Die Geschichte des Mehrzweckkampfflugzeugs 08. Apr 2020 Von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 3 Minuten

Wie der Panavia Tornado Europas Flugzeugbau voranbrachte

Für das Mehrzweckkampfflugzeug Panavia Tornado wurden vor 50 Jahren viele Innovationen entwickelt. Nun wird es ausgemustert. Ein Rückblick.

Der mit Zuladungen bis zu 28 t schwere Panavia Tornado kann in Baumwipfelhöhe fast mit Schallgeschwindigkeit fliegen. Die Piloten müssen sich dabei auf den Bordcomputer verlassen. Im Bild ein Tornado der Bundeswehr bei einer Übung in Norwegen im Oktober 2018.

Foto: Corporal Bryan Carter, 4 Wing Imaging CK04-2018-0922-059/Public Domain

Von 359 erhaltenen Panavia Tornados hat die Luftwaffe noch 90 Maschinen im Dienst. Das Foto von 2003 zeigt den Start einer Maschine während einer Übung in Alaska. Zu dieser Zeit trugen die Tornado einen schwarzgrünen Tarnanstrich, der ihre Sichtbarkeit während des Tiefflugs erschweren sollte.

Foto: SSgt. Matthew Hannen, U.S. Air Force/Public Domain

Das Cockpit des Panavia Tornados wurde über die Jahrzehnte immer wieder modernisiert. Der Waffensystemoffizier blickt nicht mehr im Monitor in der Mitte auf eine analoge Landkarte oder einen trüb-grünes Radarbild, sondern auf ein hochauflösendes Display mit der Positionsbestimmung aus der Satellitennavigation.

Foto: Bundeswehr/ Oliver Pieper

Die britische Royal Air Force stellte als einziges der drei an der Entwicklung des Panavia Tornados beteiligten Länder eine Version als Jagdflieger in Dienst. Erkennbar ist sie an der längeren Nase und den vier Luft-Luft-Lenkwaffen unter dem Rumpf. Hier stößt eine Maschine während einer Übung im Jahr 2003 Magnesiumfackeln aus, die im Ernstfall Raketen mit Hitzesuchköpfen ablenken sollen.

Foto: Ministy of Defence, OGL

Britische Panavia Tornado flogen mehrfach Kriegseinsätz, zuerst bei der Befreiung Kuwaits nach der irakischen Invasion im Jahr 1991. Auf dem Foto fliegt ein mit Lenkbomben bewaffneter Tornado (vorn) und eine Blackburn Buccaneer in Formation mit einem Tanker des Typs Handley Page Victor.

Foto: Ministry of Defence/OGL

24 Jahre nach dem Krieg gegen den Irak nach dessen Invasion Kuwaits flogen britische Panavia Tornado wieder über dem Irak: Hier betankt im Jahr 2015 ein Airbus A330 MRTT zwei Tornado.

Foto: U.S. Air Force photo by Staff Sgt. Perry Aston/Public Domain.

Die General Dynamics F-111 Aardvark hatte bereits 1964, also acht Jahre vor dem Tornado, ihren Erstflug. Sie war das erste in Serie produzierte Kampfflugzeug mit Schwenkflügeln. Die Avionik war jedoch dem des Tornado unterlegen. Die F-111 auf dem Bild ist mit 16 freifallenden Bomben bewaffnet.

Foto: National Museum of the U.S. Air Force/Public Domain

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte bis März den Nachfolger des Tornado verkünden, dann kam die Corona-Krise dazwischen. Hier zeigt sie sich 2019 auf einem Eurofighter, der vermutlich zusammen mit US-Maschinen des Typs F/A-18 Super Hornet den Tornado ersetzen wird.

Foto: Bundeswehr/Johannes Heyn

Abschied nach vier Jahrzehnten Dienstzeit: Ab 2025 sollen die 90 Tornado der Luftwaffe ausgemustert werden, ersetzt von Eurofightern aus deutsch-britischer Produktion und US-amerikanischen McDonnell Douglas F/A-18. Das zumindest sieht ein kürzlich durgesickertes Papier der Bundesregierung vor, auch wenn Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer noch keine Entscheidung getroffen hat.

Als der erste Tornado am 14. August 1974 in Manching zu seinem Jungfernflug abhob, hatte er bereits technische wie verteidigungspolitische Maßstäbe gesetzt. Letzteres deshalb, weil sich mehrere Nato-Staaten zu einem Rüstungsprojekt zusammengeschlossen und zum Erfolg geführt hatten. Zuversichtlich verkündete Verteidigungsminister Helmut Schmidt 1970 vor dem Bundestag, das geplante Flugzeug wäre „das erste wirklich bedeutsame Rüstungsprojekt, das hier in Europa in Zusammenarbeit mehrer Staaten, insbesondere der Engländer und der Deutschen, entsteht.“ Die Voraussetzungen hatten Offiziere einiger Nato-Staaten im Jahr 1967 geschaffen, als sie vorschlugen, gemeinsam einen Nachfolger für den Jagdbomber Lockheed F-104 Starfighter zu produzieren.

