60 Jahre Trabi: „Rennpappe“ mausert sich zum Kultobjekt
Verlacht, verramscht, vergessen? Nicht mehr, der Trabi fährt nach 60 Jahren immer häufiger auf Deutschlands Straßen.
Was wurde der Trabant verspottet. Das DDR-Einheitsauto war wegen der verwendeten Materialien mal als „Plastebomber“, mal als „Rennpappe“ verschrien. Vom Trabant war ohnehin nie die Rede, wenn dann von der Verniedlichung als „Trabi“. Ein Witz auf vier Rädern. Und doch wurde der Besitz von vielen herbeigesehnt. Denn der Staatswirtschaft der DDR gelang es nicht, genügend Autos für die wachsende Nachfrage in der Bevölkerung zu bauen. Folglich vergingen zwischen Bestellung und Auslieferung des Kleinwagens mitunter zehn Jahre. 2024 wird der Trabant 60. Und feiert ein heimliches Comeback.
Technisch nie auf Augenhöhe mit Westmodellen
Doch von vorne. Bei seiner Präsentation 1964 galt der Trabi aus Zwickauer Fertigung noch durchaus als zeitgemäß. Das Design lobte das DDR-Magazin „Der Deutsche Straßenverkehr“ als dem „internationalen Geschmack“ entsprechend. Kurbelfenster und Druckknopftürgriffe waren der neueste Schrei. „Mit dem Platzangebot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internationalen Maßstab an der Spitze der vergleichbaren Fahrzeuge“, behauptete die Zeitschrift gar. Die technischen Leistungsdaten waren auch für damalige Zeit bescheiden. Ein Zweitakt-Motor mit anfangs gerade einmal 23 PS, Luftkühlung und einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h hielt schon damals nicht mit vergleichbaren Westmodellen stand. Zum Vergleich: Der 1961 vorgestellte NSU Prinz 4 leistete bereits 30 PS.
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Ingenieure setzen aus Devisenmangel auf Duroplast
Die zahlreichen Spötter rief allerdings die Karosserie des Trabis auf den Plan. Weil die Devisen und Rohstoffe für Metall fehlten, wichen die DDR-Ingenieure auf Duroplast aus. Ein Material aus sowjetischer Baumwolle und Phenolharz aus Braunkohlenteer, wie Bernd Cyliax, ein ehemaliger Mitarbeiter des Trabi-Hersteller VEB Sachsenring, anlässlich des Jubiläums gegenüber der Deutschen Presseagentur erläuterte. Der Nachteil: Das Pressen von Duroplast geht deutlich langsamer vonstatten als die Blechfertigung. Deshalb gelang es auch in den Folgejahren nicht, die Stückzahlen entscheidend zu erhöhen.
Gebrauchter Trabi war teurer als ein neuer
Stattdessen verursachte der technische Sonderweg einen Automangel in der DDR. Die wenig verfügbaren Trabis waren so begehrt, dass die Gebrauchtwagenpreise nicht selten über denen für Neuwagen lagen. Mit der Wende purzelten die Preise freilich. Autohäuser schossen in den neuen Bundesländern an jeder Ecke aus dem Boden und brachten VW, Opel & Co. an die Neu-Bundesbürger. Der Trabi wurde über Nacht zum Ladenhüter, die Fertigung kurz nach der Wende 1990 eingestellt. Die 2,8 Mio. Trabis, die insgesamt vom Band liefen, verschwanden schlagartig aus dem Straßenbild.
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Der Trabi feiert ein Comeback
Dieser Trend hat sich längst umgekehrt. Seit einigen Jahren steigen die Zulassungszahlen für den Trabant wieder an. Waren 2014 noch gerade einmal 32 300 auf deutschen Straßen gemeldet, nahm die Zahl bis 2023 wieder auf rund 40 000 zu. Immerhin 8300 davon rollen im ehemaligen Westen über die Straßen. Der Ost-Oldtimer werde mittlerweile wieder für Preise um 7300 € gehandelt, sagte Gerd Heinemann vom Beratungsunternehmen BBE Automotive der dpa. Seltene Varianten können gar bis zu 25 000 € wert sein. Die einfache Konstruktion des Trabants macht ihn vor allem für Bastler interessant. Auf Youtube kursieren mittlerweile zahlreiche Anleitungen und Tipps für Hobbykonstrukteure.
Dem Stinker droht das Fahrverbot
So wie die Begeisterung für den Trabi sich erhalten hat, so sind aber auch die Probleme geblieben. Etwa der Ausstoß von gesundheitsschädlichen Abgasen. Die Deutsche Umwelthilfe fordert daher ein Fahrverbot „für alte wie neue Fahrzeuge ohne eine wirksame Abgasreinigung“. Sollten die Forderungen sich durchsetzen, kommen ganz neue Herausforderungen auf beharrliche Trabi-Liebhaber zu – und die Bastlerszene. (dpa/aw)