Automobilbau 15. Jun 2023 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 3 Minuten

Mercedes-Benz setzt auf Stahl aus Direktreduktion

Die Stuttgarter beabsichtigen, jährlich über 200 000 t CO2-reduziertem Stahl aus Europa in ihren Presswerken zu verarbeiten. Lieferanten sollen sein: Salzgitter, Thyssenkrupp Steel, Voestalpine, Arvedi sowie SSAB und H2 Green Steel.

Der CO2-reduzierte Stahl wird bei Mercedes Benz vor allem im Karosseriebau eingesetzt.
Foto: Mercedes-Benz Group AG

Mercedes-Benz folgt bei seinen Klimaschutzmaßnahmen einem klaren Ziel: Vermeidung und Reduktion von CO2-Emissionen vor Kompensation. In diesem Kontext strebt das Unternehmen noch in dieser Dekade den Bezug von jährlich über 200 000 t CO2-reduziertem Stahl von europäischen Lieferanten für seine Presswerke an. Der Aufbau der nachhaltigen Stahllieferkette in Europa dient als Blaupause für weitere Regionen. Stahl macht bis zu 20 % der gesamten CO2-Emissionen in der Herstellung eines Elektrofahrzeugs aus. Mit den Lieferantenvereinbarungen nähert sich Mercedes-Benz konsequent den ehrgeizigen Klimaschutzzielen seiner „Ambition 2039“: Bis spätestens 2030 will Mercedes-Benz Cars die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Pkw in der Neufahrzeugflotte im Vergleich zum Jahr 2020 mindestens halbieren, und zwar über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Rohstoffbeschaffung über die Nutzung bis zum Recycling.

„Damit setzen wir ein wichtiges Signal für die Transformation der europäischen Stahlindustrie“, erklärt Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG, Chief Technology Officer, verantwortlich für Entwicklung und Einkauf.

Wie entsteht CO2-reduzierter Stahl?

Bei der klassischen Primärstahlerzeugung über die Hochofenroute entstehen bei der Herstellung von 1 t Stahl im Schnitt mehr als 2 t CO2. Diese Emissionen können verringert werden, wenn statt der koksbasierten Hochofenherstellung das Direktreduktionsverfahren mit dem Elektrostahlverfahren kombiniert wird. Im erdgasbasierten Direktreduktionsverfahren lösen Kohlenmonoxid und Wasserstoff den Sauerstoff aus dem Eisenerz. In einem Elektrolichtbogenofen (Electric Arc Furnace, EAF) wird das direktreduzierte Eisen zusammen mit Stahlschrott direkt zu Stahl geschmolzen. Werden bei der Direktreduktion grüner Wasserstoff statt Erdgas und erneuerbare Energien für den Betrieb des Elektrolichtbogenofens genutzt, lassen sich die Emissionen weiter senken – es entsteht nahezu CO2-frei hergestellter Stahl.

Thyssenkrupp will ab 2026 liefern

Mercedes-Benz und Thyssenkrupp Steel haben eine Absichtserklärung für den Bezug von CO2-reduziertem Stahl unterschrieben. Die beiden Unternehmen haben sich darauf verständigt, dass der gesamte Produktionsprozess der CO2-reduzierten Stahlprodukte künftig über Direktreduktionsanlagen in Verbindung mit innovativen Einschmelzaggregaten nahezu CO2-frei erfolgen soll – vorbehaltlich der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Die erste Direktreduktionsanlage will Thyssenkrupp 2026 in Betrieb nehmen und daraufhin Mercedes-Benz beliefern.

Salzgitter liefert schon CO2-reduzierten Stahl

Mercedes-Benz bezieht bereits heute CO2-reduzierten Flachstahl der Salzgitter Flachstahl GmbH. Dieser wird zu 100 % aus Schrott im Elektrolichtbogenofen hergestellt. Damit lassen sich die CO2-Emissionen für die jeweiligen Stahlgüten um mehr als 60 % gegenüber der konventionellen Hochofenroute reduzieren. Mercedes-Benz und Salzgitter haben sich zudem in einer Absichtserklärung auf den Bezug von mit Grünstrom hergestellten Stahlprodukten geeinigt, wodurch sich das Einsparpotenzial weiter auf mehr als 75 % erhöht. Ab 2026 will Salzgitter Flachstahl die Mercedes-Benz Werke zudem mit CO2-reduziertem Stahl beliefern, der mittels einer Kombination von Direktreduktionsverfahren und Elektrolichtbogenofen hergestellt wird.

