Analoge Funktechnik ersetzt Digitalfunk für Feuerwehr und Polizei
Der digitale Behördenfunk für Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen hat in der Not vielerorts versagt. Analoge Technik wurde reaktiviert und half bei der Kommunikation.
„Wir garantieren eine funktionierende Kommunikationsinfrastruktur für die Polizei und andere Sicherheitsbehörden“, heißt es in einer Imagebroschüre des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen. Doch ganz so toll war der sogenannte Behördenfunk für Polizei, Feuerwehr und andere dann wohl doch nicht aufgestellt, als ab 14. Juli Tief Bernd zunächst vor allem Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unter Wasser setzte.
Viele Gebäude sind beschädigt, einige schlichtweg verschwunden. Eisenbahnstrecken, Straßen, Wasser-, Strom- und Gasleitungen waren ebenso unterbrochen wie Vermittlungs- und Basisstationen der Mobilfunknetze sowie des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).
Alte Analogtechnik entstaubt und reaktiviert
„Bei uns war der ganze Digitalfunk drei Tage großflächig ausgefallen, einfach abgesoffen, weggespült“, sagte Harald Schmitz, Brand- und Katastropheninspektor (BKI) des Landkreises Vulkaneifel, gegenüber den VDI nachrichten und ergänzt: „Aber wir hatten zum Glück noch analoge Geräte.“
Doch die mussten zum Teil erst einmal entstaubt und aufgeladen werden. Drei Relaisstellen – alle liegen auf umgebenden Bergen und sind daher „absaufsicher“ aufgestellt – konnten auch wieder reaktiviert werden. „Darüber lief die Alarmierung für über 1400 Einsätze“, erklärt Schmitz. Und weil das mehr war als früher, „mussten wir wegen Überhitzungsgefahr sogar die Verkleidung der Schränke abnehmen. Schließlich waren 600 bis 800 Leute darüber unterwegs. Und auch der Polizei konnten wir einen Feuerwehrkanal zuweisen.“
Niedrige Frequenz, hohe Reichweite
Genutzt wurde das sogenannte 4-m-Band mit seinen 75 MHz als Rückfallebene – und zusätzlich noch das 2-m-Band mit 150 MHz als Provisorium. Diese Frequenzen haben eine höhere Reichweite als das 70-cm-Band des BOS-Digitalfunks im 400-MHz-Bereich.
Zahlreiche Hilfsorganisationen setzten ihre eigenen analogen Funkgeräte ein und nutzten das Funknetz des Landkreises Vulkaneifel. Mittlerweile ist die digitale BOS-Technik wieder voll einsatzfähig. „Die analogen Geräte haben wir erst mal wieder eingemottet, werden sie aber noch lange nicht zum Elektroschrott geben“, resümiert Schmitz.
„Die Kommunikation war ein Desaster“
Im Rhein-Sieg-Kreis ist Landrat Sebastian Schuster in Swisttal unterwegs. „Die Kommunikation war ein Desaster“, räumte der Landrat gegenüber der „Rhein-Sieg Rundschau“ ein. Mobilfunk und Digitalfunk funktionierten nicht, bedingt auch durch großflächige Stromausfälle. Im Kreisgebiet gab es als Rückfallebene den alten Analogfunk. „Wir hatten ihn nicht abgeschaltet“, stellte Schuster erleichtert fest. Zudem konnten auch hier Relaisstationen wieder aktiviert werden.
Kreisbrandmeister und Einsatzleiter Dirk Engstenberg sprach von einer Situation, wie sie im Rhein-Sieg-Kreis noch nie eingetreten sei, von „einem unvorstellbaren Ereignis“. Weil der Digitalfunk ausgefallen sei, habe man auf alte, analoge Funktechnik zurückgreifen müssen. Dennoch gab es Kommunikationsprobleme zwischen Krisenstab und örtlichen Kräften. Auch Petra Kalkbrenner, Bürgermeisterin von Swisttal, stellte am 29. Juli in der TV-Sendung „Monitor“ fest: „Fürs Handy hatten wir kein Netz, und selbst der Digitalfunk funktionierte nicht mehr. Das war eine noch nie da gewesene Situation.“
Lage der Basisstationen ist geheim
Das Versagen des Behördenfunks – man könnte alles auf „höhere Gewalt“ schieben – hat auch mit einer gewissen behördlichen Kurzsichtigkeit zu tun. Warum wurden Basisstationen dort errichtet, wo Wasser fließt? Doch dazu hüllt sich die BDBOS (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) in Schweigen. Zahl und Lage seien geheim, so ein Sprecher der Behörde, die dem Bundesinnenministerium untersteht.
Beim Wiederaufbau des BOS-Funks haben Fachkräfte der Polizeien geholfen – z. B. aus Niedersachsen. Von dort waren allein 1100 Kräfte im Krisengebiet tätig. Die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen spricht ganz offen davon, dass „vielerorts auch das gerade jetzt so dringend benötigte Funknetz zusammengebrochen ist“.
