Der Unimog und seine Varianten 18. Nov 2021 Von Hans W. Mayer Lesezeit: ca. 4 Minuten

Die Erfolgsgeschichte des Unimogs als Universalfahrzeug

Der Unimog begann als Schlepper für die Landwirtschaft. Doch der Weg zum Universalfahrzeug für Unternehmen und Militär war kurz und erfolgreich.

Der erste fahrbereite Prototyp des Unimogs. Das Fahrzeug wurde als Vielzweckschlepper für die Land- und Forstwirtschaft konstruiert.
Foto: Daimler Truck AG

Als der Ingenieur Albert Friedrich (1902–1961) vor 75 Jahren die ersten Konstruktionsskizzen für ein innovatives Universalmotorgerät zeichnete, muss er einen Minischlepper mit den multiplen Fähigkeiten einer eierlegenden Wollmilchsau im Hinterkopf gehabt haben. Der Direktor der 1844 gegründeten Göppinger Werkzeugmaschinenfabrik Gebr. Boehringer GmbH trieb gemeinsam mit der Firma Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd den Bau eines Vielzweckschleppers für die Land- und Forstwirtschaft energisch voran, sodass die ersten Exemplare im August 1948 auf der ersten Nachkriegsausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Frankfurt präsentiert werden konnten. 11 230 Mark kostete das knuffige Gefährt, das einem hochgesetzten Jeep mit Stoffverdeck und verlängerter Ladefläche ähnelte und von einem lediglich 18,5 kW starken Dieselmotor aus dem Personenwagenprogramm von Mercedes-Benz angetrieben wurde, aber über Allradantrieb mit Untersetzungsgetriebe verfügte. Noch auf dem Messestand konnte Boehringer die ersten 150 Bestellungen verbuchen.

Die Schweizer Armee erkannte als Erste den militärischen Nutzen des Unimogs

Nachdem bei Erhard & Söhne die ersten vier Prototypen fertiggestellt waren, begann im Juni 1948 bei Boehringer der Vorserienbau. Von Februar 1949 bis April 1951 entstanden dort 600 Fahrzeuge der Baureihe 70 200, die am 20. 11. 1946 offiziell den Namen Unimog (Abk. für Universalmotorgerät) erhalten hatte. Ein Teil der Produktion ging ab September 1950 an die Schweizer Armee, die frühzeitig den militärischen Nutzen des Allradgefährts erkannt hatte.

Ein Unimog der US-Marines demonstriert, welche vielfältigen Anbausätze und Ausstattung für den Fahrzeugtyp verfügbar waren. Bis heute geht ein großer Teil der Produktion an das Militär. Foto: National Museum of the U.S. Navy/public domain

Schon die frühen Boeh­ringer-Exemplare wurden von dem legendären Mercedes-Benz-Dieselmotor OM 636 angetrieben, der von 1949 bis 1953 in die Limousine 170 D und anschließend bis 1961 im Nachfolger 180 D eingebaut wurde. Der zunächst 1697 cm3 und kurze Zeit später 1767 cm3 große Vierzylinder-Vorkammerdiesel leistete im ersten Unimog spärliche 18,5 kW bei 2300 min-1, in den Pkw-Modellen später bis zu 32 kW. Er trieb auch etliche Leichtlieferwagen und Kleinbusse von Mercedes-Benz an und fand außerdem jahrzehntelang in Feuerwehrpumpen, Notstromaggregaten, Gabelstaplern und Schiffen Verwendung.

Der Unimog S 404 B ist das bekannteste Unimog-Modell

Im Frühjahr 1951 übernahm Daimler-Benz von Boehringer den Unimog-Geschäftsbereich samt dessen Chef Albert Friedrich. Schon am 4. Juni desselben Jahres liefen im Werk Gaggenau die ersten Unimogs mit Stern im Kühlergrill vom Band. 1953 begann die Entwicklung der Baureihe 404, die ab Herbst 1955 an die Bundeswehr ausgeliefert wurde. Bis 1980 wurden insgesamt 64 242 Einheiten produziert, davon 36 638 für die Bundeswehr. Damit avancierte der Typ S 404 B zum bekanntesten Unimog-Modell aller Zeiten.

Unter seiner Motorhaube saß nicht etwa, wie eigentlich zu erwarten, ein Selbstzünder, sondern ein Reihensechszylinder-Ottomotor mit oben liegender Nockenwelle, der aus 2195 cm3 Hubraum 60 kW bei 4850 min-1 holte. Den hatten die Konstrukteure aus dem Pkw-Programm entliehen, wo er bereits seit 1951 die Oberklasselimousine Mercedes-Benz 220 und später bis 1965 deren Nachfolger antrieb. Die Wahl eines solchen für militärische Nutzfahrzeuge reichlich unpassenden vielzylindrigen Benzinmotors hatte auch bei zwei weiteren deutschen Fahrzeugbauern Tradition, weil damals Benzin als Treibstoff wesentlich problemloser zu beschaffen war als Diesel.

