Aus den Unternehmen 29. Jun 2018 Von Kathleen Spilok Lesezeit: ca. 4 Minuten

Familienunternehmen Lapp: Ein Kabel für jede Gelegenheit

Mit einem Kabel fing bei Lapp in Stuttgart alles an. Inzwischen verbindet das Familienunternehmen vieles, was Strom und Daten benötigt.

Matthias Lapp führt den Stuttgarter Kabel- und Verbindungsspezialisten inzwischen in der dritten Generation.
Foto: M. Ciupek

Abwickeln, aufwickeln, abwickeln, aufwickeln. In der Kabelfertigung beim Stuttgarter Kabelhersteller Lapp stampfen, dröhnen und poltern riesige Maschinen. Sie ziehen mit viel Kraft und Getöse Drähte glatt, isolie-   ren, verdrillen, verflechten und ummanteln schließlich. Zwischen zwei und zehn Stunden dauert es, bis aus haarfeinen Kupferfäden erst dünne Kabelbündel, dann daumendicke Industriekabel werden. Kabel der Lapp-Unternehmensgruppe stecken in Fabriken, Werkzeugmaschinen, Dreh-Fräswerkzeugen. Aber auch in Achterbahnen, Riesenrädern oder im Teleskop auf der Kanareninsel Teneriffa. Kabel sind heute so etwas wie die Nervenstränge der Industrienationen. Sie transportieren Energie genauso wie Daten und bringen Maschinen in Bewegung. Sie müssen stärksten Beanspruchungen standhalten. Torsionen, Wechselbiegen, hohe oder niedrige Temperaturen, ölverschmierte Umgebungen – das Kabel muss alles mitmachen.

Oskar Lapp entwarf die erste Produktion in der Garage

Elf knapp mannshohe und mehrere Tonnen schwere Kabelrollen stehen am Ende der Produktionshalle. Zweimal am Tag fährt ein vollbeladener Lkw die Kabel ins Logistikzentrum in Ludwigsburg. Der Mittelständler fertigt am Stammsitz in Stuttgart-Vaihingen 1700 km sogenannte Ölflexkabel pro Monat, 20 400 km im Jahr. Ölflex ist der Markenname für das erste industriell produzierte Kabel. Oskar Lapp hat es vor 61 Jahren erfunden. Bis dahin waren Kabel kaum biegsam. Die einzelnen Adern waren nur zuzuordnen, wenn man die Enden elektrisch durchprüfte. Denn sie waren gleichfarbig. Das wollte Oskar Lapp besser machen. Er entwarf in der Garage der Familie eine Produktion. Seine Kabel hatten farbige Adern, die er verseilte – also ineinander verdrehte. Die Verseilung macht die Kabel flexibel, ein Kunststoffmantel macht sie ölbeständig. Das Ölflexkabel ist bis heute Lapps Kernprodukt. In den 60er-Jahren ist die Produktion von der Garage ins Gewerbegebiet in Vaihingen gezogen. Das Unternehmen hat dort heute vier große Gebäude.

Lesetipp: Für Lapp gibt es rund ums Kabel noch signifikantes Innovationspotenzial

Traditionen bewahren und gleichzeitig die Zukunft im Blick haben. So lässt sich Lapps Motto beschreiben. Die Kinder der Firmengründer Oskar und seiner Frau, Ursula Lapp, spielten schon zwischen den Kabeltrommeln. Später nahmen sie Führungspositionen im Unternehmen ein. Vor einem Jahr hat einer der Enkel, Matthias Lapp, die Geschäftsführung für Europa, Südamerika, Afrika und den Nahen Osten übernommen. Er ist Betriebswirt mit gutem Gespür für Technik, wie der 35-Jährige von sich selbst sagt.

Familie Lapp hat Verantwortung früh an die nächste Generation übergeben

Die Lapps waren sich einig, die Unternehmensverantwortung schon früh an die junge Generation zu übergeben. Auch die Belegschaft reagiert positiv auf den anderen Stil, den der junge Lapp pflegt. Auf Leute zugehen, Dialog und Feedback sind ihm wichtig. Und anders als sein Vater trägt er sehr selten eine Krawatte. Auch noch in der dritten Generation pflegen die Lapps Traditionen. „Legendär sind die Weihnachtsfeiern bei meiner Oma im Stammhaus der Familie, zu der auch die Führungskräfte eingeladen werden“, berichtet der Lapp-Chef.