Lesetipp: Salzgitter bestellt bei Siemens neues Umspannwerk für die Direktreduktion

Auch von seinem italienischen Stahlpartner Arvedi bezieht Mercedes-Benz schon heute CO2-reduzierten Stahl. Arvedi hat seine Produktion dafür zum Teil auf Grünstrom umstellt. Die Partner streben an, die Liefermengen an CO2-reduziertem Stahl sukzessiv zu erhöhen.

Voestalpine nimmt Schrott zurück

Neben der Dekarbonisierung der Primärstahlerzeugung spielt Stahlschrott eine entscheidende Rolle im Rahmen der Nachhaltigkeitsinitiative „Ambition 2039“ von Mercedes-Benz. Als wichtiger Bestandteil im Produktionsprozess trägt dieser nicht nur dazu bei, CO2-Emissionen zu verringern, sondern auch im Sinne einer Kreislaufwirtschaft den primären Ressourcenbedarf zu senken. Bereits heute arbeitet Mercedes-Benz mit dem langjährigen österreichischen Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine an dem Wiedereinsatz von Stahlschrott, der im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen anfällt. Konkret beliefert Voestalpine das Mercedes-Benz Werk Sindelfingen per CO2-neutralem Schienentransport mit hochqualitativem Stahl von ihrem Standort in Linz, Österreich. Seit 2021 bringt derselbe Zug auf dem Rückweg Presswerkschrotte aus dem Werk Sindelfingen ins Stahlwerk nach Linz. Dadurch wird die direkte Wiederverwertung des Schrotts beim Lieferanten sichergestellt. Der zukünftige Bezug von CO2-reduziertem Stahl aus einem Elektrolichtbogenofen (EAF) ist Teil einer Absichtserklärung. Bereits ab 2027 soll am Standort Linz ein EAF in Betrieb gehen.

SSAB liefert bereits Stahl aus wasserstoffbasierter Direktreduktion

Bereits im vergangenen Jahr hat Mercedes-Benz als erster Pkw-Hersteller Stahl aus der wasserstoffbasierten Direktreduktion von SSAB erhalten. Das schwedische Partnerunternehmen hat auf Basis des Einsatzes von 100 % Wasserstoff in seiner Pilotanlage Eisenerz reduziert, zu ultrahochfestem martensitischen Stahl weiterverarbeitet und in das Mercedes-Benz Werk in Sindelfingen geliefert. Im dortigen Technikum wurden daraus erste Prototypenteile gefertigt und für die Serienproduktion getestet. Dieser ultrahochfeste Stahl verfügt über dieselben Eigenschaften wie vergleichbarer Stahl aus der klassischen Hochofenroute. Konkret handelt es sich bei diesen Karosserieumfängen um Querträger aus der künftigen Fahrzeugplattform MMA (Mercedes-Benz Modular Architecture). Die Partner beabsichtigen den Einsatz von nahezu CO2-freiem Stahl aus industrieller Produktion ab 2026.

Mercedes-Benz ist an H2 Green Steel beteiligt

Des Weiteren hat sich Mercedes-Benz im Jahr 2021 als erster Pkw-Hersteller an dem schwedischen Unternehmen H2 Green Steel (H2GS) beteiligt, um perspektivisch fast CO2-freien Stahl in seine Serienfahrzeuge zu bringen. Dazu hat Mercedes-Benz kürzlich einen ersten Liefervertrag über jährlich rund 50 000 t Stahl mit H2GS vereinbart. Gleichzeitig haben die Partner angekündigt, neben Europa auch in Nordamerika die Dekarbonisierung der Stahllieferkette voranzutreiben. H2GS plant, bis 2030 jährlich 5 Mio. t nahezu CO2-freien Stahl zu produzieren.

Lesetipp: H2 Green Steel baut das elektrisierte Stahlwerk

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