Mobilfunk 02. Mrz 2017 Frank Erdle Lesezeit: ca. 4 Minuten

Abschied von UMTS

Frequenzen sind der rare Rohstoff der Mobilfunkbranche. Für die fünfte Generation müssen sich Betreiber von spektrumintensiven Techniken trennen.
Foto: dpa Picture-Alliance/D. Reinhardt

August 2000: Die Versteigerung der deutschen UMTS-Lizenzen wird zum medialen Großereignis. Am Ende geben die siegreichen Kommunikationskonzerne Deutsche Telekom, Mannesmann Mobilfunk (später übernommen von Vodafone), Mobilcom, Viag Interkom (später aufgekauft von O2) und die inzwischen aufgelöste Group 3G mit dem Bieterduo Telefónica/Sonera insgesamt knapp 51 Mrd. € aus. Das mobile Internetzeitalter in der Bundesrepublik kann beginnen. Doch bis die dritte Mobilfunkgeneration (3G) auf Touren kommt und genügend passende Smartphones verfügbar sind, vergehen noch Jahre. Die Hoffnungen der Investoren, dass sich die Milliarden irgendwann in satte Gewinne ummünzen lassen, haben sich wegen der anhaltenden Preiskämpfe im Markt bis heute nicht erfüllt.

Vorhandene Mobilfunkstandards

GSM – Global System for Mobile Communications: Weltweit meist genutzter Standard für volldigitale Mobilfunknetze, der hauptsächlich für Telefonie, aber auch für leitungsvermittelte und paketvermittelte Datenübertragung sowie SMS genutzt wird. Wurde in Deutschland seit 1992 ausgebaut. Zu GSM gehören GPRS, EDGE und UMTS.

GPRS – General Packet Radio Service (2G): Datenübermittlung mit 55 kbit/s, arbeitet paketorientiert, hohe Ausfallsicherheit, wird u. a. für MMS, aber auch für WAP-Seiten genutzt. WAP (Wireless Application Protocol) macht das Internet für kleine Displays, langsame Übertragungsraten und längere Antwortzeiten verfügbar. Viele Mobiltelefone unterstützen den Standard seit 2000.

EDGE – Enhanced Data Rates for GSM Evolution (2,5 G): der Zwischenschritt zu UMTS, wurde in Deutschland seit 2006 ausgebaut. Es nutzt wie GPRS das GSM-Netz. Durch ein neues Verfahren können jedoch höhere Bandbreiten erreicht werden. Datenübertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 220 kbit/s. Auch ländliche Gebiete, in denen es kein UMTS gibt, bekommen mobiles Internet.

UMTS – Universal Mobile Telecommunications System (3G): Übertragungsraten von bis zu 384 kbit/s können erreicht werden. Videotelefonie und andere datenintensive Inhalte können genutzt werden. Durch die Erweiterung HSPA (High Speed Packet Access) bekommt man eine maximale Datenübertragungsrate von bis zu 7,2 Mbit/s.

LTE – Long Term Evolution (4G): Datenraten bis zu 100 Mbit/s sind erreichbar, mit LTE-Advanced sogar bis zu 1 Gbit/s. Seit 2011 wird LTE in Deutschland ausgebaut. Auch in ländlichen Regionen ist eine gute Latenz möglich. Somit können Nutzer darüber auch online spielen. rb

Trotzdem ist der teuer subventionierte 3G-Datenfunk bald reif fürs Museum. Ende vergangenen Jahres hat die Bundesnetzagentur ein wenig beachtetes Zukunftspapier veröffentlicht. Darin kündigt der Präsident Jochen Homann an, dass die Behörde „frühzeitig geeignete Frequenzen für die nächste Mobilfunkgeneration 5G zur Verfügung stellen“ will.

Um dieses Versprechen einlösen zu können, sollen „auch die im Jahr 2000 versteigerten UMTS-Frequenzen genutzt werden“, wie es in der Veröffentlichung heißt. In der Realität bedeutet das: Wenn in vernetzten Fabriken Maschinen mit Maschinen sprechen, smarte Stromnetze die Energieversorgung regeln und Autos autonom durch die Innenstädte rollen, bleibt kein Platz für behäbige Datenübertragungsverfahren.

Telefonieren und Surfen über LTE wird Standard

Rund um den Globus werden derzeit die Mobilfunknetze modernisiert. Bei 2G (GPRS) und 3G (UMTS) muss noch für jedes Telefonat eine Leitung aufgebaut werden, während der Datenaustausch permanent über das Internet erfolgt.

