Wie der Jagdbomber F-4 F Phantom der Luftwaffe den bundesdeutschen Luftraum schützte
1973 stellte die Luftwaffe ihre erste McDonnell Douglas F-4 F Phantom in Dienst. Als Lückenfüller für den Tornado angeschafft, übertraf sie die Erwartungen.
Inhaltsverzeichnis
- Die ersten Phantoms flogen bereits 1971 als Aufklärer bei der Luftwaffe
- Die Phantom der Luftwaffe waren sparsamer ausgestattet als die Versionen der U. S. Air Force
- Um den Phantom-Nachfolger Eurofighter gab es starke politische Querelen in Europa
- Die letzte F-4 F Phantom soll zum Denkmal vor dem Fliegerhorst des Jagdgeschwaders Richthofen werden
Die Szenerie am 29. Juni 2013 hätte „Top-Gun-Star“ Tom Cruise zur Ehre gereicht. Vor rund 100 000 Zuschauern rollte die in Blaumetallic und Gold lackierte Phantom II F-4 F gemeinsam mit drei weiteren Flugzeugen dieses Typs über die „Flight“ des Fliegerhorstes Wittmundhafen. Während sich die Piloten auf den Start konzentrierten, intonierte die ostfriesische Band „Rockhofener“ im Hintergrund ihr selbst komponiertes Stück „Take off and rock the sky for the last time“. Das war der Moment, in dem für das „Taktische Jagdgeschwader 71 Richthofen“ der deutschen Luftwaffe eine Ära zu Ende ging.
Nach 40 Jahren und 279 000 Flugstunden ging zum offiziell letzten Mal ein „Luftverteidigungsdiesel“ an den Start, wie die zweistrahlige Phantom wegen ihrer dunklen Abgasfahne von Piloten und Bodenmannschaften genannt wurde. Die auffällige Lackierung der fliegenden Hauptdarstellerin hatte einen Grund: Mit derselben Maschine mit der Kennung 37+01 hatte am 18. März 1973 das längste Kapitel in der Flugzeuggeschichte der Luftwaffe begonnen.
Einen Eindruck von der Verabschiedung der letzten Phantom der Luftwaffe gibt dieses Bundeswehrvideo:
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Die ersten Phantoms flogen bereits 1971 als Aufklärer bei der Luftwaffe
Als die Flieger in Ostfriesland ihre erste Phantom-Rotte bekamen, war dieser Flugzeugtyp kein Neuling am Himmel. Die Ursprünge des von dem US-amerikanischen Hersteller McDonnell Douglas entwickelten Kampfflugzeuges reichen bis 1958 zurück. Im Januar 1971 bekam das „Aufklärungsgeschwader 51 Immelmann“ die ersten zehn Maschinen des Typs RF-4E. Anders als die von den USA eingesetzten Flugzeuge trugen diese ersten Phantoms der Luftwaffe keine schwere Bombenlast, sondern Aufklärungsinstrumente. Das entsprach den ersten Aufgaben der schnellen Flieger mit einer Reichweite von bis zu 2800 km: Die „Immelmänner“ aus Bremgarten im Breisgau patrouillierten entlang der deutsch-deutschen Grenze, um in der Zeit des Kalten Krieges möglichst weit in den damaligen Ostblock spähen zu können.
Die McDonnell Douglas F-4 Phantom ist eines der bedeutendsten Flugzeuge des Kalten Krieges. Erfahren Sie mehr über ihre ereignisreiche Geschichte in dieser Bildergalerie:
Der für die Luftwaffe prägende Typ war jedoch Version F-4 F, von der das Verteidigungsministerium an der Bonner Hardthöhe insgesamt 175 Exemplare zum Stückpreis von 12 Mio. DM bis 15 Mio. DM als Jagdflugzeuge und als Jagdbomber anschaffte. Zu diesen Jagdflugzeugen gehörte auch die Maschine mit der Kennung 37+01.
Die Phantom der Luftwaffe waren sparsamer ausgestattet als die Versionen der U. S. Air Force
Grundsätzlich hatten die für Deutschland produzierten Maschinen weniger Ausrüstung an Bord als etwa die für den Kampfeinsatz ausgestatteten US-Versionen. Vor allem konnten sie keine Luft-Luft-Raketen größerer Reichweite, Luft-Boden-Lenkwaffen oder gar Atomwaffen tragen. Im Vergleich zu den mit einer Spitzengeschwindigkeit von 2390 km/h gleich schnellen Aufklärungsvarianten hatten die Jagdflugzeuge auch weniger Elektronik an Bord.
Paywall
Die Alarmrotten aus Ostfriesland sollten feindliche Flugzeuge schon im Anflug auf den Nato-Luftraum frühzeitig abdrängen. Gegebenenfalls konnten sie dafür lange in der Luft bleiben. Ihr immer wieder erweiterter Zuständigkeitsbereich erstreckte sich zuletzt von Island bis tief ins Baltikum. Alle Phantom-Typen konnten in der Luft betankt werden. Das hatte es der Luftwaffe ermöglicht, die neuen Flugzeuge direkt auf dem Luftweg aus den USA zu holen.
