Produktion 18. Jun 2021 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Plattform Industrie 4.0 definiert nächste Ziele

Beim Spitzendialog des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0 wurde diese Woche deutlich, dass es auch nach zehn Jahren noch vieles zu verbessern gibt. Künstliche Intelligenz soll dazu künftig einen wichtigen Beitrag leisten.


Foto: panthermedia.net/ipopba

Für Frank Possel-Dölken hat es viel zu lange gedauert, bis die Verknüpfung der Fabrikautomation mit der Informationstechnologie in der Praxis angekommen ist. Das machte der Vorsitzende des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0 in seinem Impulsvortrag zum Spitzengespräch des Forschungsbeirats der Plattform deutlich. Nun hätten die Menschen in den Unternehmen die Chance, die Möglichkeiten von Digitalisierung für sich zu erschließen. „Es ist ein wesentlicher Faktor von Industrie 4.0, auch komplexe Technik handhabbar zu machen.“ Als Beispiele nannte er kollaborative Roboter, wo man kein Roboterexperte mehr sein müsse, um sie in Betrieb nehmen oder bedienen zu können, sowie die Low-Code- und No-Code-Programmierung in der IT, wo es immer einfacher werde, Arbeitsabläufe ohne große Programmier- oder Automatisierungskenntnisse zu realisieren.

Einsatz künstlicher Intelligenz

Durch das Sammeln von Daten wird die künstliche Intelligenz (KI) nun praktisch in großem Stil einsetzbar. „Das ist eine Schlüsseltechnologie, die wir in den kommenden Jahren in vielen Unternehmensfunktionen in den Einsatz bringen wollen und müssen. Das sind Schwerpunkte, die wir in der Plattform Industrie 4.0 in den kommenden Jahren setzen wollen“, sagte Possel-Dölken.

Die Marke Industrie 4.0 sei deshalb nicht alt und angestaubt, sie strahle stärker als je zuvor. „Es ist nun auch unsere Aufgabe, das Markenbild international weiter auszuprägen. Deswegen ist die internationale Kollaboration für die Plattform von großer Bedeutung, um gerade auch die Netzwerke nach Asien und Nordamerika stärker auszubauen.“ Ziel sei es nun, die Standards, die in Deutschland geprägt wurden und an denen aktuell noch weiterentwickelt werde, weltweit verfügbar zu machen und dort deutlich zu machen, welche Vorteile sie brächten.

Zu den dazu notwendigen sicheren Datenräumen sagte er: „Gerade jetzt werden mit Gaia-X und mit Catena-X für die Fahrzeugindustrie Meilensteine geschaffen, die uns deutlich nach vorne bringen.“

Fertigungsvorbereitung der Welt

Für BDI-Präsident Siegfried Russwurm steht Deutschland gut da. „Wir wollen weiter Ausrüster der Welt sein. Analog zum Unternehmen sehe ich Deutschland als Fertigungsvorbereitung der Welt.“ Er unterstrich: „Weil wir wissen, wie es geht und was es braucht in der Produktion, war die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen Teil des Erfolgsrezepts. Dazu gehört aber auch, dass man das, was man weiß und kann, auch weitergeben will.“ Das Teilen von Information auch zwischen Unternehmen und Kunden habe in Deutschland lange Tradition. „Es ist deshalb Teil des Erfolgs, dass andere nun auf diesen Zug aufgestiegen sind. Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein, dass sie in dem Moment auch die Geschwindigkeit des Zugs haben. Wir müssen deshalb aufpassen, dass wir im Vergleich zu denen, die wir eingeladen haben, nicht zurückfallen“, machte Russwurm deutlich.

Internationale Verbreitung

Auch für Bosch-Chef Volkmar Denner ist Industrie 4.0 längst ein internationales Thema. „Wir haben früh darauf Wert gelegt, dass es bei uns eine weltweite Veranstaltung ist, und ich glaube, das haben die meisten internationalen Firmen auch so gemacht.“ Die nächste Phase ist für ihn vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs die Verbindung zwischen künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge. Er spricht von AI und IoT. „Jetzt beginnt die intelligente Datenauswertung. Die Vernetzung läuft.“ Er sagte: „Das ist eine Riesenchance, weil wir damit jetzt hybride Modelle machen können, wo wir das Domänenwissen aus den Ingenieurwissenschaften, die wir beherrschen, mit datengetriebenen Modellen kombinieren. Überall, wo wir das bisher eingesetzt haben, kommt ein viel besseres Ergebnis heraus als im klassischen Ansatz und ein viel besseres als im rein datengetriebenen.“

