Robuster Antrieb ohne Permanentmagnet
Auf dem Kongress der Messe SPS/IPC/Drives in Nürnberg wurde vorige Woche einmal mehr bestätigt, dass Reluktanzmotoren für Industrieanwendungen eine Alternative zu Motoren mit Seltenerdmagneten sind. Allerdings: Von „dem Reluktanzmotor“ kann nicht mehr die Rede sein. Es gibt längst mehrere Varianten.
Als Alternative für Antriebskonzepte mit Seltenerdmagneten gelten Konzepte mit Reluktanzmotoren. Besonders seit der Erfahrung des extremen Preisanstiegs der seltenen Erde bis Mitte des Jahres 2011 sind die magnetfreien Motoren wieder ins Bewusstsein von Anwendern und Herstellern gekommen. Aber auch die Bauweise – im wesentlichen Kupfer und Eisen – sowie seine Robustheit machen den Motor für Anwendungen interessant. Allerdings ist die Elektronik für die effiziente Ansteuerung aufwendig.
Hohe Kosten für Selten Erden Metalle haben im Jahr 2011 zur Wiedergeburt des Reluktanzmotors geführt.
Der Motor kommt ohne Permanentmagnete aus. Dabei sorgt vorwiegend die Reluktanzkraft für die Bewegung des Rotors, der aus Materialien wie Elektroblech aufgebaut ist.
Im Beitrag wird auf drei Bauweisen von Reluktanzmotoren eingegangen.
Geschalteter Reluktanzmotor (kurz SRM): Er gilt als robust und ist einfach aufgebaut.
Synchron-Reluktanzmotor: Angesteuert von einem Frequenzumrichter erlaubt er einen energieeffizienten Betrieb.
Transversalfluss-Reluktanzmotor (kurz TFRM): Er gilt als besonders fehlertolerant und besitzt eine hohe Energiedichte.
Oft wird einfach nur von „dem Reluktanzmotor“ gesprochen, doch es gibt verschiedene Typen. Der geschaltete Reluktanzmotor, kurz SRM (SR, Switched Reluctance), wird beispielsweise seit einigen Jahren in immer mehr Haushaltsgeräten und auch Werkzeugen serienmäßig eingesetzt. Gleichzeitig laufen derzeit Studien, die Einsatzpotenziale in Nutzfahrzeugen und Pkw erkunden sollen.
Des Weiteren gibt es den Synchron-Reluktanzmotor, mit dem Antriebskonzepte von ABB und KSB für Pumpen, Lüfter oder allgemein rotatorisch angetriebene Maschinen in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind. Als dritte Variante wird inzwischen der Transversalfluss-Reluktanzmotor (TFRM) von der Forschung für den Einsatz in der Industrie vorbereitet.
Dass Reluktanzantriebe Vorteile für Anwendungen in der Industrie mit sich bringen, wurde auf dem Kongress der SPS/IPC/Drives vorige Woche einmal mehr deutlich. „Bei vielen Anwendungen sind die High-End-Funktionalitäten des Synchronmotors mit Seltenerdmagneten gar nicht erforderlich, für solche ist der Synchron-Reluktanzmotor dann der Richtige“, berichtete beispielsweise Sven Kellner, Produktmanager Niederspannungsumrichter bei Siemens.
Aufgrund der nicht benötigten Seltenerdmagnete sind die Kosten für den Synchron-Reluktanzmotor niedriger. Im Vergleich zum Asynchronmotor ist er dynamischer und besonders im Teillastbereich energieeffizienter. Gerade in diesem Bereich rechnet Keller damit, dass es mit zunehmendem Bewusstsein für energieeffizientes Arbeiten immer mehr Anwendungen für den Synchron-Reluktanzantrieb geben wird.
„Den Asynchronmotor ganz ablösen wird er aber nicht“, zeigte Keller sich sicher. Viele Anwendungen arbeiteten mit einer festen Drehzahl und für diese ist dem Experten von Siemens zufolge eine Asynchronmaschine immer noch die beste Lösung.
Werden relativ hohe Drehmomente und langsame Drehzahlen für eine Anwendung benötigt, kommen Synchronmaschinen und Transversalflussmaschinen mit Seltenerdmagneten als Direktantrieb zum Einsatz. Als Alternative eines Direktantriebs ohne Magnete kündigt sich nun die Transversalfluss-Reluktanzmaschine (TFRM) an. Wobei sich für Roman Hirsch vom Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente der Universität Bremen auch hier die Frage stellt: „Muss es immer ein hocheffizienter Motor mit Seltenerdmagneten sein, oder reicht auch ein nicht ganz so effizienter, dafür aber bei großen Stückzahlen günstigerer Motor?“
Hirsch arbeitet an der geometrischen Auslegung besonders des Aktivteils einer TFRM, worüber er auf dem Kongress der SPS/IPC/Drives berichtete. „Dieses Projekt nutzen wir, um einen günstigen und dennoch effizienten Pitch-Antrieb für Windenergieanlagen zu bauen. Der Transversalfluss-Reluktanzmotor wird dort allerdings mit Getriebe eingesetzt, da er hier als Direktantrieb zu groß werden würde“, erläuterte Hirsch gegenüber den VDI nachrichten den nächsten Schritt seiner Arbeit.
Er hebt einen weiteren Vorteil des Motors hervor: „Der TFRM ist sehr fehlertolerant, selbst wenn eine Wicklung ausfällt, läuft der Motor weiter.“ Damit aber nicht genug: „Ein Vorteil gegenüber der geschalteten und der Synchron-Reluktanzmaschine ist, dass die Transversalfluss-Reluktanzmaschine eine höhere Energiedichte hat und somit kleiner als die beiden anderen gebaut werden kann“, verdeutlichte Jan Klöck vom Institut für Regelungstechnik der TU Braunschweig. Er hat verschiedene Betriebsarten für TFRM untersucht, um die Drehmomentwelligkeit auf ein Minimum zu reduzieren.
„Der Reluktanzantrieb ist keine klassische Drehfeldmaschine, das ist das schöne an diesem Motor. Um ein glattes Drehmoment zu bekommen, kann er mit Sinusstrom und vielen anderen Stromformen betrieben werden“, erläuterte Klöck die regelungstechnische Herausforderung.
Die unterschiedlichen Stromformen führen zu jeweils unterschiedlichen Betriebseigenschaften wie glatte Strangdrehmomente, minimale Stromwärmeverluste, geringer Stromanstieg des Transversalfluss-Reluktanzantriebes. Mit seinen Arbeiten hat Jan Klöck die Jury des „Innovationspreises der Automatisierungsindustrie“ überzeugt, der vom Messeveranstalter Mesago zum zweiten Mal vergeben wurde, und erreichte mit seinem Beitrag den zweiten Platz. Auch das ist ein Beleg dafür, dass Innovationen auf dem Gebiet der Reluktanzmotoren für die Zukunft wichtig sind.