Jenseits der Schallgrenze
Mehrere Hersteller haben neue Überschallflugzeuge angekündigt. Im EU-Projekt Seneca sollen Zertifizierungsrichtlinien erarbeitet werden.
Als am 26. November 2003 die letzte Concorde zurück ins Werk in Filton flog, endete eine Ära. Mitte der 2020er-Jahre könnte sie wieder beginnen. Eine Reihe von Herstellern um die US-Unternehmen Boom und Aerion hat neue Supersonic-Jets angekündigt.
Noch variieren die verkündeten Passagierzahlen und Geschwindigkeiten häufig – ein Indiz für das frühe Designstadium –, aber die internationalen Luftfahrtbehörden bereiten sich bereits vor. In Europa zum Beispiel soll das EU-Projekt Seneca die Grundlagen für eine Zertifizierung der Flugzeuge legen.
Zertifizierer spielen Flugsimulator
In simulierten Flügen wollen die elf Projektpartner – darunter das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie die Triebwerkshersteller Roll-Royce und MTU – anhand simulierter Flüge Daten für die Zertifizierung erheben. Üblicherweise werden diese Daten im realen Flugbetrieb gesammelt; bei Überschallflugzeugen ist das unmöglich.
Konkret will der Seneca-Verbund die Umweltwirkungen der Supersonic-Jets bewerten, also die Schadstoff- und Lärmemissionen. „Für die Concorde galten noch Luftfahrtregularien, die höhere Emissionen im Vergleich zu den im Unterschall fliegenden Flugzeugen erlaubten. Die neue Generation von Überschalljets wird sich nun an den konventionellen Flugzeugen messen lassen müssen“, erklärt Lars Enghardt, Leiter der Abteilung Triebwerksakustik im DLR-Institut für Antriebstechnik.
Überschallknall
Als Überschallflugzeuge gelten alle Flugzeuge, die schneller als der Schall (Mach 1 oder etwa 1000 km/h in Reiseflughöhe) fliegen. Die geplanten Flugzeuge könnten Machzahlen von 1,8 bis 2,2 erreichen. Überschallflugzeuge besitzen wegen ihrer Aerodynamik vergleichsweise schlechte Gleiteigenschaften beim Unterschallflug und sind stark motorisiert. Hinzu kommt: Jedes Flugzeug, das sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegt, zieht unweigerlich einen Knall hinter sich her.
Stand heute würden Überschallflugzeuge sämtliche Lärmschutzgrenzwerte reißen. „Die Effizienz der Flugzeuge im Reiseflug und die Lärmemission in Flughafennähe lassen sich nur schwer miteinander vereinbaren“, sagt Robert Jaron vom DLR-Institut für Antriebstechnik. „Wegen des besseren Strömungsverhaltens sind Überschallflugzeuge besonders lang und schmal und haben kleine Triebwerke. Für die Lärmminderung bei Start und Landung wären allerdings Triebwerke mit größeren Durchmessern zu bevorzugen.“ Nach Ansicht des DLR-Teams gibt es insbesondere in der Startphase noch Spielraum, wenn zum Beispiel die Startgeschwindigkeit angehoben und der Triebwerksschub früh abgesenkt wird.
Ungeklärte Wirkung auf Atmosphäre
Nicht nur in der Akustik, sondern auch bei den Schadstoffemissionen bringen Überschallflugzeuge ihre typischen Probleme mit. Sie fliegen höher als Unterschallflugzeuge und haben deshalb – so die Hypothese im DLR – andere Auswirkungen auf die Atmosphäre. Auch dies ist Gegenstand der Forschung im Seneca-Projekt.