F-104 G: So sicher fühlte es sich im „Witwenmacher“ an
Die Lockheed F-104 Starfighter dürfte eines der berühmtesten Flugzeuge der Geschichte sein. Vor 70 Jahren, im März 1954, flog er zum ersten Mal. In Deutschland hat er einen zweifelhaften Ruf als Witwenmacher oder fliegender Sarg. Doch der ehemalige Pilot Frank Heinevetter vergleicht den Starfighter lieber mit einem Porsche. Wie er das mit seiner Erfahrung aus zehn Jahren begründet und wieso er sich auch im Tiefflug mit 50 m über Grund noch sicher fühlte, hat er in diesem Interview verraten.
Frank Heinevetter trat im Jahr 1968 in die Bundeswehr ein. Von 1973 bis 1983 war er Pilot auf der F-104 Starfighter, danach bis 1993 auf dem Panavia Tornado mit insgesamt 4400 Flugstunden. Auf seinem Facebook-Kanal „Erinnerungen eines Starfighter-Piloten“ postet er regelmäßig Videos zur F-104 im Dienst der Luftwaffe. Heinevetters Verband war das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel. Der Standort wird immer wieder in den Nachrichten erwähnt, weil dort die Luftwaffe ihre taktischen Atombomben der Bundeswehr gebunkert hat. Im Kalten Krieg standen auf den Fliegerhorsten der fünf Jagdbombergeschwader rund um die Uhr zwei Starfighter mit untergehängten Atombomben startbereit.
Fast Facts: Die Lockheed F-104 G bei der Bundeswehr
- Die Bundeswehr beschaffte mehr als 900 Starfighter ab dem Jahr 1960 für die Luftwaffe und die Marineflieger.
- Die für die Bundesrepublik entwickelte Version „G“ sollte nicht wie die Versionen der U. S. Air Force als Abfangjäger dienen, sondern auch als Aufklärer und Jagdbomber. Entsprechend stark unterschied sie sich von den US-Varianten. Die Konstrukteure verpassten ihr unter anderem ein größeres Seitenruder und ein besseres Radargerät sowie zahlreiche strukturelle Verstärkungen, um eine höhere Waffenlast zu tragen. Dazu gehörten auch taktische Atombomben.
- In drei Jahrzehnten stürzte davon ein Drittel ab, 121 Piloten starben. Zu den Ursachen zählten die fehlende Erfahrung der Luftwaffe mit modernen Flugzeugen, Fachkräftemangel und Schwächen in der Pilotenausbildung. Die Absturzserie endete Ende der 1960er-Jahre, als in der Verantwortung des Luftwaffeninspekteurs Johannes Steinhoff diese Probleme weitgehend behoben wurden. So erhielt der Starfighter einen modernen Schleudersitz und die Piloten eine verbesserte Überlebensausrüstung.
- Zahlreiche weitere Nato-Staaten beschafften die Version F-104 G, so Italien, Dänemark, Belgien, Niederlande, Norwegen und Kanada. Die Bundesrepublik und andere Lockheed-Kunden erreichten, dass die Maschinen zum großen Teil in Lizenz in Europa gebaut wurden. Damit war die Starfighter-Beschaffung auch eine industriepolitische Maßnahme, um die nationalen Luftfahrtindustrien zu fördern.
- Mitte der 70er-Jahre wurde bekannt, dass Lockheed den Exporterfolg mit 22 Mio. $ Schmiergeld gefördert hatte. Dass etwas davon in die Bundesrepublik und an den für die Beschaffung verantwortlichen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß floss, wurde nie bewiesen.
- Der letzte deutsche Starfighter wurde 1991 außer Dienst gestellt.
In welchen Museen kann ich die Lockheed F-104 G Starfighter in Deutschland ansehen?
Zahlreiche Starfighter sind in Deutschland noch erhalten. Sie finden sich in Luftwaffenstützpunkten, in privaten Sammlungen und Museen. Die Website www.916-starfighter.de zählt mehr als 120 F-104 Starfighter in Deutschland auf, die zumindest noch teilweise erhalten sind, auch wenn es beispielsweise nur das Cockpit ist. Die wichtigsten Museen mit Starfightern sind:
Das Militärhistorische Museum Gatow in Berlin verfügt mit fünf Exemplaren über den größten Starfighter-Bestand unter deutschen Museen. Spektakulärstes Exemplar ist das im Freigelände auf Pfosten montierte Exemplar mit unter dem Rumpf montiertem Raketentriebwerk. In den 1960er-Jahren wollte die Luftwaffenführung damit sicherstellen, dass die mit taktischen Atomwaffen ausgestatteten Jagdbomber auch noch starten konnten, wenn die Startbahnen zerstört waren. Entsprechend ist die Maschine mit der Attrappe einer Atombombe ausgestattet.
