Marinegeschichte 28. Jul 2021 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 1 Minute

Wie der Flugzeugträger zum Herrscher der Meere wurde

Kein anderes Kriegsschiff verkörpert so sehr einen politischen Machtanspruch wie der Flugzeugträger. Aber bis er diese Position auf den Weltmeeren erreichte, war es ein langer und mühseliger Weg. Eine Rückschau auf 100 Jahre Entwicklung in Bildern.

Die militärische und technische Vormacht der USA in den Nachkriegsjahren auf einen Blick: Der Träger USS Enterprise mit den Lenkwaffenkreuzern USS Long Beach (Mitte) und USS Bainbridge bei ihrer Weltumrundung im Jahr 1964. Die drei Schiffe mit Nuklearantrieb legten die 50 000 km in 65 Tagen zurück und nahmen dabei weder Treibstoff noch sonstige Versorgungsgüter auf. Teile der Mannschaft der USS Enterprise sind in ihren weißen Uniformen auf dem Flugdeck angetreten und bilden die von Albert Einstein aufgestellte Formel E = mc² nach. Die Formel bildet die theoretische Grundlage für die Kernspaltung. Die Enterprise sollte Typschiff für eine eigene Schiffsklasse sein, nach einer Kostenexplosion während des Baus kehrte die U. S. Navy jedoch zunächst zum konventionellen Antrieb für ihre Träger zurück. Die Enterprise und ihre Begleitschiffe bilden eine sogenannte Trägerkampfgruppe. Die Sowjetunion besaß keine Flugzeugträger, setzte stattdessen gegen die US-Flotte auf U-Boote, Langstreckenbomber und Marschflugkörper. Gegen diese Bedrohungen musste sich der Träger auf seine Begleitschiffe verlassen.
Foto: U. S. Navy/public domain

Zum ersten Male startete ein Flugzeug von einem Schiff, als Eugene Ely am 14. November 1910 vom Vorderdeck des Kreuzers USS Birmingham abhob. Eine schräge Rampe sorgte dafür, dass der Doppeldecker auf der kurzen Strecke genügend Auftrieb bekam. Auf den Fahrtwind des Kreuzers als Auftriebshilfe musste der Pilot verzichten, weil das Schiff vor Anker lag. Es war gerade einmal sieben Jahre her, dass der erste Motorflug stattgefunden hatte. 1911 gelang Ely auch die erste Landung an Bord eines Schiffs.

Foto: U.S. Navy/public domain

Auf dem britischen Kreuzer HMS Furious gelang 1917 die erste Landung eines Flugzeugs auf einem in Fahrt befindlichen Schiff. Der Pilot Edmund Dunning musste dazu durch die Turbulenzen und den Rauch des Schornsteins fliegen und die Aufbauten umrunden, um auf einer Plattform auf dem Vordeck zu landen. Die Furious lief dabei volle Kraft gegen die Windrichtung, um die Geschwindigkeitsdifferenz zum Flugzeug möglichst gering zu halten – ein Verfahren, das bis heute angewendet wird. Erst nach einem Umbau erhielt die HMS Furious ein durchgehendes Deck.

Foto: Public domain.

Die am 16. Dezember 1920 auf Kiel gelegte japanische Hosho war das erste Schiff, das von Anfang an als Träger geplant war. Mit einem durchgehenden Flugdeck, einem darunter befindlichen Hangardeck und einem Brückenaufbau auf der (rechten) Steuerbordseite sowie Aufzügen zum Transport der Flugzeuge besaß sie bereits wesentliche Merkmale, die sich bei dieser Schiffsklasse durchsetzen sollten. Japan war zu dieser Zeit eine aufstrebende Militärmacht, die die drittgrößte Flotte nach dem britischen Empire und den USA aufbaute.

Foto: Gemeinfrei

Die 1927 in Dienst gestellte japanische Akagi ist ein Beispiel dafür, wie die Seemächte anfänglich beim Bau von Flugzeugträgern experimentierten. Die Akagi hat drei übereinandergestapelte, unterschiedlich lange Flugdecks. Auf die sogenannte Insel, den Aufbau zur Schiffsführung und Organisation des Flugbetriebs, hatten die Konstrukteure verzichtet. Die Schornsteine ragten nicht über das Flugdeck hinaus, sondern leiteten die Abgase nach unten ab. Nachdem die Nachteile der Auslegung offensichtlich wurden, erhielt die Akagi 1938 ein durchgehendes Flugdeck und eine provisorische Insel. Das Flugdeck war nach vorne und hinten geneigt, um startende Flugzeuge zu beschleunigen und landende abzubremsen – eine weitere Innovation, die sich nicht durchsetzte.