So wurde der von 1938 bis 1942 für die deutsche Wehrmacht produzierte Opel Blitz von einem 2,5-l-Reihensechszylinder angetrieben, der aus der Limousine „Opel Super 6“ stammte und bis 1959 in das Oberklassemodell Opel Kapitän eingebaut wurde. Noch extremer gingen die Ingenieure bei Ford ans Werk und transplantierten in ihren Dreitonner einen veritablen V8-Ottomotor mit 3,9 l Hubraum und 68 kW aus dem Limousinenprogramm. Der bis 1961 an die Bundeswehr gelieferte Allradlastwagen verbrauchte auf 100 km rund 35 l Benzin.

Der Unimog als Universalfahrzeug der Bundeswehr

Daran gemessen galt der Spritverbrauch des Unimog S 404 B von etwa 20 l fast schon als sparsam. Der für die Bundeswehr entwickelte geländegängige Eineinhalbtonner mit Pritschen- oder Kofferaufbau wurde als Universalfahrzeug für den Transport von Mannschaften oder Material ebenso eingesetzt wie als Sanitäts-, Fernmelde-, Kommando- und Fahrschulwagen. Die Kraftübertragung zu den zwei starren Portalachsen unter dem verwindungssteifen U-Profil-Rahmen erfolgte über ein vollsynchronisiertes Sechsganggetriebe mit zwei Rückwärtsgängen und je einem Sperrdifferential vorn und hinten.

Ein Unimog S 404 des Panzerartillerielehrbataillons 95. Kofferaufbau und Antennen weisen ihn als Fernmeldefahrzeug aus. Aufgrund der von der Bundeswehr und anderen Armeen bestellten hohen Stückzahlen dürfte die Version S 404 die bekannteste des Unimogs sein. Foto: Huhu, public domain.

Unimog als Fahrzeug für Weltreisen

Neben der militärischen Version gab es zahlreiche zivile Ausführungen für Bahn, Post, Land- und Forstwirtschaft oder Kommunalbehörden. Für spezielle Einsätze war wahlweise ein zusätzliches Zwischengetriebe lieferbar, sodass insgesamt 20 Gangstufen zur Verfügung standen und Kriechfahrten mit maximal 0,3 km/h möglich wurden. Als schienenfähige Rangierzugmaschine konnte der Unimog Anhängelasten von bis zu 300 t bewältigen. Für private Weltreisen ebenso wie für Forschungsexpeditionen und Hilfsorganisationen ist der Unimog neben den Modellen von Land Rover als robuster Allesüberwinder seit Jahrzehnten erste Wahl. Schon 1965 gelang einem Team mit ihm erstmals die Durchquerung der Sahara von West nach Ost.

Hochgeländegängiger Unimog der Bundeswehr

Dem Ur-Unimog von 1948 und dem Bundeswehrklassiker S 404 B folgten im Lauf der Jahre immer stärkere Modelle nach, die von Lkw-Dieselmotoren angetrieben wurden. 1974 führte Daimler-Benz die schwere Unimog-Baureihe ein, die heute als „hochgeländegängig“ vermarktet wird. Ein angemessenes Prädikat angesichts eines Böschungswinkels von bis zu 44 Grad, einer Achsverschränkung bis zu 30 Grad und einer Wattiefe bis zu 800 mm – mit Schnorchel sogar bis zu 1200 mm. Hergestellt werden die Alleskönner seit 2002 im Daimler-Werk Wörth.

Ein Bundeswehr-Unimog der Reihe 4000. Von Mercedes wird die Baureihe als „hochgeländegängig“ vermarktet. Ein angemessenes Prädikat angesichts eines Böschungswinkels von bis zu 44 Grad, einer Achsverschränkung bis zu 30 Grad und einer Wattiefe bis zu 800 mm – mit Schnorchel sogar bis zu 1200 mm. Foto: Alf van Beem, CC0

Dass zwischen einem Unimog und einem normalen Geländewagen Welten liegen, musste im Herbst dieses Jahres übrigens ein Voyeur erfahren, der sich am FKK-Strand von Scharbeutz/Ostholstein mit seinem Allradler festgefahren hatte, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Zum Retter in der Not wurde der gemeindeeigene Unimog, der ihn locker aus dem weichen Sand herauszog.

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