Blick ins Labor 23. Mai 2014 Peter Trechow Lesezeit: ca. 6 Minuten

Risiko Solarspeicher: „Einfamilienhäuser werden brennen“

Über ein KFW-Programm hat der Bund binnen zwölf Monaten rund 4000 Photovoltaik-Speichersysteme gefördert. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat bei deutschen Anbietern eine Stichprobe solcher PV-Speicher bestellt und unter die Lupe genommen. Die Forscher deckten erschreckende Sicherheitsmängel auf. Sie warnen vor Explosionsgefahren und raten vorerst dringend von der Installation nicht zertifizierter Systeme ab.

Selbst vergleichsweise kleine Akkus, etwa für Pedelecs, enden bei Überspannung in einem großen Feuerball. Betroffen sind vor allem nicht zertifizierte Produkte.
Foto: ExtraEnergy/Batso

Schwerer, bräunlicher Qualm dringt aus der Lithium-Ionen-Batterie. Bald verschwindet der Batterieblock im dichten Rauch. Ein kurzes Flackern. Dann die Explosion. Meterhoch schlägt Feuer aus dem Kellerraum.

Glücklicherweise handelt es sich nur um einen nachgebauten Keller in der Hangar-artigen Brandversuchshalle des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Für die Forscher, die im Kontrollraum Sensordaten und Videobilder des Brandes verfolgen, besteht keinerlei Gefahr. Sicherheitsglas schirmt sie vom Brandgeschehen ab. Und die Absauganlage der 12 m hohen Forschungshalle führt die gefährlichen Brandgase zur Rauchreinigung zügig ab.

Doch die Forscher lässt nichts kalt, was sie hier in den letzten Monaten gesehen haben. „Ich möchte mir nicht ausmalen, welche Folgen so eine Explosion in einem Wohnhaus hätte“, sagt Andreas Gutsch, der die explosiven Batterietests mit seinem Kollegen Olaf Wollersheim initiiert hat. Genau dieses Szenario drohe aber: „Es ist vorhersehbar, dass Einfamilienhäuser abbrennen werden“, warnen die KIT-Forscher. Bei Testkäufen von Photovoltaik(PV)-Speichersystemen mit Lithium-Ionen-Technik seien sie auf eklatante Sicherheitsmängel gestoßen. „Auch wenn unsere Befunde wegen der geringen Zahl von getesteten Systemen nicht generalisierbar sind, würde ich mir gegenwärtig nur sehr genau gewählte Batterien ins Haus holen“, so Wollersheim. Bei einem Test hatten sich die giftigen Dämpfe aus einer überladenen Batterie wie Nebelschwaden über den Boden gelegt. „In so einem Szenario schlagen nicht einmal die Rauchmelder an“, gibt er zu bedenken.

Gutsch und Wollersheim leiten am KIT das Projekt „Competence E“, das sich mobilen und stationären Energiespeichern widmet. Beide waren zuvor in der Industrie. Gutsch gründete vor einem Jahrzehnt die LiTec GmbH, die Lithium-Ionen-Zellen entwickelt und fertigt. Er weiß, welche Gefahren die Hochvolt-Speicher bergen. „Die Leichtfertigkeit, mit der mancher Hersteller diese Gefahren übergehen, hat mich überrascht“, sagt er.


Billige Transistoren (u.r.) sollen Brandkatastrophen verhindern – sind dazu technisch aber gar nicht in der Lage. Foto: KIT

Den Anstoß für ihre Tests gab ein Besuch auf der Fachmesse Intersolar. „Wir haben dort letztes Jahr in Zivil Anbieter von PV-Speichersystemen besucht“, berichtet Wollersheim. Was sie an den Ständen vorfanden, habe sie teils schockiert. „Wir haben Batteriesysteme gesehen, die in keiner Weise westeuropäischen Sicherheitsstandards genügten“, sagt er. Fragen zur Betriebssicherheit habe das Standpersonal mit teils hanebüchenem Unsinn beantwortet.

Die Forscher wollten es genauer wissen. Sie nutzten 50 000 € ihres Projektbudgets für fünf Testkäufe bei deutschen Anbietern von PV-Speichersystemen. „Wir haben bewusst keine Billigspeicher in Fernost bestellt, sondern Systeme
made in Germany“, so Gutsch. Wobei hiesige Hersteller meist Zellen aus Asien beziehen, diese verschalten, zu Batterien montieren und mit Batteriemanagementsystemen versehen. „Die Stichprobe ist natürlich nicht repräsentativ“, sagt Gutsch. Die Beschränkung auf deutsche Lieferanten sei in dem unübersichtlichen Heimspeichermarkt eine qualitative Vorauswahl. Gerade im Web gebe es reihenweise dubiose Anbieter.

