Flut zerstört Mobilfunk und Festnetz
Die Wassermengen letzte Woche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben die Infrastruktur für Telekommunikation schwer getroffen. Viele Techniker der Anbieter arbeiten rund um die Uhr an mobilen Lösungen.
Plötzlich wird es stockfinster in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag letzter Woche in Stolberg-Dorff. Kein Strom, kein Telefon, kein Internet und auch kaum Mobilfunk. Die – für uns alle gewohnte – Versorgung bricht nach dem Starkregen zusammen. Gerade hatte die Gemeinschaft der Helfer überall Wasserpumpen installiert. Was jetzt noch durchhält ist die 120-köpfige Whatsapp-Gruppe, die die Hilfe im 600-Seelen-Ort organisiert. Während der Messengerdienst mit kleinen Bandbreiten klarkommt, geraten andere in Nöte: Die Festnetztelefonie, mittlerweile vollständig umgestellt auf IP, versagt. Auch Tage später ist das Kabel-TV noch gestört. Da mindestens ein Mobilfunkmast im Nachbarort seinen Dienst verweigert, funken die Netze nur noch auf Edge (2G), wenn überhaupt. Wer braucht jetzt was? Wie geht es der alten Dame nebenan? Das hätte die Tochter aus Lübeck jetzt gerne gewusst. Aber kein Durchdringen. Dann ist nur noch das Brummen der Notstromaggregate zu hören, die Akkus der Smartphones geben auf.
Große Schäden an der Infrastruktur
Zu dieser Zeit brechen die ersten Techniker der Deutschen Telekom auf, um erste Schäden zu beheben und eine Notversorgung zu installieren. Die Wasser- und Geröllmassen haben in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens und von Rheinland-Pfalz große Schäden an der Infrastruktur aller Telekommunikationsanbieter verursacht. „Das betrifft insbesondere unsere Kupfer- und Glasfaserkabel und die Netztechnik in den bekannten ‚grauen‘ Kästen an den Straßen und Bürgersteigen“, berichtet Sprecherin Martina Weidmann. „Unsere Mobilfunksender leiden ebenfalls unter Wasserschäden, Stromabschaltungen und Schäden in den zuführenden Festnetzleitungen.“ Rund 130 Standorte waren betroffen.
Mit Straßen und Brücken wurden auch Leitungen weggerissen
Noch fehle der Gesamtüberblick, heißt es am Sonntag. Es gebe immer noch Orte, die nicht erreicht werden können oder dürfen. Dort müsste komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden, da ganze Straßen und Brücken mit Leitungen weggerissen wurden.
Das kennt man auch bei der Telefónica Deutschland. „Aktuell sind immer noch Gebiete, wo sich unsere Stationen befinden, schwer zugänglich oder aus Sicherheitsgründen gesperrt“, berichtet Sprecher Klaus Schulze-Löwenberg. Rund 150 Stationen waren betroffen, am Montag sind rund zwei Drittel wieder am Netz und vier mobile Stationen im Einsatz. Bei Vodafone war am Sonntag noch ein Sechstel der Mobilfunkstationen in den deutschen Hochwasser-Katastrophengebieten nicht am Netz. Bei Anlagen in umliegenden Gebieten sei die Reichweite erhöht worden, um eine „Basisversorgung“ zu ermöglichen. Das ist dann Edge, also die Versorgung, die auch das kleine Voreifelörtchen Dorff hatte.
Wichtige Vermittlungsstelle unter Wasser
Die wichtige Vermittlungsstelle Gerolstein der Telekom hat es hart erwischt. Hier hängt nicht nur der Ort dran, sondern weitere 16 000 Haushalte bis runter ins Saarland. Zudem sind 36 Mobilfunkstandorte angebunden.
Bevor die Reparaturarbeiten anfangen konnten, muss das THW ein paar Tausend Kubikmeter Wasser abpumpen. Es hatte den Keller geflutet und stand auch im Erdgeschoss 1 m hoch. Wäre das Wasser nur 10 cm höher gewesen, wäre der Schaden viel höher gewesen. Die Technik ist völlig beschädigt. Aber die redundante Glasfasertechnik ist intakt geblieben. Die „schnelle Eingreiftruppe“, das Disaster Recovery Team, traf am Samstagmorgen aus Göttingen mit einem Container ein, der ans Strom- und Glasfasernetz angeschlossen wurde. Mit der Technik aus der Box lassen sich alle relevanten Teile der Betriebsstelle ersetzten. Am Sonntagmorgen dann der neue Schrecken: Wieder ist der Strom weg, wieder müssen die Experten ran.