Die Polizei Sachsen hatte eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei aus Leipzig in die Krisenregion entsendet – mit einer mobilen Digitalfunk-Basisstation für den Kreis Euskirchen im Gepäck.
Bundespolizei nutzte UKW-Funk
Michael Marx, Ausbildungsleiter der Luftfahrerschule für den Polizeidienst bei der Bundespolizei, war mit seinem Team und Unterstützern aus Bayern, Baden-Württemberg und NRW vor allem in die Personenrettung eingebunden. Da der Behördenfunk überlastet und „am Anschlag ist, haben wir auf den Hubschraubern UKW-Funk, das funktioniert gut.“
Auch die Bundeswehr unterstützte mit über 1200 Soldaten sowie 110 Fahrzeugen die örtlichen Hilfskräfte. Mit sieben mobilen Satellitenanlagen wurde durch das Kommando Territoriale Aufgaben auch telekommunikative Amtshilfe geleistet. Selbst der „Behörden Spiegel“, gängiges Fachmagazin für den öffentlichen Dienst, spricht von „entstandenen Funklöchern, die sogar noch größer waren als das Katastrophengebiet“. Inzwischen hat der Digitalfunk wieder volle Fahrt aufgenommen, die analoge Legacy-Technik darf sich wieder schlafen legen.
Behörde beschwichtigt
Zuständige Behörde beschwichtigt: „In der betroffenen Region waren mehrere Basisstationen des BOS-Digitalfunknetzes vom Stromausfall betroffen. Diese konnten übergangsweise mittels der verbauten Batterien weiterbetrieben werden. Mithilfe mobiler Netzersatzanlagen wurde der Betrieb an den betroffenen Standorten langfristig gewährleistet. Zwischenzeitlich wurde die reguläre Stromversorgung wiederhergestellt“, sagte ein Sprecher der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) im Gespräch mit den VDI nachrichten. „Diese Mehrfachabsicherung des Digitalfunknetzes hat sich in der Hochwasserlage bewährt.“ Betroffene sehen das wohl anders.
Doch dann wird noch schnell ergänzt: Durch den hochwasserbedingten Ausfall einiger Zugangsnetzanbindungen hätten sich Einschränkungen in der Funktionalität des Digitalfunks BOS für die Kommunikation über mehrere Funkzellen hinweg ergeben. „In den betroffenen Funkzellen war und ist die Kommunikation im Versorgungsbereich der jeweiligen Zelle im sogenannten Fallback-Modus grundsätzlich möglich“, so der Sprecher. „Gleiches gilt für die Direktverbindung im netzungebundenen Modus, die sogenannte Direct Mode Operation, DMO.“ Damit können sich Einsatz- und Hilfskräfte untereinander unterhalten – aber nicht mit der Einsatzleitung.
Unterstützung durch Satellitentechnik
Durch den Aufbau von satellitenangebundenen mobilen Basisstationen (Sat-mBS), Kapazitätserweiterung an Basisstationen und Vermittlungsstellen konnte laut BDBOS in den Schadensregionen eine stabile Interimsfunkversorgung realisiert werden. Vom Rückgriff in die „analoge Mottenkiste“ ist seitens der Behörde keine Rede.
Immerhin soll die Netzhärtung weiter vorangetrieben werden – u. a. soll die Notstromversorgung an bundesweit über 3800 der insgesamt knapp 5000 Standorte durch Brennstoffzellen oder Dieselaggregate auf 72 Stunden ausgebaut werden. Zudem soll die Netzanbindung sicherer werden, indem auf Mietleitungen verzichtet wird und Glasfaserleitungen eingesetzt werden.
Funkamateure halfen
Das Hochwasser hat auch in das öffentliche Mobilfunknetz heftige Löcher gerissen. Allen drei Netzbetreibern sind Hunderte von Basisstationen abgesoffen, weggespült – unterbrochen sind ebenfalls Netzanbindung und Stromversorgung.
In vielen Fällen halfen Funkamateure mit ihrer Technik, so zum Beispiel im Bereich Rheinbach, Swisttal und Heimerzheim. Mittels „Notfunk“ wurde durch Mitglieder des lokalen Deutschen Amateur-Radio-Clubs (Darc) über eiligst errichtete Antennen so mancher Notruf an die Hilfsorganisationen weitergeleitet.
„Bei uns im Landkreis Vulkaneifel standen Funkamateure ebenfalls in Bereitschaft – allerdings wäre das wegen der Geheimhaltung etwas problematisch geworden“, erklärt Brand- und Katastropheninspektor Schmitz. „Das wäre dann die Rückfallebene für die Rückfallebene, doch die brauchten wir dann doch nicht.“ Zudem werde überlegt, für künftige Katastrophen wieder analoge Funktechnik anzuschaffen und die Bevölkerung für Sirenensignale zu sensibilisieren.