SEW Eurodrive zeigt sich nach dem Tod von Rainer Blickle gut aufgestellt
Im Mai starb der Gesellschafter des Antriebsspezialisten SEW Eurodrive aus Bruchsal. Dank der geregelten Nachfolge kann sich das Unternehmen auf den Ausbau des Standorts Graben-Neudorf sowie sein neues Standbein bei Systemlösungen für Industrie 4.0 fokussieren.
Für die Beschäftigten ist es ein Glücksfall, wenn Unternehmer ihre Nachfolge rechtzeitig planen. So ist es auch bei SEW Eurodrive, dessen langjähriger Gesellschafter Anfang 2021 im Alter von 73 Jahren verstarb. Johann Soder, COO des Unternehmens, sagte dazu jetzt gegenüber VDI nachrichten: „Man muss beiden Blickle-Brüdern sehr hoch anrechnen, dass sie das im Vorfeld bereits sehr gut geregelt hatten. Dadurch können wir das jetzt sehr einfach umsetzen.“ Kurz gefasst bedeutet das für den Treiber von Industrie 4.0 im Unternehmen: „Die SEW wird dadurch in keiner Weise behindert.“ Der Übergang in die nächste Generation finde bereits statt, sei gut vorbereitet und geplant. „Aktuell führt der Bruder von Rainer Blickle, Jürgen Blickle, letztlich als CEO das Unternehmen. Jürgen Blickle hat auch Kinder und die werden dann nach und nach einsteigen. Sie sind jetzt schon im Unternehmen implementiert“, berichtete Soder.
Nachfrage im Systemgeschäft
Aktuell investiert das Unternehmen in den Ausbau des Standorts Graben-Neudorf, wo Soder die neuesten Techniken im Zusammenhang mit Industrie 4.0 zum Einsatz bringen möchte. Auch die Systemlösungen in Form von mobilen Assistenzsystemen sollen dort zum Einsatz kommen. Der Antriebsspezialist hatte diese bereits vor einiger Zeit als neues Geschäftsfeld identifiziert und unter der Dachmarke Maxolution zusammengefasst.
Zum Systemgeschäft sagte Soder: „Wir haben vor fünf Jahren damit begonnen, die Wurzeln gehen sogar zehn Jahre zurück. Wir haben das jetzt aber breiter angelegt und verknüpfen schienengebundene Systeme mit mobilen Systemen. Damit können wir einzigartige Wertschöpfungsströme gestalten“. Durch Corona habe sich der Bedarf noch verstärkt. „Wir hatten auch während der Pandemie eine enorme Nachfrage, gerade bei solchen Systemlösungen. Das lag ein Stück weit auch daran, dass die Unternehmen auch Zeit hatten, sich damit zu beschäftigen“, resümierte er.
Statt das Geschäft auf Transportsysteme zu beschränken und mit zahlreichen etablierten Anbietern von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) zu konkurrieren, fokussiert sich Soder auf Assistenzsysteme, die die Menschen in den Fabriken unterstützen: „Die SEW Eurodrive hat im Systemgeschäft also nicht das Ziel, einfach eine mobile Lösung zu verkaufen, sondern wir wollen eine Prozesslösung verkaufen, die wir bei uns erdacht und erprobt haben.“ Das Unternehmen agiere dabei auf vier Ebenen, es biete erprobte Komponenten, schnell einsetzbare Paketlösungen, unterstütze Generalunternehmen bei Projekten und übernehme auch die Generalunternehmerschaft.
„Wir haben für diese mobilen Systeme einen Baukasten an Komponenten entwickelt. Da sind auch Komponenten aus unserem Kerngeschäft mit drin, wie Präzisionsgetriebe und Servomotoren“, verdeutlichte Soder. Zudem habe sein Unternehmen auch neue Module entwickelt, sogenannte Cyber-Physical-Controller, die solche Systeme überwachen und steuern. „Wir haben Navigationsmodule entwickelt und darüber hinaus spezielle Sicherheitssysteme. Daraus kann ich jetzt das optimale mobile System für jeden Kunden designen.“ Damit ließen sich die Lösungen perfekt an die jeweiligen Anforderungen anpassen. „Komponenten aus diesem Baukasten verkaufe ich aber auch gerne an andere FTS-Hersteller“, hob er hervor.
Vernetzung und Nachhaltigkeit
Bei den vernetzten, mobilen Assistenzsystemen denkt Soder über die Grenzen seines Unternehmens hinaus. Idealerweise sollen diese nicht nur in den Fabriken eingesetzt werden, sondern auch in der urbanen Logistik. Dafür engagiert sich das Unternehmen in Forschungsprojekten und arbeitete dazu mit mehreren Partnern zusammen. Eine wichtige Rolle spielen dabei u. a. Technologien wie Sensorfusion und 5G-Mobilfunk.
Auch das Thema Nachhaltigkeit bewegt den Manager. Hinsichtlich der Wiederverwendbarkeit langlebiger Komponenten und Module sagte er: „Genau das ist ja die Spezialität des Baukastens.“ Dazu sei das mobile Assistenzsystem in verschiedenen Ebenen aufgebaut. Unten befinde sich die klassische Antriebsebene mit den Rädern, den Getriebemotoren und der berührungslosen Energieübertragung. Die zweite Ebene umfasse die Steuerung und die Energiespeicherung. Die dritte Ebene sei dann ein Hubsystem, auf dem ein Lastaufnahmemodul sitzt. „Das wird wie ein Sandwich aufgebaut und damit kann ich alle Komponenten austauschen wie ich es brauche.“
Ebenso beschäftigt ihn der Energiebedarf in Industriebetrieben sowie großen Lagern. Niemand schalte solche Anlagen über das Wochenende ab. Zu groß sei die Angst vor Problemen beim Hochfahren zum Wochenbeginn. „Deshalb legen wir bei SEW Eurodrive jetzt auch großen Wert darauf, dass unsere Produkte auch im Umfeld solcher Applikationen abschaltbar sind“, erklärte Soder im Interview mit VDI nachrichten.
In der aktuellen Ausgabe 31-32/21 von VDI nachrichten (Wochenzeitung und E-Paper) geht SEW-Eurodrive-COO Johann Soder auf Details ein.