Foto: gemeinfrei

Die USS Lexington (Foto) und ihr Schwesterschiff USS Saratoga begründeten 1927 den Bau mächtiger Flugzeugträger durch die USA. Die beiden Träger konnten jeweils rund 90 Flugzeuge in den Einsatz bringen. Die Lexington besaß einen großen Aufbau mit Brücke, Flugleitung und einem mächtigen Schornstein. So sollten die Turbulenzen für die anfliegenden Piloten gering gehalten werden. Die Platzierung der Aufbauten auf der Steuerbordseite setzte sich bei allen Flotten durch, weil frühe Versuche gezeigt hatten, dass Piloten instinktiv ihr Flugzeug nach links zogen, wenn sie die Landung abbrechen mussten. Wie die japanische setzte die US-Marine auf große Träger, um damit den "big strike", den entscheidenden Schlag gegen die feindliche Flotte, führen zu können. Die Royal Navy dagegen setzte auf eine größere Zahl kleinerer Träger, um als führende Handelsnation ihre weit verzweigten Seewege zu schützen.

Foto: U. S. Navy/public domain

Die HMS Ark Royal wurde kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Dienst gestellt. Die Vorstellungen der britischen Marine über den Einsatz von Flugzeugträgern folgte anderen Überlegungen als denen der US-amerikanischen und japanischen Admirale, die sich für einen Krieg im Pazifik rüsteten. So war die HMS Ark Royal mit einem 18 m über die Wasserlinie aufragenden und seitlich und am Bug geschlossenen Rumpf besonders geeignet, mit den Stürmen im Nordatlantik fertig zu werden. Wegen des schlechteren Wetters im Atlantik stellte die britische Marine auch keine Flugzeuge auf dem Flugdeck ab, was die Zahl der mitgeführten Maschinen einschränkte. Da die Royal Navy damit rechnete, im Kriegsfall in der Reichweite von zahlenmäßig weit überlegenen deutschen und italienischen Flugzeugen operieren zu müssen, führte sie als erste Marine ein Funkleitsystem ein, mit dem die Trägerflugzeuge im Schutz der Dunkelheit operieren konnten.

Foto: Public domain

Japanische Flugzeuge auf demTräger Schokaku lassen am Morgen des 7. Dezembers 1941 die Motoren warm laufen, um zum Angriff auf Pearl Harbor abzuheben. Der Anriff auf ihren Marinestützpunkt auf Hawaii kostete die USA acht beschädigte oder versenkte Schlachtschiffe, aber keinen einzigen Flugzeugträger, da sie zum Zeitpunkt der Attacke alle auf hoher See waren. Aber selbst wenn US-Flugzeugträger verlorgen gegangen wären: Gegen die amerikanischen Werftkapazitäten hatte Japan nie eine Chance. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bauten die USA in vier Jahren 24 große und mehr als 120 kleinere Träger.

Foto: National Archives/public domain

In sechs Minuten entschied sich der Zweite Weltkrieg im Pazifik. Solange benötigten Sturzbomber der U.S. Navy, um in der Schlacht um Midway am 4. Juni 1942 drei japanische Flugzeugträger zu versenken. Einen vierten verloren die Japaner kurze Zeit später, während die US-Marine nur einen der drei eingesetzten Träger einbüßte. Noch mehr als den Verlust der Schiffe traf die japanische Flotte der Tod vieler erfahrener Marineflieger. Die Schlacht um Midway machte endgültig klar, dass die über ein halbes Jahrhundert andauernde Dominanz der Schlachtschiffe vorbei war. Auf dem Foto weicht der japanische Träger Hiryu den Bomben von viermotorigen US-Bombern aus, die vergeblich in den Kampf eingegriffen hatten.

Foto: U.S. Navy photo/public domain

Wie verwundbar Flugzeugträger gegen Luftangriffe sind, zeigte sich am 19. März 1945, als die USS Franklin vor der japanischen Küste von zwei panzerbrechenden Bomben getroffen wurde. Sie durchschlugen das Flugdeck und explodierten im Hangardeck, wo sie Munition und Treibstoff in Brand setzten. Im so entfachten Großfeuer starben 724 Besatzungsmitglieder. Die Schlagseite auf dem Foto ist Folge der riesigen Menge Löschwasser, die an Bord gepumpt wurde. Den überlebenden Seeleuten gelang es, das Schiff notdürftig zu reparieren, sodass es mit eigener Kraft eine Marinewerft an der US-Ostküste erreichen konnte.