Bei Nacht und Nebel das Ziel erreichen

Zwei Jahre später waren davon nur Großbritannien, Italien und Deutschland übrig geblieben. Für sie sollte das neue Modell eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen, besonders Aufklärungsflüge und Luftangriffe mit konventionellen und Atombomben gegen weit im Hinterland des Warschauer Paktes liegende Ziele, auch bei Nacht und schlechtem Wetter. Den deutschen Marinefliegern sollte das Flugzeug Angriffe gegen schwer verteidigte Schiffe in der Nord- und Ostsee sowie auf dem Atlantik ermöglichen. Die britische Royal Air Force wiederum verlangte nach einem Jagdflugzeug großer Reichweite, das sowjetische Langstreckenbomber und Seeaufklärer weit vor den britischen Inseln abfangen konnte. Entsprechend wurde das zu entwickelnde Flugzeug zunächst als MRCA (Multi Role Combat Aircraft – Mehrzweckkampfflugzeug) bezeichnet.

Tragflächengeometrie je nach Bedarf

Um den umfangreichen Anforderungen zu genügen, entwickelten die in der Panavia GmbH zusammengeschlossenen Flugzeugbauer von MBB (Bundesrepublik Deutschland), BAC (Großbritannien) und Aeritalia (Italien) eine ganze Reihe neuartiger Lösungen. Die Auffälligste war die variable Geometrie der Tragflächen. Der Pilot kann manuell die Pfeilung auf 25°, 45° oder 67° einstellen, je nachdem ob hohe Manövrierfähigkeit oder hohe Geschwindigkeit verlangt wird. Gesteuert wird der Tornado mit einem Fly-by-wire-System. Die Bewegungen des Steuerknüppels wurden nicht mehr mit Seilen und Hebeln an die Steuerflächen von Leitwerk und Tragflächen übertragen. Stattdessen betätigen Motoren die Steuerflächen, die dafür notwendigen Signale werden elektronisch übermittelt. Die von Gyroskopen erfassten Bewegungen des Flugzeugs um die Quer-, Längs und Vertikalachse rechnet der Bordcomputer in die Steuerkommandos des Piloten ein.

Vor Missionsbeginn speiste das Bodenpersonal die Navigationsdaten in den Bordcomputer ein. Das Verfahren wirkt heutzutage anachronistisch, galt damals aber als hochmodern: Die Informationen auf einer herkömmlichen Landkarte übertrugen Soldaten in einen Computer, der sie wiederum auf dem Magnetband einer Kompaktkassette speicherte. Der Waffensystemoffizier (WSO) legte diese Kassette an seinem Arbeitsplatz hinter dem Piloten in den Naviga­tions­computer ein. Während des Fluges las der WSO diese Informationen von zwei Bildschirmen ab, zwischen ihnen zeigte ihm ein Display wahlweise eine Landkarte oder das hochauflösende Radarbild. Der WSO konnte Landkarte und Radarbild auch übereinanderlegen und die Position auf der Karte entsprechend den Radarinformationen justieren. Dem Piloten errechnete der Zentralrechner aus den aktuellen Daten des Navigations­computers und der zwei Radaranlagen in jedem Moment die Position, Flughöhe und -richtung.

Schneller fliegen als sehen

Mit eingeschaltetem Autopilot waren so bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren Blindflüge mit rund 1000 km/h in einer Höhe von 30 m über dem Boden möglich. Unter diesen Bedingungen konnte der Pilot selbst bei Tag nicht nicht mehr den Computer ersetzen: „Das, was Sie sehen, ist de facto Vergangenheit“, formuliert ein Fliegerarzt plastisch in einer N24-Dokumentation über den Tornado. Denn die biochemischen Abläufe beim Sehen geschähen nicht schnell genug, um im Tiefstflug noch die Umwelt richtig wahrzunehmen.

Obwohl der Tornado noch einige Jahre im Einsatz steht, hat er bereits seinen Platz im Museum gefunden: So in Großbritannien im Imperial War Museum in Duxford und im Militärhistorischen Museum in Gatow. Dort ist ein Tornado des Einsatzgeschwaders 1 ausgestellt, der um die Jahrtausendwende Aufklärungsflüge im jugoslawischen Bürgerkrieg flog.

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