Maschinenbauer in der Herbstdepression
Ob Konjunkturerwartung, Umsatzprognosen oder Kapazitätsauslastung – alle wichtigen Kennzahlen zeugen von einer weiteren Negativentwicklung im deutschen Maschinenbau.
Insgesamt sechs von zehn befragten Entscheidungsträgern im Maschinen- und Anlagenbau erwarten eine Abwärtsbewegung der deutschen Konjunktur in den nächsten zwölf Monaten – ein Negativrekord aller bisherigen Erhebungswellen seit 2014. Dies geht aus dem aktuellen „Maschinenbau-Barometer“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. Der Anteil der Pessimisten ist demnach in den letzten drei Monaten um über 20 Prozentpunkte gestiegen und hat inzwischen sogar die Höchstwerte zu Beginn des Jahres überholt.
Strukturelle Probleme
Auch mit Blick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft ist die Skepsis wieder deutlich gestiegen. Fast jeder Dritte ist pessimistisch, während der größte Anteil noch unentschlossen in dieser Frage ist. „Vermutlich spielen globale Risiken wie Krisenherde und Handelskonflikte hier eine große Rolle“, sagt Bernd Jung, Leiter der Praxisgruppe Industrial Manufacturing bei PwC Deutschland und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. „Dass die Manager allerdings gegenwärtig finsterer auf die kommenden Monate blicken als zur Zeit der Coronapandemie, lässt sich mit der geopolitischen Großwetterlage allein kaum erklären.“ Vielmehr habe die Branche strukturelle Probleme. Verantwortlich dafür: „Standortfaktoren, Produktionsrückgang und Innovationshemmnisse bei Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.“
Branche erwartet weiteren Umsatzrückgang
Auch die Umsatzprognose für die Gesamtbranche haben die Befragten im Vergleich zum Vorquartal wieder nach unten angepasst. Der Durchschnittswert für das geschätzte Wachstum im Jahr 2024 liegt bei –4 %. Dies ist nun das sechste Quartal in Folge, in dem die Entscheider von einem Schrumpfen der Branche ausgehen. Der Trend hat sich ebenso verfestigt wie die negative Wachstumsprognose für das jeweils eigene Unternehmen. Hier wirkt der Wert von –0,2 % auf den ersten Blick weniger dramatisch, er weicht allerdings über zwei Prozentpunkte von dem Durchschnittswert aller Befragungswellen seit Erhebungsbeginn 2014 ab.
Kapazitätsauslastung nur bei 84,1 %
Die Konjunktursorgen vieler Unternehmen korrespondieren mit einer unterdurchschnittlichen Kapazitätsauslastung von 84,1 %, was einer Abnahme gegenüber dem Vorquartal von 1,5 Prozentpunkten entspricht. Lediglich weniger als ein Drittel der befragten Unternehmen operiert noch nahe am Auslastungslimit – ein historischer Tiefstwert, der nur in der Lockdown-Phase der Coronapandemie unterboten wurde. „Negative Prognosen resultieren aus der gebremsten Produktivität und sind auch Ausdruck einer tiefer sitzenden Zukunftsangst“, beobachtet Jung. „Diese kann sich lähmend auf den Innovationsmotor Maschinenbau auswirken. Tatsächlich sehen wir erste Indizien dafür. Gerade einmal 16 % wollen zurzeit ihre Investitionen steigern, sechs Prozentpunkte weniger als im Langzeitmittel.“
Regulierung zählt zu den größten Wachstumshindernissen
Diese gebremste Investitionsbereitschaft ist vor allem steigenden Energie- und Personalkosten für die Unternehmen geschuldet. 83 % der befragten Entscheidungsträger geben an, dass der steigende Kostendruck ein Wachstumshindernis für sie darstelle. Darüber hinaus blicken zwei von drei Entscheidern sehr skeptisch auf das Regulierungsumfeld. Inzwischen zählt Regulierung sogar zu den drei häufigsten Wachstumshindernissen für den Maschinenbau. In den letzten fünf Jahren hat sich der Anteil der Regulierungskritiker unter den Befragten mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: Den Klimawandel sehen gerade einmal 22 % als Wachstumshindernis.
Nachhaltigkeitsstrategien fehlen noch zu oft
Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social and Governance) entwickeln in der Branche weiterhin zu wenig Dynamik. Zwar gibt die Mehrheit der Entscheider an, eine Umweltstrategie zu verfolgen und weitere Prioritäten auf Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit zu legen, allerdings sieht sich immerhin noch ein Drittel von ihnen nur unzureichend auf künftige Anforderungen seitens der Regulatoren vorbereitet. Ihr Anteil hat gegenüber dem Vorjahr sogar um 15 Prozentpunkte zugelegt. Dieses Ergebnis ist wenig überraschend vor dem Hintergrund, dass leicht weniger als ein Drittel der Unternehmen eine Nachhaltigkeitsroadmap definiert hat und lediglich 15 % einen standardisierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. „Zu viele Unternehmen tendieren immer noch dazu, eigens entwickelte KPIs zu verfolgen, anstatt sich an wissenschaftlichen Bezugsrahmen zu orientieren. Kurz gesagt: Eigenregie dominiert empirische Evidenz. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen drohen von den Kosten und Aufwänden der Vorgaben geradezu erdrückt zu werden. Dabei sollte Nachhaltigkeit mehr Geschäftschancen kreieren als verhindern“, sagt Jung.