Industrie 5.0: Roboter werden zu proaktiven Kollegen
Forschende der TU Ilmenau heben die Mensch-Maschine-Kollaboration im Rahmen des „E4SM“-Projekts auf ein neues Niveau: Roboter unterstützen Werker selbstständig und vorausschauend.
Inhaltsverzeichnis
Das war gestern: Industrie 4.0, also die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mithilfe von IT. Heute beginnt das Zeitalter der Industrie 5.0. Darin stehen die Menschen wieder im Zentrum von Fertigungsprozessen in Industrie und Handwerk. Der Startschuss dazu fiel an der TU Ilmenau. Denn hier wurde gerade das Forschungsprojekt „Engineering for Smart Manufacturing (E4SM)“ erfolgreich abgeschlossen.
Künftig werden Menschen und Maschinen mithilfe von KI so aufeinander eingestellt, dass neue Fertigungsaufgaben schneller und effizienter als bisher gelöst werden können. Roboter sollen die eigenen Handlungen autonom auf die der Menschen abstimmen. Ein simples Beispiel: Ein Werker greift sich eine Schraube. Der Roboter sieht dies. Er erkennt, was der Mensch vorhat – und reicht ihm eine passende Mutter.
Lesetipp: So werden Cobots für Handwerk und Industrie attraktiv
Im E4SM-Projekt standen die Anforderungen und Besonderheiten von Fertigungs- und Montageprozessen kleiner und mittelgroßer Unternehmen, wie sie im mittelständisch geprägten Thüringen vorwiegen, im Mittelpunkt.
Vier zukunftsweisende Durchbrüche wurden im Rahmen des E4SM-Projekts erreicht
Durchbruch eins ist das 3D-Multi-View-Stereosystem zur sicheren Zusammenarbeit von Mensch und Roboter. Hintergrund: Damit der Roboter den Menschen niemals gefährdet, muss er die Handlungen des Kollegen aus Fleisch und Blut in der realen Umgebung dreidimensional erfassen können. Dazu setzten die Forscher multimodale Bildgebung ein, bei der Wärmebilder mit RGB-Farbbildern und mit 3D-Punktwolken zu hochgenauen großflächigen dreidimensionalen Abbildungen der Raumumgebung kombiniert wurden. Bei dem innovativen sensorbasierten 3D-Multi-View-Stereosystem kalibrieren sich die verschiedenen Kameras robotergestützt selbst.
Durchbruch zwei ist die Erkennung der Montageaktion und entsprechende autonome Assistenz. Hintergrund: Ohne langwierig angelernt werden zu müssen, soll der Roboter den Fortschritt der Montage beobachten und bei immer wiederkehrenden Aufgaben selbstständig tätig werden. KI-basiert erkennt der E4SM-Roboter die Aktionen, die der Mensch gerade durchführt. Er erkennt auch, welche Werkzeuge an welchen Werkstücken genutzt werden. So erfasst er den jeweiligen Montagefortschritt und kann selbstständig entscheiden, wo er behilflich sein kann. Auch kann der Roboter beliebige, ihm vorher nicht bekannte Objekte in der Einsatzumgebung finden und greifen. Nach bisherigem Stand der Technik funktioniert dies nur für vorher definierte, bekannte Objekte. Damit schuf das E4SM-Projekt die notwendigen Voraussetzungen, um vorausschauend zu planen und später benötigte Objekte zu holen und anzureichen.
Lesetipp: KI für Roboter – großer Nutzen und viel Arbeit
Durchbruch drei ist das flexible und kostensparende Laserstrahlschweißen mit KI-Unterstützung. Hintergrund: Beim Laserstrahlschweißen mussten bislang aufwendige und teure Spannvorrichtungen eingesetzt werden, um die Bleche, die miteinander verbunden werden sollten, zu fixieren. Die Vision des E4SM-Projekts: Die zu verbindenden Bleche werden von Roboterarmen gehalten. Mithilfe von KI wurde ein entscheidender Durchbruch erzielt, indem der Schweißvorgang kontaktlos analysiert und in Echtzeit vorausgesagt wird, wann ein Spalt entstehen wird. Durch kontrolliertes Zusammendrücken der Bleche kann dies vermieden werden, sodass der Laser weiterhin beide Bleche trifft und sie somit verschweißen kann. Dabei sagt die KI die Kraft vorher, die aufgewendet werden muss, um die Position der Bleche für den Schweißvorgang optimal anzupassen.
Unternehmen sollen selbst Anwendungsfälle entwickeln können
Als Durchbruch vier feiern die Forschenden die „interaktive visuelle Werkzeugkette für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“. Hintergrund: Neben der Entwicklung von KI-gestützten Robotern war es auch Ziel des E4SM-Projekts, für die Industrie Verfahren zu entwerfen, mit denen sie selbst KI-basierte Assistenzsysteme entwickeln kann. Das Ziel wurde erreicht. KMU werden durch eine interaktive visuelle Werkzeugkette dabei unterstützt, effiziente und sichere Anwendungen zu entwickeln, die in der eigenen Produktion eingesetzt werden können. Da hierfür kein detailliertes Fachwissen erforderlich ist, wird der Entwicklungsprozess für Anwenderinnen und Anwender wesentlich vereinfacht.
Roboter „Asimo“ diente als Grundlage
Sieben Fachgebiete der TU Ilmenau arbeiteten im E4SM-Projekt eng mit hochkarätigen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammen: dem Honda Research Institute Europe, bekannt für den autonomen humanoiden Roboter „Asimo“, der Robert Bosch GmbH und dem Maschinenbauunternehmen Henkel und Roth aus Ilmenau mit Kompetenz in industrieller Montage, dem Maschinen- und Anlagenkonstrukteur Lasotech Systems aus Suhl, der umfassende Kenntnisse in Schweißtechniken aufweist, dem Ilmenauer Hersteller von Servicerobotern und Roboterplattformen Metralabs und dem TÜV Thüringen mit seiner Expertise für Sicherheitsaspekte.
Die Carl-Zeiss-Stiftung förderte das E4SM-Projekt im Rahmen ihres Programms „CZS Durchbrüche“ zur Erforschung intelligenter Systeme mit 3 Mio. €.