Denner zeigte sich überzeugt, dass es mit dem Fokus auf Industrie- und Automotive-Anwendungen gelingen kann, damit auch wieder die Produktion nach Deutschland zurückzuholen. Mit Blick auf die Zukunft der deutschen Industrie stellte er fest: „Wir haben noch erhebliches Potenzial, wenn wir über die Unternehmensgrenzen hinweg auch Lieferanten einbeziehen.“

Manfred Wittenstein, Unternehmer und ehemaliger Präsident des Branchenverbands VDMA, hob im Spitzendialog einen weiteren Punkt hervor: „Es reicht nicht, dass sich nur die Großen auf den Weg machen. Wir müssen auch Start-ups stärker integrieren.“ Er forderte, das Digitalisierungswissen in den Unternehmen besser zu nutzen. „Führungskräfte sind hier oft Bremsklötze und Mitarbeiter sind da oft besser informiert“, stellte er fest.

Informationen zu teilen, erscheint Wittenstein auch vor dem Hintergrund des geistigen Eigentums an Neuentwicklungen weniger kritisch, als es oft dargestellt wird. „Nur etwa 10 % unserer Daten sind wirklich Kern-Know-how. Den Rest können wir teilen“, rechnete er mit Blick auf sein Unternehmen vor. Nur so könnten auch Zukunftsthemen wie die Kreislaufwirtschaft durchgängig optimiert werden.

Ressourcen bündeln

Auch für den Siemens-Vorstand Cedrik Neike gilt es nun, die Ressourcen, insbesondere bei der industriellen KI, zu bündeln. „Mit der TU München arbeiten wir beispielsweise daran, dass wir durch den digitalen Zwilling beim Fräsen noch 90 % effizienter sind und Sollwertabweichungen ausschließen können.“ Er fügte mit Blick auf die anwesenden Unternehmensvertreter hinzu: „Wir sind immer noch ein Innovationsland und jedes unserer Unternehmen hat eine Menge Patente. Wir müssen nur sicherstellen, dass die Patente in der richtigen Umgebung gesetzt werden.“

Im Moment werde viel über Hyperscaler gesprochen und dass das Know-how in die Cloud gehe. „Das wird alles wieder zurückkommen, so wie es früher vom Zentralcomputer über den PC zum Smartphone gegangen ist“, sagte Neike. Von der Cloud gehe es wieder an die Maschinen. Neike spricht von der Edge. „In den Punkten Edge und industrielle KI müssen wir unsere Ressourcen bündeln, müssen wir forschen, es selbst anwenden und lernen. Wir müssen zudem sicherstellen, dass wir die Menschen dort auch sinnvoll einsetzen können“, sagte der Siemens-Vorstand. Er machte deutlich: „Die besten Programmierer müssen auf der Werkbank sein. Denn sie kennen ihre Maschine und sollen sie auch programmieren.“

Beschäftigten eine Perspektive geben

Jürgen Hofmann, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Metall, stellte fest: „Wir müssen in Bereichen, in denen wir Nachholbedarf haben, auf Kooperationen setzen. Wir müssen das vorantreiben und neue Kooperationsmodelle ermöglichen und dabei die gesamte Wertschöpfungskette im Auge haben.“ Beispiel Automotive: Das fange hier in der Lieferkette beim Zulieferer an, ende aber nicht beim Automobilhersteller und OEM, sondern gehe weiter in die Kfz-Werkstätten. „Wir müssen schauen, was das für neue Geschäftsmodelle bedeutet. Wie verschaffen wir bisherigen Marktteilnehmern und den einzelnen Beschäftigten auch wieder Perspektiven nach vorne“, verdeutlichte Hofmann. Gerade viele kleine Unternehmen müssten sich jetzt neu orientieren. Hier könnten Fehlschläge für die Beschäftigten dramatische Konsequenzen haben. „Deswegen ist es extrem wichtig, dass es uns gelingt, die Chancen von Digitalisierung im Bewusstsein deutlich stärker zu verankern und einen Reflexionsraum zu bieten.“

Während die digitale Transformation anfangs vor allem von Hochqualifizierten als gut empfunden wurde, sieht Hofmann inzwischen eine breite Zustimmung in den Unternehmen. Es seien aber immer noch dieselben Unternehmen wie vor zehn Jahren, die vorneweg gingen. „In der zweiten und dritten Reihe mangelt es noch“, stellte er fest. Und wie soll das Wissen an die Basis gelangen? „Wir brauchen arbeitsplatznahes Lernen“, erklärte der IG-Metall-Vorsitzende.

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