Satellitennetze: Starlink kann mit Glasfaser nicht mithalten
Technologisch spannend, politisch gehypt – das sind Satellitennetzwerke wie Elon Musks Starlink. Bei der Versorgung von Haushalten mit schnellem Internet sind sie allerdings der Glasfaser deutlich unterlegen, zeigt jetzt eine Studie.
Über Satelliteninternet wollen Anbieter wie das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX von Elon Musk, die britische Firma Oneweb und der Handelsgigant Amazon zukünftig weltweit Breitbandinternetzugänge zur Verfügung stellen. Aber: Inwieweit ist das Internet aus dem All tatsächlich in Deutschland eine Alternative zu Glasfasernetzen bis ins Gebäude oder in Wohnungen? Das hat eine jetzt veröffentlichte Studie der Technischen Hochschule Mittelhessen im Auftrag des Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) untersucht. Im Breko sind Festnetzbetreiber organisiert, für die Satelliteninternet eine Konkurrenz darstellen könnte.
Beta-Tests mit dem Internet aus dem All in Deutschland
Die Wissenschaftler orientierten sich bei ihren Untersuchungen an dem Konzept der SpaceX-Konstellation Starlink. Das Musk-Unternehmen hat bekannt gegeben, noch im August dieses Jahres weltweit breitbandige Internetzugänge zur Verfügung zu stellen. Seit März 2021 laufen auch Beta-Tests in ausgewählten Regionen Deutschlands.
Mitte 2021 nutzten nach Angaben von SpaceX rund um den Globus 69 000 Menschen das Angebot. Bis Mitte 2022 rechnet das Unternehmen von Elon Musk mit bis zu einer halben Million Kunden weltweit. Doch wie leistungsfähig ist das Internet aus dem All wirklich?
Keine flächendeckende Versorgung mit hohen Bitraten
Die Ergebnisse der Technischen Hochschule Mittelhessen belegen: Über das Satellitennetzwerk Starlink lässt sich keine flächendeckende Versorgung der deutschen Haushalte mit Bitraten von mindestens 100 Mbit/s im Download erreichen. Selbst mit sehr optimistischen Annahmen ließen sich über das Starlink-Netz maximal 1,3 Mio. 100 Mbit/s-Anschlüsse oder 130 000 1 Gbit/s-Anschlüsse in Deutschland realisieren. Die Upstream-Bitraten entsprechen dabei maximal 30 % bis 40 % der Downstream-Bitraten.
Für Kristof Obermann, Dekan des Fachbereichs Elektro- und Informationstechnik der Technischen Hochschule Mittelhessen, stellt das Satelliteninternet keine Bedrohung für das Geschäftsmodell der Telekommunikationsfirmen dar. Es sei keine Alternative zu Glasfaseranschlüssen bis in die Gebäude und Wohnungen. Mit Glasfaseranschlüssen können Bitraten von 1 Gbit/s, 10 Gbit/s und künftig sogar noch mehr – 100 Gbit/s oder 400 Gbit/s – sowohl im Up- als auch im Downstream realisiert werden.
Stärke von Starlink liegt in der globalen Vernetzung
„Die Stärke derartiger Satellitennetze liegt weniger in der bereitgestellten Kapazität als vielmehr in der globalen Vernetzung sehr vieler Endgeräte mit moderaten Bitraten aber geringen Latenzen bei hinreichend großen Entfernungen“, erklärt Obermann. Es sei technologisch interessant und für weltweite und flächendeckende Versorgung von Gegenden mit geringer Bevölkerungsdichte, beispielsweise ländliche Gebiete, Weltmeere, Arktis, Antarktis, Wüsten, Steppen, Weideflächen, Gebirge u.a. geeignet. „Die wirtschaftliche, politische und auch militärische Bedeutung des Satelliteninternets sollte daher nicht unterschätzt werden.“
Das Starlink-Netz könne, das belegt die Untersuchung, auch in Deutschland als Ergänzung zu bestehenden Breitbandtechnologien einen wichtigen Beitrag leisten. Haushalte, die auch in den nächsten Jahren weder eigenwirtschaftlich noch mit dem Einsatz von staatlichen Fördermitteln erschlossen werden könnten, erhielten so eine Grundversorgung und digitale Teilhabe.
Bei den Ergebnissen der Studie ist zu berücksichtigen, dass derzeit noch nicht absehbar ist, ob und wann Starlink sein Endausbauziel von insgesamt knapp 42 000 Satelliten im Weltall erreichen wird. Dies wird unter anderem von der Verfügbarkeit, beziehungsweise Genehmigung, der entsprechenden Umlaufbahnen und Frequenzen für die Daten- und Telemetrieverbindungen abhängen. Die Studie geht trotzdem von der Annahme aus, dass es gelingt, die geplanten fast 42 000 Satelliten ins All zu bringen.
Hunger nach Bandbreite wächst
Breko-Geschäftsführer Stephan Albers dürfte die Studie freuen: „Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass Glasfaser als digitale Infrastruktur alternativlos ist“. Albers weiß auch, dass hierzulande die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur wachsen. Das zeigten kürzlich die Ergebnisse der Breko Marktanalyse. Dieser zufolge erhöhte sich das durchschnittlich pro Anschluss und Monat übertragene Festnetzdatenvolumen allein im vergangenen Jahr um mehr als 40 %. Diesen Trend spiegelt auch die weiter steigende Nachfrage nach hochbitratigen Anschlüssen wider. Bereits ein Drittel aller Kunden buchte 2020 Internetanschlüsse mit einer Datenrate über 100 Mbit/s. Mehr als 1 Mio. Kunden Kunden entschieden sich bereits für Anschlüsse mit Datenraten von 1Gbit/s oder mehr.
Dennoch rutschen Satellitenkonstellationen immer stärker in den Fokus politischer Diskussionen. Erst Anfang Juni hatte das für den Ausbau der digitalen Infrastruktur zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Anfang Juni 2021 einen sogenannten „Digitalisierungszuschuss“ in Form einer Förderung von Internetanschlüssen in Einzel- und Randlagen über eine nicht-leitungsgebundene Internetanbindung, wie beispielsweise über Satellit, angekündigt.
Nachhaltigkeit von Satellitennetzen hinterfragen
Für den Breko-Geschäftsführer muss in Deutschland auch weiterhin der Glasfaserausbau politisch höchste Priorität haben. Nur so könne „eine zukunftssichere und nachhaltige Basis für die Digitalisierung Deutschlands“ geschaffen werden. Um auch Bürger und Bürgerinnen in sehr ländlichen und besonders dünn besiedelten Gegenden digitale Teilhabe zu ermöglichen, könne das Internet aus dem All sinnvoll als Brückentechnologie eingesetzt werden. Die Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hätte jüngst gezeigt, wie Satellitenkommunikation helfen könne. Wichtig, so Albers, sei aber auch, dass bei aller Euphorie über Starlink das Thema Nachhaltigkeit im Blick bleibt. „Bisher ist unklar, welche Auswirkungen die vielen tausend geplanten Satelliten haben werden und was mit diesen nach deren Betriebszeit passiert.“