Verpackung: mangelhaft. Die von den KIT-Forschern bestellten Speicher wurden teils unter Missachtung aller Transportvorschriften versendet. Foto: KIT

Das Qualitätsversprechen erwies sich als leer. Das begann schon bei der Anlieferung. Für den Transport von Lithium-Ionen-Batterien gibt es rechtsverbindliche Vorschriften. Etwa eine stabile Verpackung, eine Gefahrgut-Kennzeichnung mit UN-Klassifizierung oder ein Handling-Label mit Handlungsempfehlungen bei Beschädigungen und mit einer jederzeit erreichbaren Telefonnummer. Dort sollen Transporteure Rat einholen, wenn die Fracht auffällig wird. „Drei der fünf Hersteller haben die Transportvorschriften grob missachtet“, berichtet Wollersheim. Mangelhafte Verpackungen, fehlende Labels und in einem Fall keinerlei Hinweis auf Gefahrgut. Ein vierter Hersteller hatte das Handling-Label so angebracht, dass unterwegs die Telefonnummer weggerissen war.

Dies klaren Rechtsverstöße werten die KIT-Forscher als Hinweis, dass den getesteten Herstellern das Bewusstsein für die Gefahren der Lithium-Ionen-Technik abgeht. Diese Einschätzung bestätigte sich bei der Begutachtung der gelieferten Batterien: Blanke Pole, lose Zellverbinder, ungesicherte Metallschrauben und verrutschte Isolierungen boten reichlich Möglichkeiten für gefährliche Kurzschlüsse auf dem Transportweg.

Die Befunde wurden beim anschließenden Zerlegen der Batteriesysteme zur Prüfung der Betriebssicherheit nicht besser. Die Forscher förderten in mehreren Fällen Billigst-Zellen ohne jede Sicherheitszertifizierung zutage. „Solche Zellen hätten in der Autoindustrie nicht den Hauch einer Chance“, sagt Wollersheim. Während Autobauer Lithium-Ionen-Batterien harten elektrischen, mechanischen und thermischen Sicherheits- und Abuse-Tests bis hin zum Eindringen von Nägeln unterziehen, scheint dies bei Stationärspeichern nicht der Fall zu sein. „Es gibt im PV-Speichermarkt Anbieter, die sich freiwillig an den Sicherheitsprüfungen der Autoindustrie orientieren, doch sie sind rühmliche Ausnahmen“, so der Experte.

Ein gravierendes Problem sorglos zusammengeschusterter Lithium-Ionen-Batterien ist ihr Verhalten bei Kurzschlüssen oder unkontrollierter Überladung: Die Zellen werden heiß und in ihnen bildet sich ein hoch explosives Gemisch. Dämpfe der lösungsmittelhaltigen Elektrolyte gehen schon ab circa 40 °C in Flammen auf. Entweicht das Gemisch beim Platzen der Zellen oder beim Öffnen dafür vorgesehener Sicherheitsventile schlagartig, reicht eine heiße Oberfläche oder ein Funken zu jenem Inferno, das die KIT-Forscher in ihrer Brandversuchshalle mehrfach beobachtet haben.

Kurzschlüssen oder Überladung müssten die Hersteller gerade vor dem Hintergrund, dass sie nicht zertifizierte Technik einsetzen, besonders gewissenhaft vorbeugen. Erst recht, weil die Batterien PV-Strom speichern sollen, der auch dann weiterfließt, wenn sie voll sind. Doch die Detailuntersuchungen an den Batterien förderten haarsträubende Mängel zutage. Etwa die Möglichkeit, die Batterien mit den jeweils eigenen MC4-Steckern direkt kurzzuschließen – ohne Warnung vor den katastrophalen Folgen. Oder gänzlich fehlender Kurzschlussschutz im Lastpfad. „Bei einem der von uns getesteten Produkte stellt das Kabel im Fall eines Kurzschlusses die einzige Sicherung für 2,56 kWhel dar“, so Wollersheim. Statt hochwertiger Relais zur Trennung der Batterie von der Stromzufuhr fanden sich billigste, noch dazu parallel geschaltete Feldeffekttransistoren (FET). Weil defekte FETs leiten, fehlte jede Redundanz im Überladungsschutz. „Solche Komponenten haben in sicherheitsrelevanten Ladereglern nichts zu suchen“, stellt er klar.

Nach der Detailanalyse der PV-Speicher folgten die Funktionstests, für die das KIT-Team wohlweislich direkt in die Brandversuchshalle umzog. Dort schloss es die Batterien an simulierte PV-Anlagen an und untersuchte Störungen, zu denen es im Betrieb jederzeit kommen kann: Versagen der Transistoren oder Unterbrechung der Kommunikationskabel. „Die Bandbreite reichte von unauffälligem Verhalten über massive Rauchentwicklung bis zu Feuer und zur Explosion“, so Gutsch. In einem Fall entluden sich die mehreren kWh Energiegehalt der Batterie in einem Feuerball, der den nachgebauten Kellerraum ums Doppelte überragte. „Wie in einem schlechten Actionfilm“, erinnert er sich.