Foto: Public domain

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich strahlgetriebene Kampfflugzeuge durch. Sie waren nicht nur größer und schwerer, sondern hatten auch eine höhere Landegeschwindigkeit, was den Einsatz von Trägern noch gefährlicher machte. Deshalb legten die USA mit der Forrestal-Klasse eine neue Generation von Trägern auf. Das Foto der USS Forrestal zeigt die Neuerungen, die in den 1950er-Jahren Standard wurden: Das Winkeldeck erlaubte gleichzeitige Start- und Landeoperationen sowie das leichtere Durchstarten bei einem Landeabbruch. Die Sicherheit erhöhte auch ein automatisiertes Landesystem. Dampfkatapulte ermöglichten den Betrieb von schweren Jets. Die Flugzeugaufzüge wurden von der Mitte des Flugdecks an dessen Ränder verlegt und beschleunigten das Handling der Maschinen.

Foto: U.S. Navy

Trägerdecks werden gerne als die gefährlichsten 2000 Quadratmeter der Welt bezeichnet. Warum das so ist, zeigt dieses dramatische Foto von der USS Shangri-La aus dem Jahr 1970: Nachdem die Bremsen versagen, katapultiert sich Leutnant William Belden mit dem Schleudersitz aus seinem Jagdbomber vom Typ Douglas Skyhawk, genau in jenem Moment als das Flugzeug über die Deckkante in das Meer stürzt. Die sogenannten 0/0-Schleudersitze waren ein großer Fortschritt für die Sicherheit der Piloten. Anders als die ersten Schleudersitze, die eine bestimmte Mindestflughöhe benötigten, um dem Piloten eine sichere Landung am Fallschirm zu ermöglichen, funktionierten diese Rettungssysteme auch bei am Boden stehenden Maschinen.

Foto: U.S. Navy/public domain.

Nicht nur für Piloten ist das Leben an Bord eines Flugzeugträgers gefährlich, auch für die anderen Besatzungsmitglieder: Das Foto entstand bei der Brandkatastrophe an Bord der USS Forrestal im Jahr 1967. Bei den Vorbereitungen eines Luftangriffs auf Vietnam brach auf dem Flugdeck Feuer aus. Weil die Vorräte an modernen, hitzebeständigen Bomben aufgebraucht waren, waren die Flugzeuge mit Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg aufmunitioniert worden. In ihren Explosionen starben die Feuerwehrleute des Schiffes, die Löschversuche der überlebenden Matrosen fachten das Feuer noch an. 134 Besatzungsmitglieder starben. Zu den Überlebenden zählte der spätere Präsidentschaftskandidat John McCain. Er rettete sich aus seinem von Flammen eingehüllten Flugzeug, indem er über das Rohr für die Luftbetankung aus der Gefahrenzone balancierte.

Foto: U.S. Navy/public domain

Friedlichen Zwecken dienten US-Träger in den 1970er- und 1980er-Jahren, als sie für die Bergung der Astronauten und der Kapseln des Apollo-Programms eingesetzt wurden. Die USS Hornet gelangte zu weltweitem Ruhm, als die Rückkehr der Besatzung von Apollo 11, die als erste Menschen auf dem Mond gewesen waren, live im Fernsehen übertragen wurde. Das Foto zeigt die USS Hornet bei einer Übung einige Wochen vor dem Apollo-11-Flug. Die USS Hornet war ein Träger der Essex-Klasse aus dem Zweiten Weltkrieg. Da dieser Schiffstyp für den Betrieb moderner Kampfflugzeuge zu klein geworden war, rüstete die U.S. Navy die Hornet und einige ihrer Schwesterschiffe ab den 1950-Jahren zu U-Jagd-Schiffen um. Dazu hatten sie Hubschrauber und propellergetriebene Flugzeuge an Bord.

Foto: Milt Putnam, HS-4 U.S. Navy/public domain

„Erstmals seit Vasco da Gama ist die westliche Vorherrschaft auf See infrage gestellt“, kommentierte 1970 der Indian Express in Bombay die Aufrüstung der sowjetischen Flotte in den 1960er-Jahren. Doch Seeherrschaft ohne Flugzeugträger war damals nicht mehr möglich. In einem ersten Schritt entstanden deshalb die Hubschrauberträger der Moskwa-Klasse. Doch von dem Typ wurden nur zwei Schiffe gebaut, zu schlecht waren die Erfahrungen. Auf der Moskwa brach 1977 ein Großbrand aus, die Seetüchtigkeit der Schiffe war beschränkt und die Elektronik sehr störanfällig.

