Hemmnisse bei der Umsetzung von 5G in der Industrie überwinden
Der Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G) kann Industrie 4.0 auf eine neue Ebene heben. Doch zunächst gilt es Zweifel am individuellen Nutzen auszuräumen. Dafür soll ein Impulsbeitrag renommierter Wissenschaftler der Acatech nun sorgen.
Hohe Investitionskosten und Zweifel am individuellen Nutzen bremsen viele Industrie-4.0-Projekte aus. Das gilt auch für den Einsatz der Mobilfunkgeneration 5G in Fabriken. Gerade kleine und mittlere Industrieunternehmen zögern nach Ansicht der Acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) noch, die Technologie einzusetzen. Eine Projektgruppe um Acatech-Mitglied Jürgen Fleischer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat deshalb im neuen Acatech-Impuls „5G in der Industrie“ wichtige Argumente festgehalten und will damit dazu beitragen, eine Lawine an praxisgerechten Anwendungen auszulösen.
Hintergrund: Seit rund zehn Jahren gibt es in Deutschland die Digitalisierungsstrategie Industrie 4.0. Mit dem Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G) kann sie nach Ansicht der Herausgeber auf eine neue Ebene gebracht werden. Sie machen das an einem Beispiel deutlich: Die Analyse der Echtzeitarbeitssituation eines Industrieroboters aus der Ferne funktioniert am besten mithilfe einer Virtual-Reality-Anwendung. Diese sei jedoch in ausreichender Qualität nur mit 5G technisch realisierbar. Darüber hinaus vereinfache 5G die Vernetzung von Geräten und Maschinen und damit die Erfassung von Daten und ihre Auswertung mithilfe von Künstlicher Intelligenz.
Finanziell sind Projekte bisher schwer zu bewerten
Fleischer sagt dazu: „5G zeichnet sich durch bisher nicht bekannte Reaktionszeiten, übertragbare Datenmengen und hochgenaue Lokalisierung aus. Diese Vorteile sind heute unzureichend transparent, sodass Industrieunternehmen nicht in der Lage sind, entsprechende Use Cases zu entwickeln und diese auch finanziell zu bewerten. Deshalb muss das Ziel sein, 5G-Anbieter und industrielle Anwendungsdomänen gezielt zusammenzubringen, um dieses enorme Potenzial heben zu können.“ Fleischer ist Leiter des Instituts für Produktionstechnik (wbk) am KIT und Mitherausgeber der Acatech-Publikation „5G in der Industrie“.
Nach Einschätzung der Experten würden zwar bereits Anwendungsfälle in verschiedenen Veröffentlichungen beschrieben, jedoch lediglich auf abstrakter Ebene. Die auftretenden Hemmnisse und Hürden, die für eine erfolgreiche Implementierung von 5G überwunden werden müssen, blieben jedoch bisher unberücksichtigt.
Wachsende Datenmengen erfordern digitale Souveränität
Zunächst macht die Publikation jedoch deutlich, warum 5G künftig für Unternehmen, aber auch für die Industriepolitik eine zentrale Rolle spielen wird. Denn mit der zunehmenden Digitalisierung im Maschinen- und Anlagenbau werde die Menge an generierten Daten wachsen. Es wird davon ausgegangen, dass Mitarbeitende in Zukunft bis zu 1,5 Gigabyte Daten pro Tag an ihrem Arbeitsplatz generieren werden, Maschinenanwendungen sogar bis zu vier Terabyte. Den hohen Datendurchsatz und die damit verbundenen Themen von Industrie 4.0 unternehmensübergreifend zu realisieren, werde nun durch 5G möglich.
Für das Team um den Produktionsexperten Fleischer geht es in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung über die technische Basis hinaus. Denn 5G sei für Unternehmen auch von zentraler Bedeutung, um digitale Souveränität zu erlangen. In dem Impulspapier heißt es dazu: „Nachdem 5G einen elementaren Teil der Kommunikationsinfrastruktur ausmacht, ist 5G essenziell, um auf Ebene 2 Souveränität zu erlangen.“ Auf der Technologie könnten schließlich weiterreichende Geschäftsmodelle aufbauen. Deshalb sei 5G auch relevant für darüberliegende Schichten. Höhere Ebenen würden beispielsweise Geschäftsmodelle umfassen wie Infrastructure-as-a-Service (Ebene 3) und Platform-as-a-Service ( Ebene 4). Weil 5G zudem Potenziale für die unternehmensübergreifende Vernetzung biete, sei die Technologie darüber hinaus ein wichtiger Baustein für die Schaffung europäischer Datenräume (Ebene 5) und die Entwicklung von Software zur Auswertung dieser Daten (Ebene 6).
Folgende Hemmnisse auf der Kostenseite gilt es zu überwinden
Um davon profitieren zu können, gelte es jedoch zunächst Hemmnisse zu überwinden, insbesondere auf der Kostenseite. Unmittelbare Kosten entstehen laut dem Impulspapier z. B. durch die derzeit enormen Hardwarekosten für 5G-fähige Produktbestandteile. Gleiches gelte für die Inbetriebnahme und den Betrieb von firmeneigenen Campusnetzwerken – wodurch 5G-basierte Produktionsansätze in vielen Fällen nicht rentabel seien. Auch Regulierungsaspekte führten durch Zertifizierungen beziehungsweise erforderliche Anpassungen an internationale Märkte zu zusätzlichen Kosten. Zusätzliche finanzielle Aufwände seien zudem durch Qualifikationsmaßnahmen für die Mitarbeitenden zu erwarten. Auch Probleme durch Produktionsausfälle sowie entsprechende Haftungsansprüche listet das Papier auf.
„Damit diese Kosten gesenkt werden und der Einsatz von 5G wirtschaftlicher wird, muss an unterschiedlichen Stellen geforscht werden, zum Beispiel an der Zuverlässigkeit und Leistungserfüllung in konkreten Szenarien, insbesondere im Kontext von Industrie 4.0 und smarten Produkten“, heißt es. Daneben sei die Entwicklung von Strategien essenziell, um das Klumpenrisiko von 5G-Netzen im industriellen Bereich zu beherrschen. Hinsichtlich der Regulierungsfragen sei es notwendig, Möglichkeiten zum internationalen Einsatz von 5G-Lösungen zu identifizieren.
Hausaufgaben für Entscheider in Unternehmen und Politik
Das Fazit lautet: Um von den Chancen durch 5G profitieren zu können, gelte es die Technologie im Kontext von Industrie 4.0 zu verstehen und anzuwenden. Für Unternehmen bestünden bereits Ansätze, um die Unsicherheit bei der Integration von 5G zu überwinden. Das Impulspapier empfiehlt hierzu eine ganzheitliche wirtschaftliche Betrachtung auf strategischer Unternehmensebene. Das Management sollte dabei Perspektiven der Beschäftigten frühzeitig einbeziehen und sich auf den konkreten Nutzen der neuen Technologie für das eigene Unternehmen fokussieren, um diesen sichtbar zu machen. Auch unternehmensübergreifende Kooperationen werden empfohlen. Gleichzeitig sollten die Voraussetzungen auf politischer Ebene verbessert werden. Dann könne 5G einen Beitrag nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern auch für eine starke Position des deutschen Standorts leisten.