Die Wissenschaftler werten das Ergebnis ihrer Stichprobe als absolut erschreckend. Sie haben frei verkäufliche, über ein KfW-Programm gar förderfähige PV-Batteriesysteme gekauft, die ihnen bei einfachen Störfällen buchstäblich um die Ohren geflogen sind. Rund 4000 solcher PV-Batteriesysteme hat der Bund im vergangenen Jahr über ein KfW-Förderprogramm mit bis zu 30 % bezuschusst, insgesamt flossen dabei 76 Mio. €. Verbindliche Sicherheitstests oder hinreichende Zertifizierung als Voraussetzung der Förderung? Fehlanzeige. Für Gutsch ein vollkommen unhaltbarer Zustand: „In Deutschland werden täglich Lithium-Ionen-Batterien für den stationären Einsatz in den Verkehr gebracht, die nicht nur falsch deklariert und ungesichert transportiert werden, sondern die schon bei einfachen Störfällen nicht mehr betriebssicher sind“, resümiert er.

Neben den teils lebensbedrohlichen Problemen haben die KIT-Forschern einen weiteren Mangel aufgedeckt. Die Steuerungen der Speichersysteme für PV-Anlagen halten nicht, was sie versprechen. „Wird am Vormittag im Haushalt wenig Strom verbraucht, fließt der Strom in die abends zuvor geleerte Batterie, die dann pünktlich zur Mittagszeit voll ist“, erklärt Gutsch. Sind viele solcher Systeme in Betrieb, droht statt Netzentlastung der schlagartige Anstieg der Solarstrom-Einspeisung zur Mittagszeit. „Viele Anbieter haben die Komplexität der Steuerung unterschätzt“, kritisiert er. Eine sinnvolle Steuerung müsse drei Unbekannte unter einen Hut bringen: die witterungsabhängige Stromproduktion, den nach Tageszeit und Wochentag schwankenden Verbrauch im Haushalt und die ebenso schwankende Speicherkapazität. „Eine Software zu entwickeln, die das zuverlässig leistet, kostet einige 100 000 €“, schätzt Wollersheim. Nach den bisherigen Testresultaten zu urteilen, hätten nicht viele Hersteller diese Investition getätigt.

Gravierender seien aber die Sicherheitslücken. „Wir müssen laut Alarm schlagen!“, sagt Wollersheim. Das Bundeswirtschaftsministerium sei informiert. Nun folge der Schritt an die Öffentlichkeit. „Es geht nicht darum, der PV-Speicherbranche Schaden zuzufügen“, betont er. Im Gegenteil wollen sie Schaden von Verbrauchern und Herstellern abwenden. PV-Batterien seien auf bestem Wege zur Wirtschaftlichkeit. Wenn die Branche es richtig anpacke, sei der Nutzen für die Energiewende groß. „Wenn allerdings brennende Häuser die Technik in Misskredit bringen, ist niemandem geholfen“, stellt Gutsch klar. Erst recht nicht den Anbietern, die für die Produkte, die sie in Verkehr bringen, haften. „Würde ich Batterien, wie wir sie teils in unseren Tests gesehen haben, herstellen und verkaufen – ich könnte nicht mehr ruhig schlafen“, sagt Gutsch. Als Gründer und Ex-Chef eines Batterie-Start-ups weiß er genau, wovon er redet.

Große Qualitätsunterschiede bei Lithium-Ionen-Akkus

Lithium-Ionen-Batterien gibt es in zahlreichen Varianten. Als Faustformel gilt: Lithium-Cobalt-Oxid oder Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid sind kritischer zu bewerten als etwa das Mischoxid Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid oder Lithium-Eisenphosphat. Vor allem kommt es auf die technische Ausführung und die Schutzvorrichtungen gegen Kurzschlüsse, Überladung und Überhitzung an.

Neben Zellen ohne Zertifizierung gibt es welche, die ausschließlich nach den UN-Transportvorschriften zertifiziert sind und solche, die harte Sicherheits- und Missbrauchs-Tests bestanden haben. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Zellen ohne Deklarierung transportiert werden – ein Indiz, dass selbst ein UN-Transportzertifikat fehlt.

Die Autoindustrie unterzieht Zellen harten Tests. Gewertet wird nach einer Skala von 0 (kein sichtbarer Effekt) bis 7 (Explosion). Bis Level 4 (kein Feuer, keine Explosion) gelten sie als „überladungssicher“ .

Sicher werden Zellen u.a. durch Additive, die Gasbildung bei Überspannung unterdrücken, durch druck- und temperaturgesteuerte Schalter, die die Stromzufuhr unterbinden oder durch keramische Separatoren.

Bei Überladung reagiert Elektrolyt an den Elektroden. Es bilden sich giftige, explosive Gasgemische. Eine einzige 40-Ah-Zelle setzt bis zu 200 l davon frei. Das Gefahrenpotenzial von Kurzschlüssen hängt vom Widerstand ab. Es droht ein sogenannter Thermal-Runaway: Reaktion an den Elektroden, Gasbildung und (wegen hoher Temperaturen in der Zelle) mit hoher Wahrscheinlichkeit Entzündung/Explosion. Das Batteriemanagement muss auch kurzzeitige Kurzschlüsse detektieren und melden. Wenn nicht, droht beim nächsten Ladevorgang ein interner Kurzschluss mit Thermal-Runaway.

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