Maschinenbau: Verfügbarkeit von Arbeitskräften wird zum Standortfaktor
Obwohl für 2023 ein Produktionsrückgang im deutschen Maschinen- und Anlagenbau erwartet wird, sind Unternehmen laut Branchenverband VDMA weiter auf der Suche nach Fachkräften.
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist gut ins Jahr 2023 gestartet. Der Branchenverband VDMA erwartet in seiner Produktionsprognose aber für das Gesamtjahr real ein Minus von 2 % gegenüber dem Vorjahr. 2022 hatte die Branche mit einem realen Produktionszuwachs von 0,5 % abgeschlossen. In den ersten beiden Monaten 2023 wurde noch ein preisbereinigtes Produktionsplus von 3,2 % erreicht. „Weniger gut sieht es beim Auftragseingang aus“, erklärte VDMA-Präsident Karl Haeusgen zum Auftakt der Hannover Messe. Im Januar und Februar gingen die Bestellungen demnach gegenüber dem Vorjahr kumuliert um real 17 % zurück. Gestützt werde die Produktion derzeit von einem Auftragsbestand, der für 11,6 Monate reiche.
Erfreulich ist für Haeusgen, dass die Engpässe durch gestörte Lieferketten zurückgegangen sind. „Der Höhepunkt der Knappheit war im Juni 2022, als 87 % der Unternehmen merkliche oder gravierende Schwierigkeiten meldeten“, stellte er fest. Im März war das nur noch bei 57 % der Unternehmen ein Thema. Aufgrund weiter bestehender Versorgungslücken, vor allem bei Elektronikkomponenten, bleibe die Lage schwierig. Der VDMA rechne aber in den kommenden Monaten mit einer weiteren Entspannung.
Maschinenbau bleibt größter industrieller Arbeitgeber
Positiv bewertete Haeusgen, dass der Maschinen- und Anlagenbau an seinen Beschäftigten festhält und sogar weiter einstellt. Die Branche verzeichnete 2022 ein Plus von 1,1 % gegenüber dem Vorjahr und kommt damit auf eine Beschäftigtenzahl von 1,018 Millionen. „Wir sind unverändert größter industrieller Arbeitgeber im Land. Viele Unternehmen hätten gern noch mehr Personal eingestellt, werden aber durch die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt gebremst“, erklärte der VDMA-Präsident.
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Seit 2021 hätten sich die Engpässe bei Fachkräften kontinuierlich verschärft. Jeder zweite Betrieb gehe von weiterer Verschärfung aus, nur 5 % rechneten mit einer Entspannung. Dabei wachse das Stellenangebot für Nachwuchskräfte weiter, insbesondere bei gewerblich-technischen Ausbildungsplätzen. Der VDMA-Präsident warnte: „Die Situation auf dem Arbeitsmarkt kann uns nicht zufriedenstellen, hier findet ein intensiver Standortwettbewerb zwischen vielen Ländern statt.“
Standortdebatte: Deutschland und Europa müssen sich anstrengen
Zur Standortdebatte sagte Haeusgen: „Wir stehen mitten in einer neuen, intensiven Standortdebatte, die wir mit großer Offenheit führen sollten.“ Gleichzeitig stellte er fest: „Es gibt derzeit keine breite Verlagerungsdebatte.“ Der VDMA-Präsident begründete das auch damit, dass der Maschinen- und Anlagenbau nicht so energieintensiv ist wie andere Branchen. Im Vergleich zu den vom Industrieverband BDI vertretenen Unternehmen sei der Fokus dabei enger. Im Maschinenbau sei eher eine gewisse Standorttreue vorhanden. Dennoch müssten sich Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb mehr anstrengen, um mit anderen Weltregionen mithalten zu können.
„Mit einer Politik, die die Industrie mit Regulierungen überhäuft und eben nicht auf unternehmerische Freiheit im Wettbewerb setzt, können wir nicht zufrieden sein“, mahnte Haeusgen. Als Beispiele nannte er unter anderem die fehlende Debatte über verlängerte Wochen- und Lebensarbeitszeiten sowie den Abbau von überflüssigen Subventionen.
Darüber hinaus hob Haeusgen die Bedeutung von Freihandelsabkommen mit den wichtigsten Handelspartnern hervor. Grundsätzlich sei es wichtig, dass soziale und Umweltstandards nach europäischer Vorstellung darin enthalten sind, aber es sei eine Frage des richtigen Maßes. „Wenn die EU ihre Standards ohne Abstriche festschreiben will, dann werden wir keine Länder mehr finden, die mit uns verhandeln wollen. Ein Freihandelsabkommen ist immer auch ein Interessensausgleich“, machte er deutlich.
Maschinenbau treibt Digitalisierung weiter voran
Weltweit stehen Produkte des Maschinen- und Anlagenbaus im Zentrum industrieller Produktionsprozesse. Das gelte nun auch für die datenbasierte Wertschöpfung rund um die industrielle Produktion. Deshalb engagiere sich der VDMA bei der Entwicklung der „Weltsprache der Produktion“ OPC UA sowie für die durchgängige Nutzung digitaler Zwillinge in der Industrial Digital Twin Association. Der nächste Schritt sei nun der Aufbau eines föderativen Datenökosystems unter dem Namen Manufacturing-X, als offener und souveräner Datenraum. Details werden in diesen Tagen gemeinsam mit dem Partnerverband ZVEI in Hannover vorgestellt.