5G-Bahnstrecken für hybride Mobilfunknutzung gestartet
Wie sich Mobilfunk und Bahnfunk hybrid nutzen lassen, erforscht die Deutsche Bahn jetzt mit verschiedenen Partnern an zwei 5G-Teststrecken in Deutschland. Sie will damit neue Dienste aufbauen und den Surfkomfort für Bahnreisende steigern.
Erstmals in Deutschland ist es nun entlang der rund 25 km langen Teststrecke der Erzgebirgsbahn zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg möglich, nicht nur den zukünftigen 5G-Bahnfunk, das „Future Railway Mobile Communication System“ (FRMCS), zu testen. Dank der neu errichteten 5G-Netzstruktur der TU Chemnitz können zusätzlich auch Anwendungen erprobt werden, bei denen öffentliche Mobilfunknetze in hybrider Nutzung das FRMCS-Netz ergänzen.
Entlang der Teststrecke wurden 22 Mobilfunkmasten neu eingerichtet bzw. umgerüstet, sodass sie 5G unterstützen. Insgesamt wird damit über die Teststrecke eine hybride 5G-Infrastruktur aufgebaut, die aus öffentlichen, privaten und geschlossenen Netzen besteht. Errichtung und Betrieb der 5G-Infrastruktur der TU Chemnitz liegen in der Verantwortung des Betreibers Vodafone. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat den Aufbau des 5G-Netzes für FRMCS durch die Deutsche Bahn (DB) und die Errichtung der 5G-Infrastruktur der TU Chemnitz mit insgesamt rund 17,75 Mio. € gefördert.
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5G-Testlabor für neue Technik im Zug
Auf der Teststrecke der Erzgebirgsbahn findet derzeit kein regulärer Zugverkehr statt. Das bedeutet, dass gefahrlos verschiedene neue Techniken getestet werden können. Die unterschiedlichen 5G-Anbindungen sollen nicht nur der Steigerung des Komforts für Zugreisende dienen, sondern es soll auch neue Technik in der Zugkommunikation erprobt werden. Neue Bahnapplikationen, beispielsweise für automatisiertes Fahren, Videoübertragungen, digitale Karten oder die Zugdiagnostik, sollen unter realen Einsatzbedingungen getestet und weiterentwickelt werden.
5G-Ausfallsicherheit auf dem Prüfstand
Auf der Strecke wird neben anderen Zügen das Advanced TrainLab, ein als Laborzug genutzter ehemaliger ICE der Deutschen Bahn, regelmäßig für Messfahrten unterwegs sein. Bei künftigen Tests entlang der Strecke sollen auch Zuverlässigkeit sowie Ausfall- und Resilienzszenarien verschiedener 5G-Mobilfunknetze erprobt werden.
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Die TU Chemnitz erforscht in diesem Zusammenhang eine Abhängigkeit von zukünftigen Automatisierungsgraden und -funktionen im Bahnbetrieb und deren Verhalten bezüglich Latenz und Verfügbarkeit der 5G-basierten Datenübertragung. Schwerpunkte sollen neben der Übertragung von Daten in dynamisch zugeordneten Ressourcen (Slicing) auch dynamische Konfigurationsmöglichkeiten von Netzwerkfunktionen, cybersichere Übertragung und die Verarbeitung von Daten sowie alternative Ortungsverfahren sein. Gerade das Slicing ist aus Gründen der Optimierung der Kapazitätsausnutzung von 5G-Infrastrukturen gängige Praxis. „Auf der Strecke der Erzgebirgsbahn testen wir das Kommunikationssystem erstmalig unter Realbedingungen und mit einer vollständigen 5G-Infrastruktur“, sagt Daniela Gerd tom Markotten, DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik. Sie sieht darin einen wichtigen Schritt für den digitalisierten Bahnbetrieb der Zukunft.
Weitere 5G-Teststrecke in Mecklenburg-Vorpommern
Neben dieser Teststrecke ist vor Kurzem eine weitere Strecke im Süden von Mecklenburg-Vorpommern in Betrieb gegangen. Auf rund 10 km wird in dieser Infrastruktur für die Erprobung von 5G-Korridoren High-Speed-Internet im Zug getestet. In dem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit 6,4 Mio. € geförderten Forschungsprojekt „Gigabit Innovation Track“ (GINT) kooperiert Deutsche Bahn mit Ericsson, O2 Telefónica und dem Funkmastbetreiber Vantage Towers Mobilfunk. Auch hier wird unter anderem Infrastruktur für die weitere Digitalisierung des Bahnbetriebs mit dem zukünftigen FRMCS-Bahnfunk erprobt. Getestet werden die dafür notwendigen neuartigen gleisnahen Masten ebenso wie Kombinationen verschiedener Radio Units und Antennen für Mobilfunk und Bahnfunk.
Funkmastenaufbau in Rekordzeit
13 Funkmasten hat Vantage Towers am Rand der Strecke aufgebaut, was dank eines neuen Designs in rund einem Monat erledigt werden konnte. Die Elemente der rund 15 m hohen Masten wurden am Boden vormontiert, mithilfe eines Zwei-Wege-Baggers übereinandergesetzt und miteinander verschraubt. Im Boden sind die Masten mit Stahlverstrebungen verankert, sodass keine Betonfundamente mehr gegossen werden mussten.
Erste Ergebnisse sollen Ende des Jahres kommen
Das gesamte Projekt startete außergewöhnlich schnell, wie Bundesminister Volker Wissing betont. „Vom Förderbescheid zur Inbetriebnahme in nur acht Monaten – das ist das Tempo, das wir beim Netzausbau brauchen“, lobte er. Vom Frühjahr 2024 wird auch auf dieser Strecke der Laborzug der Bahn fahren, um die Anlagen zu testen und die Konfiguration zu optimieren. Forschungsergebnisse sollen bereits Ende 2024 vorliegen.