Automobilgeschichte 09. Mai 2023 Von Hans. W. Mayer Lesezeit: ca. 3 Minuten

Wie sich der Autohersteller Adler-Werke nach dem Krieg selbst ruinierte

Die Adler-Werke stellten auf der Hannover Messe 1958 zwei neue Modelle vor. Doch eine verhängnisvolle Entscheidung des Firmenchefs verhinderte die Erfolgsgeschichte.

Der Prototyp des geplanten neuen Adler Trumpf Junior von 1948 mit Karosserie von Karmann in Osnabrück. Doch Generaldirektor Ernst Hagemeier verhinderte, dass das Fahrzeug in Serie ging.
Foto: Karmann

(Aus dem Archiv von VDI nachrichten: Der Artikel erschien erstmals in der Ausgabe 42/2018)

Das Modellprogramm der deutschen Automobilhersteller war vor 70 Jahren recht überschaubar. Es bestand nahezu ausschließlich aus aufgewärmter Vorkriegskost: Bei Volkswagen lief der „Käfer“ (den damals noch niemand so nannte) vom Band, bei Opel der fast unveränderte Olympia von 1938, bei Ford der „Buckel-Taunus“ von 1939 und in Untertürkheim der Wiedergänger des schon von 1936 bis 1941 gebauten Mercedes-Benz 170 V.

Adler-Werke hatten bei Cabrios und Limousinen einen guten Ruf

Frischen Wind in diese triste Nachkriegslandschaft versuchten die traditionsreichen Adler-Werke zu bringen, die im Mai 1948 auf der Hannover Messe gleich zwei Prototypen zeigten. Der Frankfurter Autobauer hatte sich in den 30er-Jahren einen guten Ruf mit eleganten Cabrios, Pullman-Limousinen und dem stromlinienförmigen, 150 km/h schnellen Adler 2,5 l – im Volksmund „Autobahn-Adler“ genannt – erworben.

In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg hatten die Limousinen der Adler-Werke einen guten Ruf unter Automobilisten. Foto: Willem van de Poll/CC0 1.0

Unter Leitung von Oberingenieur Alfred Privat war 1947 mit dem Bau zweier Prototypen begonnen worden, die als Nachfolger für das bis 1941 produzierte Volumenmodell Trumpf Junior vorgesehen waren.

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Von ihm stammte der gleich gebliebene Name, das unveränderte Chassis und der langhubige Einliter-Reihenvierzylinder, dessen Leistung auf 22 kW gesteigert worden war.

Verglichen mit den Wettbewerbern war er fast schon ein modernes Auto mit hydraulischer Fußbremse (die bekam der Standard-VW erst 1962), teilsynchronisiertem Getriebe (zweiter bis vierter Gang) und Frontantrieb. Durch Verlegung des Getriebes vor die Vorderachse wuchs der Innenraum im Vergleich zum Vorgänger um 150 mm.

Die Besucher der Hannover Messe reagierten euphorisch auf den neuen Pkw von Adler

Die Produktionsanlagen für die Motoren- und Getriebefertigung hatten den Krieg heil überstanden, den Rahmen hätte das MAN-Werk in Mainz-Gustavsburg liefern können. Weil der frühere Karosseriezulieferer Ambi-Budd wegen seines Firmensitzes in Ostberlin ausfiel, ließen die Adler-Entwickler je ein Blechkleid bei Karmann in Osnabrück und Wendler in Reutlingen schneidern. Die Resonanz der Besucher auf der Hannover Messe war so enthusiastisch, dass einer baldigen Serienproduktion nichts mehr im Weg zu stehen schien. Doch die ambitionierten Adler-Ingenieure hatten die Rechnung ohne den früheren Generaldirektor Ernst Hagemeier gemacht. Der kam wenige Wochen nach der Messe aus dem Straflager frei, wo er von den Siegermächten nach Kriegsende wegen seiner Funktion als Präsident der dem Heereswaffenamt nahestehenden Wirtschaftsgruppe Fahrzeugindustrie inhaftiert worden war.

Adler-Chef Ernst Hagemeier ordnete die Verschrottung der Prototypen an

Weil Hagemeier überzeugt war, dass nach dem verlorenen Krieg künftig amerikanische Fahrzeuge den deutschen Automobilmarkt dominieren würden und deutsche Hersteller mit Ausnahme von Volkswagen keine Chance hätten, ordnete er die Einstellung der Entwicklungsarbeiten und die Verschrottung der beiden Prototypen an. Eine fatale Fehleinschätzung der Marktsituation, wie sich schon ein Jahr später zeigte, als Carl F. W. Borgward im März 1949 auf dem Genfer Salon mit dem Hansa 1500 für Furore sorgte, dem ersten deutschen Personenwagen mit Pontonkarosserie und neumodischen Blinkern statt der üblichen Winker. Der fand trotz seines relativ hohen Preises von umgerechnet 3885 € bereits im ersten Produktionsquartal 1148 Käufer.

Das traurige Ende von Adler, einem der ältesten deutschen Automobilhersteller, der bereits 1900 sein erstes Modell anbot (den 27 km/h „schnellen“ Adler-Motorwagen No. 1) und in den 30er- Jahren mit leistungsstarken Stromlinienmodellen internationale Sporterfolge errang, kommentierte der 1996 verstorbene Automobilhistoriker und Fachbuchautor Werner Oswald mit harschen Worten: „Stattdessen begann Hagemeier mit dem Bau von Werkzeugmaschinen, eine abenteuerliche Fehlentscheidung, die zum finanziellen Ruin der Adler-Werke führte. Der Mann, der 1929 das Unternehmen mit anerkanntem Erfolg saniert hatte, sorgte 20 Jahre später für dessen abermaligen Niedergang.“

Adler-Werke bauten nur noch Motorräder und Büromaschinen

In der Folgezeit bauten die Adler-Werke unter Hagemeiers Regie noch einige Jahre Motorräder und danach, weniger erfolgreich, Büromaschinen. 1957 wurde Adler von Grundig übernommen und 1969 zusammen mit den Triumph-Werken an den US-Konzern Litton verkauft. Später erwarb der Volkswagen-Konzern die Triumph-Adler-Gruppe und frustrierte mit der verlustreichen Tochter jahrelang seine Aktionäre.

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Rückblickend hätte das neue Modell von Adler damals reelle Chancen gehabt, sich zum Höhenflug emporzuschwingen. Stattdessen steuerte Hagemeiers „Flugverbot“ das traditionsreiche Unternehmen in eine ausweglose Sackgasse.

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