Fahrradproduktion in Europa bekommt neuen Schwung
Immer mehr Hersteller fertigen wieder Fahrräder in Europa. Frischen Wind sollen Rahmen aus Kunststoff und die automatisierte Produktion bringen.
Der Fahrradmarkt in Europa boomt. Dafür sorgt nicht zuletzt eine gestiegene Nachfrage pedalelektrisch angetriebener Fahrräder, der sogenannten Pedelecs – im Volksmund auch E-Bikes. Gleichzeitig sind etablierte Lieferketten nach Fernost seit Beginn der Corona-Pandemie gestört bzw. Frachtkosten in die Höhe geschnellt. Warum also nicht wieder verstärkt in Europa und Deutschland produzieren? Tatsächlich ist dieser Trend deutlich zu erkennen. Immer mehr Fahrräder werden in Europa montiert. Aber auch Kapazitäten in der Teileproduktion werden ausgebaut.
Beispiele dafür gibt es inzwischen viele: Das US-Unternehmen Cannondale hat vergangenes Jahr seine Fertigung in den Niederlanden erweitert. Hersteller Puky, der seine Kinder-Laufräder von der Rahmenproduktion über das Lackieren bis hin zur Montage in Deutschland fertigen lässt, eröffnet in Polen ein zusätzliches Werk. Der niedersächsische Mountainbikespezialist Nicolai fertigt Rahmen auch selbst und produziert seine Fahrräder in Mehle. Gerade beim Rahmenmaterial Aluminium ist das ein Ausnahmefall.
Die in Europa produzierten Fahrradrahmen kommen aktuell vor allem aus Portugal. Dort wurden in den vergangenen Jahren mit EU-Subventionen Fertigungsanlagen gebaut, in denen 2020 bereits 2,7 Millionen Rahmen hergestellt wurden. 2022 sollen es deutlich mehr werden. Auch eine Fertigung von Carbonrahmen läuft dort an. Abnehmer kommen vor allem aus Spanien, Frankreich und Deutschland. Seit 2018 lässt beispielsweise Riese & Müller einen Teil seiner Rahmen in Portugal fertigen. Werke sind in den vergangenen Monaten zudem in Bulgarien, Ungarn oder Polen entstanden. Teilweise erfolgte das mit Unterstützung asiatischer Hersteller, die sich dank lokaler Fördergelder im europäischen Markt etablieren wollen.
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Fahrradrahmen aus Kunststoff bieten neue Ansätze für die effiziente Massenproduktion
Von einem „massiven Re-shoring“, spricht Pedelec-Experte Hannes Neupert, 1. Vorsitzender des Vereins Extra Energy, der sich mit Fahrrädern und leichten Elektrofahrzeugen beschäftigt. Ansätze dafür sieht er dabei zunehmend in Bereich der Rahmenfertigung aus Kunststoffen. „Da fällt das Produkt dann quasi gebrauchsfertig aus der Maschine“, hebt er hervor. Das aufwendige Verschweißen von Rohrelementen entfalle. Bereits in wenigen Jahren werden nach Neuperts Einschätzung 80 % der Fahrräder aus Kunststoffspritzguss hergestellt. Preislich, funktionell, ökologisch und hinsichtlich der Funktionsintegration, sieht er aktuell keine bessere Lösung. Dabei denkt er nicht nur an Fahrradrahmen, sondern auch an die Serienfertigung der Laufräder aus Kunststoff. Die additive Fertigung werde laut Neupert dagegen eher teuren Einzelanfertigungen vorbehalten bleiben.
Doch was macht den Branchenkenner so sicher, dass spritzgegossene Kunststoffrahmen den Massenmarkt bei Fahrrädern und Pedelecs erobern? „Volvo hatte damals die richtige Idee, aber zur falschen Zeit. Die hatten damals noch nicht das richtige Material dafür“, attestiert Neupert dem ersten serienmäßigen Spritzgussfahrrad namens Itera aus den 1980er-Jahren. Dadurch fehlte dem Fahrrad die Steifigkeit. Inzwischen sieht der Experte erfreuliche Fortschritte bei der Produktion von Modellen aus Kunststoff. Aktuelle Ansätze der Produktion von Fahrrädern und Pedelecs aus Plastik verfolgen unter anderem die Unternehmen CIP Mobility GmbH, Igus sowie Plastic Innovation zusammen mit V Frames.
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