SMARTPHONES 28. Jun 2019 Frank Erdle Lesezeit: ca. 3 Minuten

Fairplay mit Lücken

Hersteller wie Fairphone aus den Niederlanden oder die Shift GmbH aus Deutschland wollen Mensch und Umwelt schonen, technisch aber trotzdem überzeugen. Kann der Spagat gelingen?

Dank seines modularen Aufbaus können beim Fairphone sogar Laien einzelne Komponenten austauschen. Das reicht von Bildschirm und Kamera bis hin zu Batterie und Anschlüssen.
Foto: Fairphone

„Jedes Jahr ein neues Smartphone“, frohlockt ein großer deutscher Mobilfunkanbieter in der Werbung für seinen Premiumtarif. Kunden mit gut gefülltem Portemonnaie müssen fortan nicht mehr die übliche zweijährige Vertragslaufzeit ausharren, bis sie das neueste Modell erhalten.

Gleichzeitig vermeldet der IT-Branchenverband Bitkom, dass die Bundesbürger mehr als 100 Mio. ungenutzte Handys in Schubladen oder Schränken horten. Dabei sind die Rohstoffe in diesen Geräten ein kostbarer Schatz: In jedem Mobiltelefon stecken bis zu 30 verschiedene Metalle; vor allem Kupfer, aber auch Gold, Silber und Palladium.

Diese wertvollen Rohstoffe werden unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsländern wie China, Kongo oder Südafrika abgebaut – häufig von Minderjährigen. Besonders dramatisch: Mit dem Ankauf großer Mengen Gold, Kobalt, Zinn, Tantal und Wolfram finanzieren die IT-Konzerne Despoten und Bürgerkriege in den ärmsten Regionen der Welt.

Argumente für Mobiltelefone, die diese blutige Lieferkette durchbrechen, gibt es also genug. Und doch musste ein gemeinnütziges Institut in Gestalt der Amsterdamer Waag Society auf die Idee kommen, die Produktion eines Smartphones anzustoßen, das soziale und ökologische Werte in den Fokus rückt.

Das erste Fairphone erhielt Ende 2013 viel Lob. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, kommentierte: „Das Fairphone ist ein wichtiger Impulsgeber für eine Branche, in der viele Unternehmen verschlossen und wenig nachhaltig agieren.“ Immerhin 60 000 Exemplare konnte das kleine Unternehmen vom ersten Modell verkaufen.

In puncto Fairness konnte das Android-Phone allerdings nur der Beginn eines langfristigen Prozesses sein: Lediglich zwei der 30 eingesetzten Metalle stammten aus nachweislich konfliktfreien Minen im Kongo – ein Umstand, den die Macher frühzeitig eingeräumt hatten: Zu viele Zwischenhändler und Transportstationen standen der angestrebten Transparenz im Weg.

Deshalb entschied das Management um Firmengründer und CEO Bas van Abel, mit dem im vergangenen Jahr vorgestellten Fairphone 2 auf mehr Nachhaltigkeit zu setzen: Das mit Android 5.1, einem Vierkernprozessor von Qualcomm, einem 5 Zoll großen HD-Display und LTE-Connectivity ausgestattete Smartphone ermöglicht es dank seines modularen Aufbaus auch Laien, Komponenten wie Bildschirm, Kamera oder Batterie auszutauschen, um die Attraktivität des Geräts zu erhöhen und seinen Lebenszyklus zu verlängern.

Weitere Upgrades sind geplant: „Als Erstes wollen wir ein besseres Kameramodul anbieten“, verriet Sprecherin Daria Koreniushkina gegenüber den VDI nachrichten. Danach soll es an die Entwicklung von Wechselcovern gehen, die dem Gerät weitere Funktionalitäten erschließen – „zum Beispiel NFC für sichere Bezahlvorgänge“. Im Vordergrund steht auch hier der Wunsch, dass dem Gerät ein längeres aktives Leben vergönnt sein soll als den meisten Modellen der Elektronikmultis. „Beim Vergleich mit anderen Marken sind uns faire Löhne und langlebige Produkte wichtiger als die neuesten technischen Features“, stellt Koreniushkina klar.