Erst LTE (4G) ermöglicht die Umwandlung der Sprache in Datenpakete und deren Versand über das IP-Netz, sofern Voice-over-LTE (kurz: VoLTE) unterstützt wird.

Dies ist aktuell aber bei Weitem nicht mit allen SIM-Karten möglich, und auch viele vor 2016 produzierte Smartphones bleiben außen vor.

Zudem müssen die Mobilgeräte beider Gesprächspartner VoLTE-fähig sein, um den Standard zu nutzen, der für einen erheblich schnelleren Rufaufbau, höhere Sprachqualität und geringeren Stromverbrauch sorgt.fe

Die Zeit drängt: Nach einer kürzlich erschienenen Untersuchung der Unternehmensberatung IDC sollen im Jahr 2020 rund 30 Mrd. Maschinen über das Internet kommunizieren. Der IT-Konzern Cisco prognostiziert, dass bald auf jeden Bundesbürger durchschnittlich zehn Geräte mit Webanbindung kommen.

Im künftigen 5G-Umfeld macht es aber auch aus anderen Gründen keinen Sinn, die veraltete Technik am Leben zu erhalten: Im Vergleich zur Übertragungsleistung verlangt UMTS sehr viel Spektrum. „Die Netzbetreiber werden die derzeitigen 3G-Frequenzen so umschichten, dass sie für LTE nutzbar sind“, sagt Bernd Theiss, Test & Technik-Chef des Fachmagazins „connect“. „Moderne Mobilfunkzellen arbeiten mit Software-Defined-Radio-Technik. Die Umschaltung auf LTE ist per Software möglich.“

Einen ersten Schritt in diese Richtung plant offenbar die Deutsche Telekom. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es unter Punkt 5.3: „Die Netztechnologie 3G … ist vorbehaltlich einer Verlängerung nur bis zum 31. 12. 2020 verfügbar.“ Blaupausen für das Vorgehen des Bonner Riesen liefern Netzbetreiber aus dem Ausland: In Japan und Südkorea sind die ersten Netze nach GSM-Standard bereits abgeschaltet, ebenso beim führenden australischen Betreiber Telstra und bei AT&T in den USA. Die deutschen Niederlassungen von Vodafone und Telefónica sehen diesbezüglich noch keinen Handlungsbedarf.

Dass Deutschland nicht zu den Vorreitern zählen wird, hat triftige Gründe: Mit dem Abschalten der Mobilfunknetze der zweiten (GPRS, EDGE) und dritten (UMTS, HSPA) Generation wären beispielsweise zahlreiche Aufzugalarmsysteme und elektronische Anzeigetafeln nur noch Elektronikschrott. Und eine Aufrüstung auf neuere Datenübertragungsstandards ist mit immensen Kosten verbunden.

„Dazu kommt, dass einige Mobilfunk-Reseller ihre Kunden von der LTE-Nutzung ausschließen“, betont Bernd Theiss. Dies ist vor allem bei Providern der Fall, die Tarife und Prepaid-Karten im Telekom- oder Vodafone-Netz vermarkten, zum Beispiel Congstar und 1&1. Telefónica ermöglicht den LTE-Zugang auch Discountern (Blau, Smartmobil, Tarifhaus etc.).

Die internetaffine Kundschaft leidet aber vielerorts darunter, dass das 4G-Netz der Spanier aktuell nur in Großstädten ausgebaut ist. UMTS wird bis auf Weiteres dringend benötigt, um im Rest der Republik zufriedenstellenden Smartphone-Zugang ins Web sicherzustellen.

Schlussendlich sind im deutschsprachigen Raum viele Business-Notebooks mit integrierter Modemfunktion, Tablets, Surfsticks und Smartphones im Einsatz, die nur über ein UMTS-Modul verfügen und sich nicht ohne Weiteres auf den 4G-Funk aufrüsten lassen.

Matt Hatton, ein britischer Experte in Sachen Internet der Dinge (IoT: Internet of things), hat einen Strategiereport zum Thema veröffentlicht („2G and 3G switch-off: a navigation guide for IoT“). Er hält die Abschaltung der GSM-Netze in den nächsten fünf Jahren für unabdingbar: Ohne deren Frequenzspektrum wird die deutschlandweite Verfügbarkeit von breitbandigen LTE-Diensten ein Wunschtraum bleiben.

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