Das Familienunternehmen Lapp fertigt am Stammsitz in Stuttgart-‧Vaihingen pro Monat 1700 km (Stand: 2018) ölbeständige Kabel. Immer öfter werden sie einbaufertig ausgeliefert. Foto: K. Spilok

Was aus den Kabeln alles werden kann, zeigt sich im Stockwerk über der Kabelproduktion, in der Konfektionierung. Dort werden sie mit verschiedenen Steckern, Verschraubungen, Schleppketten, Automatisierungskomponenten, Netzwerkverbindungen ausgestattet. Kabel werden zugeschnitten, Adern freigelegt, Hülsen aufgeschoben, Stecker angeschlossen, geprüft. Gleich aufgebaute Konfektionierungsabteilungen gibt es zudem in Tschechien, Schweden, Finnland, Polen, China und neuerdings in Singapur und in den USA. „Weite Transporte kosten zu viel Zeit“, erklärt der Geschäftsführer.

Konfektionierte Ladekabel für Elektroautohersteller

Lapp konfektioniert z. B. Ladekabel für Elektroautos, etwa für BMW, Hyundai oder Renault. Zwischen 300 und 600 Ladesysteme für Elektrofahrzeuge verlassen pro Woche das Werk. „Wir sehen uns inzwischen nicht nur als Kabelhersteller, sondern als Anbieter von Verbindungslösungen“, betont Matthias Lapp. Warum? Maschinenbauer wollen nicht einfach nur ein Kabel kaufen. Sie wollen eine Anlage anschließen, wollen dass der Motor mit Strom versorgt wird, dass Daten übertragen werden.

Die Zahl elektrischer Verbindungen wächst exponentiell. Immer häufiger wird elektrisch angetrieben. Durch Industrie 4.0 wird mehr verkabelt, um Maschinen und Sensoren zu vernetzen. Vor allem Steckverbindungen haben ein hohes Wachstumspotenzial. Denn Maschinen werden zunehmend modular aufgebaut, Verbindungen müssen schnell gelöst und wieder geschlossen werden. Fest verdrahtet wird kaum noch.

Aber: Was passiert mit dem Kabelgeschäft, wenn immer mehr drahtlos läuft? „Wir werden auch in Richtung drahtlos gehen“, versichert Lapp. Drahtloslösungen wurden schon umgesetzt, bei Kunden, die das wollten. Eine disruptive Entwicklung sehen die Stuttgarter darin nicht. Drahtlose Datenverbindungen seien für die meisten Maschinen nicht sinnvoll. Es ist z. B. aufwendig und teuer, eine sichere Drahtlosverbindung so hinzubekommen, dass die Maschine in Echtzeit läuft und im Notfall sofort stehenbleibt, weiß man bei Lapp.

Maschinen- und Anlagenbau ist wichtigste Abnehmerbranche für den Kabelspezialisten

Die wichtigste Branche für das Unternehmen ist nach wie vor der klassische Maschinen- und Anlagenbau. Dennoch unterstreicht der Geschäftsführer: „Lapp lebt von ständiger Innovation.“ Der Kabelspezialist ist ins Geschäftsfeld Schienenfahrzeuge eingestiegen. Hat über den Standort Korea den Hoch­geschwindigkeitszug in Pjöngchang verkabelt. Außerdem sieht Lapp große Wachstumschancen in der Getränke- und Lebensmittelindustrie. Der Grund: Mit der wachsenden Weltbevölkerung werden Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln zunehmend industrialisiert.

Lesen Sie auch das Unternehmensporträt: Kleine Antriebe zeigen große Wirkung

Ein großes Thema am Standort Stuttgart ist die schlechte Verkehrsinfrastruktur, Staus gehören zum Alltag für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten. Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Mitarbeiterzahl im gesamten Gewerbegebiet wird von aktuell 23.000 auf 34.000 steigen. Denn mehrere große Ansiedlungen stehen bevor. „Da tut das Land und die Stadt nicht schnell genug etwas dagegen“, bemängelt der Lapp-Chef. Aber egal wie – Lapp ist ein beliebter Arbeitgeber in Stuttgart. „Die Fluktuation ist sehr gering, selbst in China liegt sie unter 5 Prozent,“ weiß Lapp.

Familie Lapp setzt auf Kontinuität

Kontinuität ist ein Wort, das bei Lapp häufig fällt. So auch bei den Märkten. 70 % des Gesamtumsatzes verdient Lapp in Europa, Deutschland ist nach wie vor der größte Markt. Als neuer CEO des schwäbischen Kabelherstellers hat Matthias Lapp ehrgeizige Ziele: Vater und Onkel haben vor 30 Jahren bei 100 Mio. DM Umsatz angefangen. Momentan steht Lapp bei etwas über 1 Mrd. €. „Mein Onkel Andreas hat zu mir gesagt: Jetzt fängst du bei 1 an und steigerst auf 2, 3, 4 Mrd., die Ambitionen wachsen“, berichtet er.

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