Einen Überraschungserfolg konnte Fairphone im Januar verbuchen. Die Integration von Fairtrade-zertifiziertem Gold aus Peru in die Wertschöpfungskette macht die Niederländer zum ersten Konsumelektronikhersteller mit Fairtrade-Lizenz.

Der Aufschlag, den die Kunden für ihr unbelastetes Gewissen bezahlen müssen, ist freilich unübersehbar: Das Fairphone 2 kostet rund 530 €. Während es in Österreich bei T-Mobile Austria seit Kurzem auch subventioniert mit Mobilfunkvertrag verkauft wird, hat in Deutschland noch keiner der großen Carrier angebissen.

SHIFTPHONE: DAS ERSTE FAIR PRODUZIERTE TELEFON AUS DEUTSCHLAND

Einen anderen Ansatz wählte Carsten Waldeck für seinen Einstieg ins ethische Handybusiness: Für sein Start-up „Shift“ (engl. shift: Veränderung) sammelte er 2014 über das Crowdfunding-Portal startnext.de rund 60 000 € ein. Mit dem Geld entwickelte der Familienbetrieb aus dem hessischen Falkenberg – neben Carsten Waldeck arbeiten auch sein Bruder und der Vater in der Firma – Mobilgeräte mit Nachhaltigkeitsanspruch und baut sie jetzt in Serie.

Im hessischen Falkenberg will die Firma Shift unter Beweis stellen, dass Smartphones auch ohne Ausbeutung der Arbeiter zu bezahlbaren Preisen produziert werden können.
Foto: Shift

„Viele Menschen glauben, dass man Smartphones ohne Ausbeutung der Fabrikarbeiter nicht zu bezahlbaren Preisen produzieren kann“, ärgert sich der Erfinder. „Wir haben lange suchen müssen, doch es hat sich gelohnt: Die Beschäftigten in der Shiftphones-Produktion müssen nur acht Stunden am Tag arbeiten. Außerdem zahlen wir wesentlich höhere Löhne als in der Branche üblich.“

Aktuell sind zwei Modelle verfügbar: das Mittelklasse-Smart-phone Shift 5.1 mit Android, Mediatek-Vierkernprozessor und 5,1-Zoll-Display für 244 € und das Phablet Shift 7+ mit 7-Zoll-Bildschirm für 333 €, beide ohne LTE-Mobilfunk. Dafür lassen sich auch hier bei einem Defekt die wichtigsten Komponenten austauschen – ein kleiner Kreuzschlitzschraubenzieher und das Wiki von der Herstellerwebsite genügen.

Höherwertige Modelle, die es technisch mit den Smartphone-Giganten Apple und Samsung aufnehmen können, sollen laut Waldeck 2017 auf den Markt kommen.

Die Fertigungspartner der Deutschen in China beschäftigen maximal 300 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Beim Apple-Hauslieferanten Foxconn waren es im vergangenen Jahr rund 1,3 Mio. Und das hat seinen Grund: Waldeck hat erkennen müssen, „dass die Überwachung der Lieferkette extrem komplex ist, das können wir noch nicht leisten“. So habe man beispielsweise kaum Einfluss auf die Prozessorhersteller, weil die Produktion vollautomatisch ablaufe.

Zertifizierungen wie Fairphone besitzt das deutsche Start-up nicht. Böse Stimmen in der Mobilfunkszene mutmaßen, Waldeck betreibe für seine Produkte bislang nur „Greenwashing“. Doch dagegen wehrt sich der Shiftphones-Gründer: „Wir haben die fairste Fertigung der Welt. Das wird unser Report zu diesem Thema beweisen, der alle Produktionsprozesse dokumentiert und kurz vor dem Abschluss steht.“

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