Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems mit Gewinneinbruch 15. Mrz 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 5 Minuten

Neuaufstellung mit gebündelter Innovationskraft

In der Pandemie bleibt der Antriebssystem- und Großmotorenhersteller Rolls-Royce Power Systems in der Gewinnzone; er richtet sich im Sinne des Klimaschutzes neu auf. Die Friedrichshafener mit ihrer Marke MTU wollen Forschung & Entwicklung stärken, um Lösungen für den Klimaschutz voranzutreiben.

Andreas Schell, CEO von Rolls-Royce Power Systems, beim Demonstrator für Brennstoffzellen-Energieversorgung, der gerade entsteht.
Foto: Rolls-Royce Power Systems

Die jetzt ein Jahr anhaltende Corona-Krise hat auch beim Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) aus Friedrichshafen mit seiner Traditionsmarke MTU Bremsspuren hinterlassen. Der bereinigte Betriebsgewinn der Tochter des britischen Industriekonzerns Rolls-Royce sank deutlich von 367 Mio. £ im Vorjahr auf nur noch 178 Mio. £ (ca. 200 Mio. €) im Geschäftsjahr 2020. Der Umsatz gab 17 % auf rund 2,7 Mrd. £ nach.

Hauptursache sei der Zusammenbruch des Tourismus mit den Folgen für die Aufträge in der kommerziellen Schifffahrt gewesen. RRPS erwartet einen höheren Auftragseingang im ersten Halbjahr 2021 und eine Rückkehr zu früheren Ergebnissen bereits im kommenden Jahr, wie das Unternehmen am vergangenen Freitag mitteilte. „Die Covid-19-Krise hat uns hart getroffen, und trotzdem sind wir profitabel, wenn auch nicht in gleichem Maß wie in den Jahren zuvor“, so CEO Andreas Schell im Rahmen der Bilanzpressekonferenz.

Motorenbauer stellt sich für zukunftsfähige Märkte neu auf

Bei Andreas Schell steht das letzte Jahr für mehr als Corona: „Für mich wird 2020 als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem wir und viele unserer Endkunden real festgestellt haben, dass sich viele Themen nicht mehr umkehren lassen. Dazu gehört, dass der Klimawandel irreversibel ist“, sagt der CEO des Motorenbauers Rolls-Royce Power Systems, der hierzulande vor allem bekannt durch die Marke MTU ist. „Selbst Kunden aus konservativen Anwendungsfeldern kommen heute zu uns und fragen nach klimaverträglichen Lösungen und fragen auch, warum manches nicht schneller passieren kann.“

Weltweit liefern die Friedrichshafener seit Jahrzehnten ihre Aggregate in 13 verschiedene Märkte, vom Schiffbau über Stromerzeugung für Kommunen bis hin zu Bergbau sowie der Öl- und Gaswirtschaft. Selbst aus letzterem Bereich kommen, so Schell, Nachfragen nach nachhaltigen Lösungen. Hierzu zählt RRPS zum Beispiel heute schon Microgrids und Batteriecontainer.

Klimaschutz wird eigenständiges Geschäftsfeld

2017 sei man sich klar geworden: Allein die erfolgreiche Bedienung der bisherigen Märkte – Schell: „Wir spielen Championsleague“ – ist nicht zukunftsfähig. „Daraus ist eine Transformationsstrategie geworden, ,RRPS 2030‘, mit drei Kernelementen“, so Schell.

Erstens wolle man die Motoren- und Systemtechnik weiterhin fördern und vorantreiben. Zweitens wolle man komplette, integrierte Lösungen anbieten – „zunehmend wichtiger wird hier der Aspekt nachhaltiger Lösungsansätze“, so der CEO. Drittes Kernelement sei der Service; hier setzt RRPS auf Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle.

RRPS: Neuaufstellung mit mehr Innovationskraft

Bisher hat sich RRPS vor allem an den Endmärkten orientiert. Jetzt werden die 13 einzelnen, vertikal aufgestellten Einheiten in zwei integriert: Mobile Power Solutions und Stationary Power Solutions, die sich mit den konventionellen Produkten beschäftigen. Hinzu kommt: eine eigene Geschäftseinheit nur für China. Sie legt den Schwerpunkt auf die asiatischen Märkte.

Die größte Neuerung, so Schell, sei eine Querschnittseinheit: „Sustainable Power Solutions wird nachhaltige Lösungen entwickeln. Sie wird das übergreifend zusammen mit den anderen Business Units machen – egal, ob dies mobile oder stationäre Anwendungen sind“, erklärt Schell im Gespräch mit VDI nachrichten. „Wir stellen uns so zukunftsfähig auf und ermöglichen damit auch Kunden unserer klassischen Produkte den Übergang zu nachhaltigen, CO2-freien Lösungen“, so Schell.

Friedrichshafener Motorenbauer will hausintern mehr Wettbewerb und mehr Tempo im Wandel

Das verordnet RRPS mit der Neuaufstellung. Man sei eine erfolgreiche Firma mit langer Geschichte, so Schell. „Wenn man im Tagesgeschäft so erfolgreich ist, fehlt oft die Zeit, sich über die Zukunftsthemen genügend Gedanken zu machen“, räumt er ein. Die neue Geschäftseinheit soll also dem klassischen Geschäft Beine machen. Sie verändere, so Schell, „unser Geschäftsmodell über die kommenden Jahre“.