Die Wartung und Technik der Aufklärerversion RF-4E zeigt dieser Film der Bundeswehr aus dem Jahr 1972:
Dass sie bis zu 40 Jahre in Dienst blieben, ahnte beim Ankauf der ersten Exemplare allerdings niemand. Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Günther Rall, hatte bei der Indienststellung der ersten Phantoms nur eine Verweildauer von 15 Jahren angekündigt. Anschließend sollten sie durch die europäischen Mehrzweck-Kampfflugzeuge (Multi-Role Combat Aircraft MRCA) Panavia Tornado und Eurofighter ersetzt werden.
Als die Phantom nach Deutschland kam, hatte die Entwicklung des Tornados schon begonnen. Nach dem Ausstieg von Kanada, Frankreich und Belgien blieben von den am Entwicklungsprozess interessierten Ländern aber nur Großbritannien, Italien und Deutschland übrig. 1980 wurde der erste Tornado ausgeliefert. Statt der ursprünglich geplanten 1500 Flugzeuge wurden nur 992 Exemplare hergestellt. Als die Produktion 1998 eingestellt wurde, flog die F-4 F Phantom immer noch.
Um den Phantom-Nachfolger Eurofighter gab es starke politische Querelen in Europa
Noch massiver waren die Querelen um eine ähnliche Kooperation für den Eurofighter. Innerhalb Europas war es schwierig, sich auf ein gemeinsames Anforderungsprofil für ein solches Flugzeug zu verständigen. Zudem beharrte Frankreich auf einen hohen eigenen Anteil an der Wertschöpfung bei Entwicklung und Bau. Alternativ überlegte Kooperationen zwischen einzelnen europäischen Ländern und amerikanischen Flugzeugherstellern scheiterten unter anderem an Kostenaspekten. Deutschland konnte sich nicht mit dem Wunsch nach einem kleineren und kostengünstigeren Flugzeug durchsetzen. Am Ende blieb ein Kompromiss, an dem sich neben den Tornado-Partnern nur noch Spanien beteiligte.
In den ersten Entwicklungsphasen Anfang/Mitte der 1980er-Jahre gab es neue technologische Konzepte wie den Einsatz von Carbonfaser-Verbundstoffen in den Tragflächen. Doch wenig später überholte die politische Realität die technischen Planungen – mit der als Ende des Kalten Krieges gefeierten Entspannungsphase Ende der 1980er-Jahre ging das Interesse der beteiligten Länder am Eurofighter rapide zurück. Erst 1997 konnten sie sich auf einen Vertrag über die Produktion von 392 Flugzeugen einigen. Weitere Verzögerungen entstanden durch technische Probleme, die während der Erprobungsphase mit ersten Prototypen aufgetaucht waren. Am Ende konnte die deutsche Luftwaffe erst 2004 die ersten sieben Eurofighter übernehmen. Die F-4 F Phantom flog derweil unbeirrt schon seit mehr als 30 Jahren.
Die letzte F-4 F Phantom soll zum Denkmal vor dem Fliegerhorst des Jagdgeschwaders Richthofen werden
Dass es am Ende tatsächlich genau 40 Jahre waren, die das erste Exemplar im Einsatz sein würde, ahnte selbst da noch niemand. Erst seit 2011 wurde den Piloten am Fliegerhorst Wittmundhafen klar, dass die erste Maschine 37+01 auch das letzte Flugzeug sein würde. Um diesen Kreis vom Anfang bis zum Ende der Phantom-Fliegerei hinzubekommen, wurden die Flug- und Wartungszyklen für das besondere Exemplar gestreckt. Noch steht „37+01“ in einem Hangar auf dem Fliegerhorst in Wittmund. So wie sich Tom Cruise mit dem neuen Top-Gun-Movie ein Denkmal setzte, soll die erste F-4 F Phantom in absehbarer Zeit auf einen Sockel am Eingang zum Jagdgeschwader Richthofen gehoben werden.
Neben der wehmütigen Erinnerung an den legendären „Luftverteidigungsdiesel“ hat die neue Position einen pragmatischen Hintergrund: In den Hallen des inzwischen mit 28 Eurofightern ausgestatteten Geschwaders wird der Platz Mangelware. Die modernen Maschinen sind zwar etwa 20-mal so teuer wie die Phantom, absolvieren aber auch aus Kostengründen deutlich weniger Flugstunden. Wie lange sie noch im Einsatz bleiben, ist zudem offen. Zunächst wird die Luftwaffe ihre Tornados ersetzen. Anders als geplant geht mit der F-35 wieder eine amerikanische Entwicklung an den Start.