Folge des Kriegs in der Ukraine: Deutsche Industrie setzt neue Prioritäten
Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine – die deutsche Industrie steht vor einem Wandel. Das zeigen Statements der großen Industrieverbände BDI und VDMA.
BDI-Präsident Siegfried Russwurm ist ein Mann deutlicher Worte: „Gewissheiten sind zerstört, Pläne durchkreuzt, Prinzipien erschüttert. Die Welt ist in schweren Turbulenzen. Und auch unser Land befindet sich mitten in massiven Herausforderungen“, sagte er kürzlich und bezog sich dabei insbesondere auf den inzwischen ein Jahr andauernden Angriffskrieg Russlands. Stellvertretend für die deutsche Industrie nannte er darüber hinaus eine Fülle an Krisen, wie sie seine Generation noch nicht erlebt habe. Dazu zählt er auch die unübersichtliche Lage im Nahen Osten, die Spannungen zwischen China und den USA sowie die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise in unterschiedlichen Regionen der Welt.
Für BDI-Präsident Siegfried Russwurm geht es um die Werte der Demokratie
Zum Krieg bezieht der BDI-Präsident eine klare Position: „Wir stehen fest an der Seite der Ukraine.“ Die deutsche Industrie verurteile den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands und habe sehr entschieden Konsequenzen gezogen. Unternehmen haben beispielsweise kurz nach Kriegsbeginn Aktivitäten in Russland beendet und sich hinter die Sanktionsmaßnahmen gestellt.
Nach Auffassung Russwurms verteidigten die Menschen in der Ukraine nicht nur das eigene Territorium, sondern auch die Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Freiheit. Für die Sicherheit Europas sei eine entschiedene Abwehr der russischen Aggression deshalb zwingend notwendig. „Wir müssen endlich anfangen, mehr in unsere Sicherheit zu investieren. Die Zeitenwende muss gelebt und nicht zerredet werden“, fordert der BDI-Präsident.
Mehr Aufmerksamkeit für Rüstung und Raumfahrt
Damit ist auch die Rüstungspolitik und die damit verbundene Industrie gemeint. Jetzt gelte es die Mittel aus dem von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Sondervermögen endlich konkret zu beplanen und zügig einzusetzen. Die Bundeswehr müsse nun adäquat ausgerüstet werden, um den Bündnispflichten und internationalen Erfordernissen zu entsprechen. Dazu sei eine kluge und langfristige Beschaffungspolitik nötig. Anders ausgedrückt: „Bundeswehr und Industrie brauchen Planungssicherheit.“
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Weiterhin drängend bleiben für die deutsche Industrie Themen wie Gasverfügbarkeit, Umbau der Stromerzeugung und Netzausbau. „Und im größeren Kontext gehören hier selbstverständlich auch alle Themen einer höheren Resilienz und größeren Unabhängigkeit von einzelnen Rohstofflieferanten dazu“, hebt Russwurm mit Blick auf die allgemeine geopolitische Situation hervor. Auch die Innovations- und Technologiepolitik ist nach seiner Auffassung wichtig für ein handlungsfähiges, widerstandsfähiges Europa. Er verweist auch auf Zukunftstechnologien in der Raumfahrt: „Ohne den Einsatz westlicher Aufklärungs- und Erdbeobachtungssatelliten oder des Starlink-Satellitensystems würde es die Ukraine möglicherweise bereits nicht mehr geben.“
Maschinen- und Anlagenbau diversifiziert Lieferketten
Wie sich die aktuelle Situation auf den Maschinen- und Anlagenbau auswirkt, macht Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer vom Branchenverband VDMA, deutlich: „Zeitenwende heißt auch, dass viele Unternehmen versuchen, ihre Lieferantenstruktur breiter und damit resilienter aufzustellen.“ Die Branche habe in der Hinsicht allerdings schon vor dem Krieg umsteuern müssen, insbesondere als Folge der Corona-Pandemie mit ihren heftigen Störungen der globalen Lieferketten. Darüber hinaus verweist auch er auf die aktuellen geopolitischen Spannungen. „Sofern der Absatzmarkt es rechtfertigt, wird auch der Auf- bzw. Ausbau einer eigenen Produktion geprüft“, erklärt Brodtmann mit Blick auf die Versorgungssicherheit in den verschiedenen Regionen. Eine breite Welle von Produktionsverlagerungen sei aber nicht zu erwarten.
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