Warum das nötig ist, verdeutlicht eine Beispiel aus der Bahntechnik. „Es gibt immer noch große Streckenbereiche, die heute nicht elektrifiziert sind und auch in Zukunft aus Kostengründen nicht elektrifizierbar sein werden. Kurzfristig umsetzbar sind hier Lösungen wie ein Dieselmotor-Batterie-Hybridantrieb“, erläutert Schell im Gespräch mit VDI nachrichten. Das werde man noch in diesem Jahr für Kunden in Großbritannien und Irland auf die Schiene bringen.

Der Bedarf sei groß, verdeutlicht Schell: „In Großbritannien gab es in vielen Bahnhöfen Beschwerden über die Dieselabgase. Da schafft eine Hybridlösung Abhilfe und senkt gleichzeitig bis zu 25 % Treibhausgasemissionen. Im zweiten Schritt kann man dann drüber nachdenken, wie man diesen Diesel synthetisch aus grünem Wasserstoff erzeugen kann.“

RRPS will beim Klimaschutz ambitioniert wachsen

Die größte Neuerung ist die Geschäftseinheit „Sustainable Power Solutions“. „Alle vier Einheiten arbeiten gemeinsam und in stetem Austausch an der Entwicklung von ganzheitlichen und nachhaltigen Lösungen für unsere Kunden.“ So stellt sich der Vorstand das unter Schells Leitung vor.

Gleichzeitig muss Sustainable Power Solutions vor allem eines: liefern. „Wir haben sehr ambitionierte Wachstumsziele für den Bereich Sustainable Power Solutions“, so Schell. „Dessen Anteil am Gesamtumsatz muss im Vergleich schneller wachsen als der Umsatz in den klassischen Kernsegmenten.“ Das Quasi-Start-up im Unternehmen soll Themen wie Power-to-X, sektorübergreifende Energieversorgung und die Brennstoffzelle beackern.

F&E-Budget wird erhöht und neu verteilt

„Beim F & E-Budget ist ganz klar, dass wir einen Teil davon in unseren Kernbereichen Mobile und Stationary werden einsparen müssen, um damit den neuen Bereich Sustainable Power Solutions auszustatten“, sagt Schell. Man werde auch zusätzliches F & E-Geld in die Hand nehmen, so der CEO, und „in Zukunft auch über Akquisitionen mehr F & E-Ressourcen für unsere neuen Themen aufbauen“. Schon 2020 akquirierte RRPS drei Unternehmen, zwei davon komplett. „Für dieses Jahr steht dabei für uns das Thema Brennstoffzelle auf der Agenda.“

Bisher sind bei Rolls-Royce unter „Power Systems“ sowohl MTU wie auch die norwegische Bergen Engines angesiedelt. Doch gaben die Briten letzte Woche bekannt, sich von Bergen Engines zu trennen; dieser Zweig geht für 150 Mio. € an die russische TMH Group. Inzwischen gibt es allerdings Medienberichte, das die norwegische Regierung noch Bedenken gegen die Veräußerung an die Gruppe habe. RRPS wies im Rahmen der Pressekonferenz am Freitag darauf hin, dass Oslo bereits im Vorfeld der Veräußerung mit eingebunden gewesen sei.

RRPS kassiert Langfristziel

2018 hatten die Friedrichshafener 15 % als Renditeziel für den operativen Gewinn ausgerufen – bis 2025. Auf Nachfrage sagte Schell: „Es ist völlig klar, dass sich das coronabedingt nach hinten verschieben wird.“ Langfristig wolle er aber an der Zielmarke festhalten, den Zielzeitraum aber hielt er offen.

Die Transformation mit dem neuen Geschäftsbereich kratzt wohl auch bei RRPS/MTU firmenintern an vielen eingeprägten Gewohnheiten. „Das ist für uns ein großer Schritt, weil wir eine extrem erfolgreiche Firma sind, mit einer langen Geschichte. Wenn man im Tagesgeschäft so erfolgreich ist, fehlt oft die Zeit, sich über die Zukunftsthemen genügend Gedanken zu machen“, sagt Schell.

Kerngeschäft subventioniert Innovationseinheit

Wie immer bei solchen Transformationsprozessen stellt sich für die Geschäftsleitung die Frage, wie man die Belegschaft am besten mitnimmt. „Daher die Gründung einer neuen Geschäftseinheit“, sagt Schell. Sie verändere das Geschäftsmodell über die kommenden Jahre. „Das ist für uns ein sichtbares Zeichen der tief greifenden Transformation im Unternehmen.“

Dabei ist der neue Geschäftsbereich erst einmal auf die Erlöse der bisherigen Gewinnbringer, der Kernbereiche Mobile und Stationary Solutions angewiesen: „Diese bringen ja erst den Ertrag und den Cashflow, die wir brauchen, um die Zukunftstechnologien aufzubauen. Gleichzeitig kommen auch Kunden aus diesen traditionellen Segmenten, die die neuen Technologien nachfragen. Wir haben hier ein Set-up, das uns erlaubt, das eine nicht zu lassen und das andere tun zu können.“ Trotz aller Neuaufstellung ist Schell sich sicher, dass „in den 13 Endindustrien, in denen wir heute aufgestellt sind“, das Unternehmen „auf Jahrzehnte hinaus noch Geschäft betreiben“ werde.

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