Spritzgießmaschine im thermischen Gleichgewicht steht. Das bedeutet, die Anlage muss vor der Messung 15 min laufen, um Effekte durch unterschiedliche Wärmekapazitäten zu vermeiden.
Die Mess- und Dokumentationsvorschrift Euromap 60 beschreibt zwei Testzyklen. Eine grobe Klassifizierung teilt dazu schnell und langsam laufende Spritzgießmaschinen in eine von zehn Energieeffizienzklassen ein. Das Kriterium hierzu ist die umgesetzte Energie (in kWh) pro Kilogramm verarbeitetem Material innerhalb definierter Testzyklen – analog zur Berechnung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen in l/100 km.
Harald Weber vom VDMA-Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen verdeutlicht dazu: „Die ermittelten Effizienzklassen dienen einem Benchmarking und ermöglichen eine Vorauswahl durch den Kunden. Nicht zuletzt können durch die einheitliche Klassifikation Effizienzsteigerungen, auch gegenüber der Politik, klar kommuniziert werden.“ Darüber hinaus werde mit einer zweiten Messvorschrift in medias res gegangen, so Weber weiter.
Eine Spritzgießmaschine besteht aus einer Plastifiziereinheit in der Kunststoff geschmolzen und anschließend in ein Werkzeug zur Formgebung gepresst wird. Durch Entformen nach einem Abkühlprozess kann das Kunststoffteil dann entnommen werden. Für ein solches Werkzeug können Maschinenhersteller gemäß der Vorschrift Euromap 60.2 laut Weber Stromverbräuche der Antriebe, Heizelemente zum Kunststoffschmelzen sowie der Steuerung bestimmen. Dies diene der standardisierten Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von Spritzgießmaschinen für ein Kunststoffteil. Gleichzeitig beinhalte die Euromap eine Mess- und Dokumentationsvorschrift.
Helmut Heinson, Geschäftsführungsmitglied beim Maschinenhersteller Arburg aus Loßburg, sieht darin einen wichtigen Schritt: „Wir begrüßen, dass das Thema Energieeffizienz im Rahmen der Euromap 60 in den Fokus gerückt wird. Die Messung des Energiebedarfs von Spritzgießmaschinen ist ein erster Schritt, der Kunden mehr Transparenz bietet.“ Sein Unternehmen habe daher aktiv daran mitgearbeitet.
Die Bestimmung des Energiebedarfs sei allerdings vielschichtig. Pauschal belastbare Aussagen über den Energieverbrauch von Spritzgießmaschinen zu treffen sei daher schwierig. Heinson dazu: „Beispielsweise sind der Druck beim Zusammenpressen der beiden Hälften der Spritzgussformen und die Kühlzeit, die benötigt wird, die Kunststoffmasse abzukühlen, in einem gewissen Rahmen variabel, was einen direkten Vergleich erschwert.“ Hinzu komme die Vielfalt an Maschinentypen und Optionen.
Anwender der Arburg-Maschinen nutzten daher die Möglichkeit, den Energiebedarf ihrer Anwendung gemäß Euromap 60.2 zu messen und z. B. im Technikum des Unternehmens verschiedene Maschinen zu vergleichen. Damit ließe sich der Energiebedarf von Zylinderheizung, Antrieb oder Peripherietechnik aufschlüsseln.
Die thüringische Hasenthaler Kunststoffverarbeitung misst die Energieverbräuche seiner Maschinen zur Ermittlung der energieeffizientesten Spritzgießtechnik. Hierzu der Geschäftsführer Stefan Merkert: „Oberstes Ziel unseres ganzheitlichen Ansatzes lautet, Potenziale zur Kostenreduktion aufzudecken und uns vom Wettbewerb zu differenzieren.“ Hierzu hat das Unternehmen einen externen zertifizierten Energieberater engagiert. Dieser untersuchte zunächst den Energieeinsatz der rund 30 bestehenden Spritzgießmaschinen mit einem hydraulischen Antriebskonzept.
Bei einer weiteren messtechnisch gestützten Situationsanalyse lag der Fokus auf zwei neuen Spritzgießmaschinen mit hydraulischem sowie elektrischem Antriebskonzept zur Fertigung eines Teiles in der Automobilindustrie. Merkert dazu: „Durch die Messungen haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass man nicht einfach Maschinendatenblätter miteinander vergleichen kann. Der Energiebedarf unserer neuen elektrischen Spritzgießmaschine ist deutlich niedriger im Vergleich zum hydraulischen Vorgänger. Aber in der Praxis spielen offenbar auch Spritzteilgewicht, Zykluszeit, Material und Peripherie eine große Rolle.“
Bei Spritzgießmaschinen kristallisiert sich heraus, dass die Euromap 60 zwar nicht die pauschale Vergleichbarkeit der Energieeffizienz gewährt, wie sie z. B. bei Kühlschränken realisiert ist. Gleichzeitig liefert sie Anwendern hilfreiche Daten zur Beurteilung ihrer spezifischen Aufgabenstellungen.