Die Flugwerft Oberschleißheim zeigt eine F-104 G des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel. Die Maschine stammt aus einer Serie von 210 Flugzeugen, die von einer Arbeitsgemeinschaft der Firmen Messerschmitt, Dornier, Heinkel und Siat in Lizenz gebaut wurden.
Im Technikmuseum Speyer sind zwei F-104 G Starfighter aus Bundeswehrbeständen zu besichtigen: Besucherinnen und Besucher erwartet auf dem Freigelände eine buntlackierte Maschine in den Farben des Marinegeschwaders 2 (MFG 2), das in den 1980er-Jahren eine Kunstflugstaffel betrieb. Im graugrünen Tarnanstrich präsentiert sich in einer Halle eine zweisitzige Trainingsversion von der Erprobungsstelle Manching.
Das Gerhard-Neumann-Museum im niederbayerischen Niederalteich ist dem Schöpfer des Triebwerks GE J-29 gewidmet. Es trieb unter anderem den Starfighter und die McDonnell Douglas F-4 Phantom an. Der jüdische Maschinenbauingenieur Neumann floh vor den Nazis nach China, wo er die US-Söldnerstaffel Flying Tigers im Einsatz gegen die Japaner unterstützte. In den Nachkriegsjahren stieg er zum Leiter der Triebwerksabteilung von General Electric auf. Zu den Exponaten des Museums zählen drei Starfighter. Einer ist eine doppelsitze Trainingsversion, bei einem anderen ist die Außenhaut abgetragen, um den Blick ins Innere freizugeben. Das Museum ist allerdings nur für Gruppen nach Voranmeldung zu besichtigen.
In welchen Filmen ist die Lockheed F-104 Starfighter zu sehen?
- The Starfighters von 1964 zählen Cineasten zu einem der schlechtesten Filme aller Zeiten. Von einer dünnen Story um drei Piloten zusammengehalten, besteht er zum großen Teil aus von der U. S. Air Force gedrehten Dokumentaraufnahmen von der Pilotenausbildung: Starts, Landungen, Luftbetankung etc.
- „Der Stoff aus dem die Helden sind“ (im Original treffender und knapper: „The right stuff“) von 1983 schildert über drei Stunden hinweg den Weg der sechs ersten US-Astronauten von ihrer Rekrutierung bis zum Weltraumflug. Ihnen gegenübergestellt wird der Testflieger Chuck Yeager, der sich immer wieder als Individualist dem Konformitätsdruck von Air Force und Nasa entzieht. Er setzt den dramatischen Schlusspunkt des Films, als er bei einem Testflug mit einem Starfighter bis auf mehr als 30 000 m aufsteigt, die Kontrolle über die Maschine verliert und sich nach endlosen Sekunden in der trudelnden Maschine mit dem Schleudersitz rettet. Als Double für Yeagers Flugzeug diente ein Bundeswehr-Starfighter. Er trug US-Kennzeichen, weil er in den USA für die Ausbildung deutscher Piloten eingesetzt wurde. Für die Absturzszene wurde der mit konstanter Geschwindigkeit Kurs haltende Starfighter von einem Begleitflugzeug aus verschiedenen Perspektiven gefilmt. Das Filmteam montierte daraus kurze Szenen mit harten Schnitten. So schufen sie beim Kinopublikum die Illusion, sie blickten auf ein trudelndes Flugzeug. Der Film bekam zu Recht einen seiner vier Oscars für den Schnitt.
- „Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern“ ist ein Fernsehfilm von RTL aus dem Jahr 2015. Anhand des Kampfes der Witwe eines verunglückten Piloten schafft es der Film in zwei Stunden, die vielen Aspekte des Starfighter-Skandals der Bundeswehr anschaulich darzustellen. Fernsehkritiker Rainer Tittelbach lobte: „Zwei Stunden lang interessant & packend. Dramaturgisch wenig innovativ, dafür höchst effektiv, top besetzt, hoher Identifikationsgrad, klasse Production-Design und ideologisch unbedenklich. Und der Soundtrack spielt, was die Jukebox hergab.“