Mini-Mobilfunkstationen fürs Ahrtal
Am Montagabend meldet sich Dirk Ellenbeck, Pressesprecher und Mitglied des Krisenteams bei Vodafone, aus dem Ahrtal. Morgens hatten sie einen großen MRT (Mobile Radio Trailer) auf einem 40-Tonner in Rheinbach installiert. 20 m bis 25 m werden hier die Antennen oben ausgefahren. Die Verbindung zur nächsten Basisstation läuft über Richtfunk.
Jetzt bauen sie bei Ahrweiler und Schuld sogenannte Instant Networks auf. Die kleinen Einheiten können Bereiche von wenigen Hundert Metern mit WLAN verbinden – wichtig für Einsatzleitzentralen – , kleinere Mobilfunknetze aufbauen, bieten aber auch die Chance zum Laden von mobilen Geräten. Das Backbone, also die Verbindung zum Kernnetz der Düsseldorfer, läuft über Inmarsat-Satelliten.
Ellenbecks Kollegen sind mit ihren Mini-Mobilfunkstationen schon in der Nacht von Freitag auf Samstag aus Ungarn durchgefahren. Sie kennen Katastrophen auf der ganzen Welt, sind Teil einer 50-köpfigen Notfalltruppe des Mobilfunkbetreibers. Ein kurzes Treffen mit den Kollegen in Kerpen und ab ging es in der ersten Runde ins Ahrtal, wo es wohl die meisten Toten und die schlimmsten Verwüstungen gibt. Hier hofft man zu diesem Zeitpunkt immer noch auf Überlebende, die sich schlicht nicht melden konnten.
Zusammenschaltung der Netze unmöglich
Könnten die drei Mobilfunkbetreiber in der Not ihre Netze nicht zusammenschalten? Zumindest dort, wo beispielsweise eine Telekom-Station funktioniert und eine Vodafone-Anlage nicht, liegt diese Vermutung nahe. Doch: Das jeweils andere Netz kennt die Kunden der anderen Betreiber gar nicht. Es kann also kein Einbuchen stattfinden. Dafür müssten zunächst sämtliche Datenbanken der drei Netzbetreiber miteinander synchronisiert werden.
Hinzu kommt, dass die einzelnen Basisstationen unter der Last zusammenbrechen dürften. Also müssen alle drei Mobilfunkbetreiber ran. Speziell bei der Telekom, aber auch bei der Vodafone-Tochter Unitymedia weiß man aber schon heute, dass der Wiederaufbau des Festnetzes beziehungsweise des TV-Kabelnetzes länger dauern dürfte.
Telekom verteilt Smartphones an Flutopfer
Ein Servicemobil der Telekom ist Richtung NRW unterwegs. „Jetzt müssen wir den Menschen in den Katastrophengebieten helfen“, heißt es bei Deutschlands größtem Telekommunikationsanbieter. Gemeinsam mit anderen Trucks werden Notfallhandys, Router, Ladegeräte und anderes technisches Equipment zu den Menschen in die Hochwasserregionen gebracht. Hunderte von Smartphones und Powerbanks haben Mitarbeitende der Telekom in Bonn zusammengepackt. Rentnerin Ursula aus Eschweiler ist zu Tränen gerührt – so wie manch einer in diesen Tagen, wenn es um das Engagement der vielen Freiwilligen geht.
Im kleinen Dorff bei Stolberg ist es derweil stiller geworden. Der Strom geht seit Samstag wieder, die Pumpen surren leise vor sich hin. Der Müll sammelt sich, noch immer gibt es keine Trinkwasserversorgung. Aber manchmal schrillt ein Klingelton durch die Gärten. „Ja, hallo“, ruft die Nachbarin ins Smartphone und fügt ganz schnell hinzu: „Es geht uns gut.“