Foto: DoD/public domain

Als Großbritannien mit dem Hawker Siddeley Harrier den ersten einsatzbereiten Senkrechtstarter entwickelte, hatte das unmittelbare Folgen für die Seestreitkräfte. Denn es entfielen Katapulte und Fanganlagen, das Flugdeck und damit das ganze Schiff konnten wesentlich kleiner und damit kostengünstiger ausfallen. Nun legten sich auch Staaten Flugzeugträger zu, für die diese Schiffsklasse bisher zu teuer gewesen war, etwa Spanien und Italien. Auf dem Foto startet im Jahr 1971 ein Harrier der Royal Air Force (also kein Marineflugzeug, sondern eines der Luftstreitkräfte) vom Träger HMS Ark Royal. Die Versuche sollten helfen herauszufinden, inwieweit Senkrechtstarter für den Betrieb auf Flugzeugträgern geeignet waren. Die Testergebnisse waren so überzeugend, dass nicht nur die Royal Navy, sondern auch die U.S. Marines den Harrier anschafften.

Foto: Crown Copyright.

Zu was die Kombination von Senkrechtstartern und Flugzeugträgern fähig war, zeigte sich während des Kriegs zwischen Argentinien und Großbritannien um die Falklandinseln im Jahr 1982. Dank den Trägerflugzeugen konnte die britische Flotte die argentinischen Truppen auf den Inseln von ihrem Nachschub aus dem Heimatland abschneiden. Die Rückeroberung der Inseln unterstützten die Harrier-Senkrechtstarter mit Bombenangriffen. Das Foto zeigt HMS Invincible bei der triumphalen Rückkehr nach Portsmouth am 17. September 1982. Schiff und Besatzung hatten fünfeinhalb Monate auf See verbracht.

Foto: Defence Imagery/OGL V1.0

Die Admiral Kusnezow war der einzige Flugzeugträger der Sowjetunion und ist bis heute der einzige russische Träger geblieben. Seine kleine Flotte von 20 Kampfflugzeugen soll vor allen Dingen eigene Flottenverbände schützen. Zum Bekämpfen von US-Trägerkampfgruppen ist die Admiral Kusnezow mit Lenkwaffen ausgestattet, die feindliche Schiffe auf Entfernungen von bis zu 700 km treffen können. Ihr Schwesterschiff steht als Liaoning im Dienst der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Die Flotte der Volksrepublik China ist zur zweitstärksten nach jener der USA aufgestiegen. Das Land treibt ein ehrgeiziges Bauprogramm für Flugzeugträger voran. Experten zufolge will die chinesische Marine im Jahr 2035 sechs Träger im Einsatz haben. Die U.S. Navy sieht die Aufrüstung offiziell gelassen: „Das freut mich für sie“, kommentierte Admiral Chris Grady. „Es zeigt, dass Träger wichtig sind. Wir haben sie, die Chinesen bauen sie.“ Das Foto zeigt die Admiral Kusnezow im Jahr 1991 im Mittelmeer, begleitet vom US-Zerstörer Deyo.

Foto: U.S. Navy/public domain

Die USS Gerald R. Ford ist der erste Flugzeugträger der gleichnamigen Klasse, von denen die U.S. Navy ein Dutzend in den nächsten Jahrzehnten in Dienst stellen will. Rund 90 Flugzeuge können vom 333 m langen Flugdeck operieren. Die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführten Dampfkatapulte wurden durch elektromagnetische Katapulte ersetzt, auch die Munitionsaufzüge erhielten einen elektromagnetischen Antrieb. Allerdings musste die US-Marine im Sommer 2021 einräumen, dass es ein Fehler gewesen sei, 23 Neuerungen gleichzeitig beim neuen Trägertyp einzuführen. Die USS Gerald R. Ford soll nun 13 Mrd. $ statt der geplanten 10 Mrd. $ kosten und erst 2022 ihre volle Einsatzbereitschaft erreichen, statt im Jahr 2018, wie ursprünglich geplant. Das Foto zeigt Schockversuche im Juni 2021, bei dem nahe des Schiffes 18 t Sprengstoff gezündet wurden, um die Wirkung der Druckwelle auf die Systeme und den Rumpf des Schiffes zu testen.

Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 3rd Class Riley B. McDowell/public domain

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