Kanzlerreise 23. Aug 2024 Von André Weikard Lesezeit: ca. 3 Minuten

Ehemaliges Opel-Gelände: Ein Symbol für wirtschaftlichen Wandel

Olaf Scholz macht auf einer Reise durch das Ruhrgebiet in Bochum Station. Das wurde aus dem ehemaligen Opel-Standort.

Aufnahme vom ehemaligen Opel-Werksgelände in Bochum aus dem April 2015. Die Abrissarbeiten sind in vollem Gange.
Foto: imago images/Revierfoto

Es war ein großer Einschnitt für die Region, als 2014 auch Opel dem Ruhrgebiet den Rücken zuwandte. Wo einst Kadett, Astra, Manta und Zafira vom Band rollten, rückten nun die Abrissbagger an. Tausende verloren ihren Arbeitsplatz. Olaf Scholz zieht es auf seiner Reise durch das Ruhrgebiet dennoch an diesen Ort. Denn der ehemalige Opel-Standort gilt heute als Erfolgsgeschichte. Das 70-ha-Gelände, heute als „O-Werk“ ausgezeichnet, beherbergt inzwischen ein Zentrum für Drohnen- und Laser-Fertigung oder eine Niederlassung von Volkswagen, wo Software für zahlreiche VW-Modelle entwickelt wird. Insgesamt 3500 Menschen arbeiten heute wieder da, wo vor knapp zehn Jahren nur Trümmer zu sehen waren.

Der Dokumentarfilm „We are all Detroit“ schildert die Abwicklung des Opel-Werks. VDI nachrichten berichtete zum Kinostart 2022:

„Was ist das? Die Zukunft?“, fragt eine Anwohnerin ungläubig, als vor ihren Augen die Hallen des ehemaligen Opel-Werks in Bochum im Staub versinken. „Der Wandel“, sagt ihr Mann. Und irgendwie hat dieses Politikerwort, das sonst in einer Reihe steht mit Floskeln von „Fortschritt“ und „Aufbruch“, einen bitteren Klang.

Der Dokumentarfilm „We are all Detroit“ blickt hinter die Kulissen des „Wandels“. Oder genauer: Er richtet die Kamera auf die Menschen, die diesen Wandel erdulden. Sein filmischer Kniff: Er tut das nicht nur in Bochum, wo Opel 2014 die Produktion stilllegte, sondern auch in Detroit, wo der Niedergang der US-Autoindustrie sich bereits seit Jahrzehnten vollzieht.

Und wenn auch 6488 km Luftlinie zwischen den beiden Orten liegen, so teilen die Betroffenen hier wie da ähnliche Erfahrungen. Wo etwa eine Gruppe von Öko-Enthusiasten in Detroit auf verwaisten Grundstücken Gemüse anbaut und die Früchte des Urban Gardenings dann auf dem Wochenmarkt zu gerade so viel Geld macht, dass es zum Überleben reicht, liest der Ex-Opelaner auf dem heimischen Bauernhof die Eier aus dem Stroh. Er hat den elterlichen Betrieb, der eigentlich vor der Auflösung stand, modernisiert. Eier aus dem Automaten – Eigenvermarktung inklusive.

Schluss nach 99 Jahren

Während die einen die Flucht nach vorn antreten, blicken andere zurück. So etwa der Besitzer eines Eisenwarenladens im Detroiter Stadtzentrum. Der heimliche Star des Dok-Films, Richard, der jeden seiner Kunden mit einem Schulterklopfen begrüßt, und immer die passende Schraube aus einem vergilbten Holzschächtelchen hervorkramt, präsentiert stolz seinen Schreibtisch. Darauf ein uralter Röhrenbildschirm. „Das Ding ist bestimmt 20, 30 Jahre alt“, sagt er. Und zu nichts anderem gut, als Notizzettel daran zu kleben oder sich dahinter zu verstecken, wenn man von der Kundschaft nicht gesehen werden wolle, scherzt er. Richards aus der Zeit gefallener Laden macht dicht. 99 Jahre, nachdem ihn sein Urgroßvater eröffnete. „Reparieren, Selbermachen ist aus der Mode“, sagt Richard. Und dass sein Vater ihm schon vor 30 Jahren gesagt habe: „Schäm dich nicht, wenn du den Laden einmal zu machen musst!“ Jetzt tut ers. Um seinem Sohn den ewigen Überlebenskampf zu ersparen. Schämen, man sieht es, tut er sich trotzdem.

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Es sind die kleinen Geschichten, die hinter den großen Zahlen stehen. Hinter den 3500 Arbeitsplätzen, die in Bochum bei Opel zuletzt verloren gingen. Hinter den 1,4 Mio. Bewohnerinnen und Bewohnern von Detroit, die der Stadt, ihrer Heimat, in den vergangenen Jahrzehnten den Rücken gekehrt haben, weil keine Arbeit mehr da war, um sie zu ernähren. Der Wanderzirkus Industrie zog weiter und hinterließ ein Trümmerfeld. „Ruinen-Porno“ nennt ein Protagonist aus dem Film das, was die Touristen erwartet, wenn sie nach Detroit kommen.

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Wo einst Cadillacs vom Band liefen, ist nur mehr braune Wiese

Sechs Jahre, von 2014 bis 2020, hat das Filmemacherduo Ulrike Franke und Michael Loeken gedreht, um diese kleinen Geschichten ausfindig zu machen und ins Bild zu setzen. Mit knapp zwei Stunden Spielzeit ist ihr Dokumentarfilm ungewöhnlich lang geworden. Langweilig ist keine Minute davon. Allein dem Ingenieur Greg, einst zuständig für Zylinderköpfe in Chrysler-Motoren, zuzuhören, ist faszinierend, wie er mit heruntergekurbeltem Fenster durch Detroit fährt, vorbei an gigantischen Industriebrachen, und alles mit seinen Schilderungen lebendig werden lässt. Wo einst Cadillacs vom Band liefen, ist nur mehr braune Wiese. Greg erzählt zum Beispiel von einer Mahagonitafel im Foyer des Chrysler-Gebäudes. Auf ihr war für jeden Ingenieur, der eine Erfindung für Chrysler gemacht hatte, eine Plakette mit seinem Namen und der Patentnummer angebracht. Gregs Vater war da verewigt, wie man glaubte. Als Greg sein erstes Patent bekam, stand schon fest, dass das Gebäude abgerissen werden würde. Sein Täfelchen wurde nie angebracht.

We are all Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden. R.: Ulrike Franke und Michael Loeken, Deutschland 2021. 118 min, Start: 12. 5. 2022

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